Nehmen wir die Weltkarte zur Hand und ziehen wir eine Zwischenbilanz. In den USA (und damit auch in den USA-nahen bzw. USA-abhängigen Institutionen) ist man in Zeiten wie diesen fast ausschließlich mit sich selbst beschäftigt.
Joe Biden?
Donald Trump?
Der Präsidentschaftswahlkampf ist diesmal nicht nur ein ausgesprochen schmutziger und polarisierender, sondern auch ein Wahlkampf, der Prognosen, wohin die USA ab 2025 gehen werden, nahezu unmöglich macht. Das lähmt die Wirtschaft, das spaltet das Land.
In der Europäischen Union haben die Wahlen vom 9. Juni das erwartete Beben Richtung rechts gebracht und um die Vergabe der wichtigsten Posten innerhalb der EU so zu verteilen, dass es den (bisher) Mächtigen gefällt, muss schon über zahlreiche Brücken und Weggabelungen gegangen werden. Wohin diese wohl führen werden?
Frankreich (Macron vs. LePen) ist ebenso mit sich selbst beschäftigt wie Großbritannien, wo es nach Verschiebung der Machtverhältnisse Richtung Labour Party riecht.
Die G7 hängen in den Seilen.
Und dann wäre da noch jener Teil der Welt, von dem die Großmächte des Westens (zu) lange angenommen haben, dass sie den Rückstand, den sie einst hatten, in den nächsten Jahrhunderten nie und nimmer aufholen werden.
Das war ein Irrtum und der letzte Beweis dafür wurde beim Gipfel der „Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit“ (SCO) in Astana erbracht, wo neben den Gründungsmitgliedern China, Russland, Kirgisistan, Tadschikistan und Kasachstan auch zahlreiche Partner und Verbündete aus Asien, Europa und Afrika am Tisch saßen.
Im Zuge der Tagung kam es nicht nur zu einem (in turbulenten Zeiten wie diesen extrem wichtigen) Treffen zwischen Chinas Staatschef Xi Jinping, Russlands Präsident Vladimir Putin und Recep Tayyip Erdoğan, Präsident der Republik Türkei, sondern auch zu zahlreichen bilateralen und multilateralen Meetings wichtiger Staatsmänner.
Im Vordergrund standen dabei nicht nur die regionale Sicherheit und Verteidigung, sondern auch die Erweiterung infrastruktureller Projekte der Belt&Road-Initiative und die Zusammenarbeit in wirtschaftlichen Belangen im Mittelpunkt.
Im Rahmen des SCO-Meetings in Kasachstan ging es aber auch um den weiteren Ausbau der bilateralen Beziehungen zwischen China und dem Gastgeber-Land. Kassym-Jomart Tokayev, Präsident Kasachstans überschlug sich in seiner Dankesrede an Xi Jinping vor Lob für den hohen Gast: „Ich glaube, dass Ihr Besuch von außerordentlicher Bedeutung ist. China ist ein freundlicher Nachbarstaat, ein wichtiger strategischer Partner und einer unserer wichtigsten Verbündeten. Ich stelle mit großer Freude fest, dass sich die kasachisch-chinesischen Beziehungen, die auf unzerstörbarer Freundschaft und gegenseitiger Unterstützung basieren, in einem beispiellosen Tempo entwickeln . . .“
Womit ein weiteres Mal zum Ausdruck gebracht worden ist, dass China nicht nur in einem guten Klima mit seinen 14 Nachbarländern Vietnam, Laos, Myanmar, Bhutan, Nepal, Indien, Pakistan, Afghanistan, Tadschikistan, Kirgisistan, Kasachstan, Russland, Mongolei und Nordkorea leben möchte, sondern global gesehen zu einem Faktor der Stabilität, der Kooperationswilligkeit und der Bereitschaft zu breit angelegter Wirtschaftskooperation geworden ist.
Bleibt zu hoffen, dass die künftigen Big Player in der EU dies auch zeitnah erkennen und dementsprechend handeln. Und dass vor allem die künftige EU-„Außenministerin“ Kaja Kallas in einer guten Partnerschaft mit China leben und arbeiten möchte.
Europäische Politiker, die in China schon länger einen wichtigen Partner und keinen Rivalen erkennen, gibt es je beispielsweise in Person von Ungarns Regierungschef Viktor Orban schon länger. Und der wird vor allem in den nächsten sechs Monaten, in denen sein Land den EU-Länder-Vorsitz innehat, ebenfalls zu einem bestimmenden Faktor in der EU.
MARTIN SÖRÖS, FREIER JOURNALIST AUS ÖSTERREICH