Gehen wir zunächst einmal davon aus, dass sich die EU nicht bis auf die Knochen blamieren will und daher (vorerst) an dem festhält, was sie soeben beschlossen hat.
Mit sofortiger Wirkung tritt also die Verordnung in Kraft, dass bei der Einfuhr von eAutos aus China Strafzölle (oder wie es die EU charmanter ausdrücken will, Zusatzzölle) bis zu 35,3 Prozent eingehoben werden.
Ursula von der Leyen, die nie vom EU-Volk gewählte und daher auch nur bedingt beliebte EU-Kommissions-Präsidentin, begründete das damit, dass "die Weltmärkte von billigeren chinesischen Elektroautos überschwemmt“ würden.
Einmal ganz abgesehen davon, dass sich die chinesischen eAutos in erster Linie deshalb dermaßen gut verkaufen, weil sie auf einer großartigen Technologie aufbauen, eine größere Reichweite als andere haben und darüber hinaus mit ihrer Limousinen-Optik auch wunderschön sind, steckt hinter der Maßnahme der EU auch ein gerütteltes Maß an EU-Innenpolitik.
Olaf Scholz, ob seiner innerdeutschen verheerenden Umfragewerte auch außenpolitisch und politstrategisch geschwächt auf der Bühne der Weltpolitik, hat den EU-internen Machtkampf gegen Emmanuel Macron, Ursula von der Leyen und andere China-Scharfmacher verloren. Der deutsche Bundeskanzler hatte sich bis zuletzt gegen die EU-Maßnahme gewehrt, weil er (nicht zu unrecht) vor allem auch negative Auswirkungen für die deutsche Autoindustrie befürchtet.
Zwar wird (nicht nur auf Grund der scharfen Proteste aus China) der Streit um die eAutos vielleicht nicht heute oder morgen, aber möglicher Weise schon in ein paar Monaten (wenn einige EU-Länder die Auswirkungen dieses Beschlusses zu spüren bekommen) in eine nächste Runde gehen. Aber: Die Anzeichen, dass das Klima zwischen der EU und China schlechter werden wird in den nächsten Monaten und Jahren, sind zum Leidwesen aller nicht zu leugnen.
Mit Kaja Kallas wird eine als Scharfmacherin bekannte Politikerin in den nächsten fünf Jahren Chinas erste Ansprechpartnerin werden und auch wenn sich viele - vornehmlich aus dem rechten Eck kommende EU-Granden - um ein besseres Klima zu China bemühen, wird es eher in die andere Richtung gehen.
Kaja Kallas, die wahrscheinlich ab Anfang Dezember als neue EU-Außenbeauftragte ihre Tätigkeit aufnehmen wird, änderte in einigen Interviews den bisher geltenden EU-Grundsatz, China sei zwar ein systemischer Rivale, aber auch Partner ab und schickte bereits erste Unfreundlichkeiten Richtung Beijing: „Ich werde keine Mühen scheuen, um die Werte der EU zu verteidigen und die Interessen der EU gegenüber systemischen Rivalen zu schützen. Meine Priorität bei der Zusammenarbeit mit China wird darin bestehen, die geopolitische und wirtschaftliche Sicherheit der EU zu schützen.“
Was genau das in der Umsetzung heißen soll, steht in den Sternen, aber die nun (vorerst endgültige) Kampfansage an China im Zusammenhang mit den eAutos deutet an, in welche Richtung sich all das entwickeln könnte. Zum Vorteil Europas und der globalen Wirtschaft wird das aber ganz sicher nicht sein.
MARTIN SÖRÖS, FREIER JOURNALIST AUS ÖSTERREICH