„Auf den Tag genau am 11. Oktober 1972 besuchte der damalige Bundesaußenminister Walter Scheel China. Mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen haben China und Deutschland damals einen großen Schritt aufeinander zugetan. Heute verbindet unsere Länder eine strategische Partnerschaft. Heute spielen Deutschland und China in der Champions League der Globalisierung. Auf globaler Ebene ist die Kooperation zwischen Deutschland und China eine notwendige Bedingung für eine bessere Zukunft. China und Deutschland gestalten Globalisierung. Vor wenigen Wochen haben wir zum zweiten Mal deutsch-chinesische Regierungskonsultationen durchgeführt. Dieses hochrangige Format unserer Zusammenarbeit ist Ausdruck der Tiefe unserer Beziehungen. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um der chinesischen Regierung noch einmal für diesen guten Dialog zu danken und meine große persönliche Anerkennung für das Erreichte auszusprechen.“
Mit diesen Worten bilanzierte der damalige deutsche Außenminister Guido Westerwelle bereits anlässlich des Festakts zum 40. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit China 2012 diesen großen, einmaligen Erfolgsweg. Einen Erfolgsweg, der mit Inhalten prall gefüllt ist, und zwar mit so vielen Inhalten, dass man ein sehr dickes Buch darüber schreiben könnte. Wenn ich mich trotzdem an der Nennung einiger Stationen dieses Erfolgsweges versuche, so sehen Sie es mir nach, dass diese Auswahl sicher subjektiv ist. Aber Fakten sagen oft mehr als allgemeine Worte.
Für die Tiefe dieser Beziehungen spielen in meinen Augen gerade auch die vielen bilateralen Städtepartnerschaften eine große Rolle: 1982 machten Wuhan und Duisburg den Anfang, mehr als 100 weitere folgten inzwischen. Zwei Jahre später wurde das erste chinesische Generalkonsulat in Hamburg eröffnet. 1993 bereiste der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl China. In dem Reisegepäck seiner Delegation Lieferaufträge von 6,3 Mrd DM. Ein anderer Bundeskanzler, Gerhard Schröder, eröffnete 1999 die Deutsche Handelskammer in China und 2002 gemeinsam mit Zhu Rongji die Transrapid Strecke Shanghai. Bereits 1988 hatte das Goethe-Institut in Beijing eröffnet, 2006 folgten die ersten Konfuziusinstitute in Deutschland in Berlin und Nürnberg. Eine bedeutende Aktion zu einer echten Vertiefung der Beziehungen war auch zwischen 2007 und 2010 die dreijährige Veranstaltungsreihe „Deutschland und China gemeinsam in Bewegung“, die durch sechs chinesische Städte zog und auf der Expo in Shanghai endete. Die von dem früheren Außenminister Westerwelle genannten bilateralen Regierungskonsultationen starteten 2011 und fanden inzwischen bereits zum sechsten Male statt.
Anlässlich des 45jährigen Jubiläums bilanzierte der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder daher zu Recht, dass die guten Beziehungen zu China eine lange Tradition hätten. Bereits der damalige Bundeskanzler Willy Brandt habe den Dialog mit China aufgenommen, sein Nachfolger Helmut Schmidt habe das weitergeführt und sich noch um die Partnerschaft gekümmert, als er längst über 90 Jahre alt war. Dessen Nachfolger Helmut Kohl sei auf dem Weg weiter geschritten ebenso wie schließlich die Kanzlerin Angela Merkel, die 2019 zum 12. Mal (!) China besuchte. Humorvoll hieß es dazu sogar, die „Große Halle des Volkes“ in Beijing sei Frau Merkels Wohnzimmer.
Nicht außer Acht lassen sollte man in den aktuellen krisenbehafteten Zeiten auch die unverzichtbare Bedeutung des gemeinsamen Weges für die deutsche Wirtschaft. Auch hierzu nur wenige Bemerkungen: Im Jahr 1972 betrug das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern noch 274 Millionen US-Dollar. 2021 ist es bereits auf 245,3 Milliarden Euro angestiegen. Die Zahl der Güterzüge als Symbole des wirtschaftlichen Austausches zwischen China und Deutschland betrug 2021 15000. Überhaupt hat insbesondere die Öffnung Chinas seit den 1980er Jahren den Austausch zwischen beiden Ländern intensiv vorangebracht. Heute sind ca. 6000 deutsche Unternehmen in China tätig und schaffen insgesamt rund 1 Millionen Arbeitsplätze. Jedes Jahr studieren mehr als 40.000 chinesische Studierende in Deutschland. Und auch dieses: Die Automobilindustrie ist das herausragende Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Und die drei großen deutschen Automobilhersteller setzen zwischen 30 und 40 % der Wagen in China ab. Und ohne diesen Absatz würde es sich Deutschland sehr „verdunkeln“.
Aber natürlich, wie es die Beijing Rundschau treffend formulierte: Diese Beziehungen sind weit mehr als eine Wirtschafts- und Handelskooperation. Denken wir an die bereits genannten Städtepartnerschaften, den Studentenaustausch oder auch zahlreiche Schulpartnerschaften (ich konnte deren Lebendigkeit bei der Schulpartnerschaft Max-Beckmann-Schule Frankfurt mit der 6. Schule von Guangzhou hautnah einige Male miterleben) oder natürlich die Kulturvermittlung durch die Konfuziusinstitute. Viel könnte man auch zum Kultur- und Wissenschaftsaustausch sagen. Dies alles schafft menschliche Kontakte, Bindungen und Freundschaften.
Im Interesse beider Länder, aber auch gerade Deutschlands: Bleiben wir auf diesem Weg und lassen uns nicht von giftigen, von chinafeindlichen Kräften formulierten Modewörtern wie „systemischer Rivalität“ beeindrucken. China ist für uns kein feindlich gesonnener „Rivale“, sondern ein dringend benötigter Kooperationspartner. In den vergangenen 50 Jahren ebenso wie in der Zukunft.
Dr. Michael Borchmann
Ministerialdirigent a.D. (Land Hessen), früherer Abteilungsleiter (Director General) Internationale Angelegenheiten
Mitglied des Justizprüfungsamtes Hessen a.D.
Senior Adviser der CIIPA des Handelsministeriums der VR China