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Der Millionär und der See
  2014-10-16 14:54:22  cri

Tsan Kunyel begrüßt ausländische Gäste in seinem Haus nur sehr selten. Ein Ereignis, das durch das Umlegen einer weißen tibetischen Schärpe für die Gäste begangen wird. Noch steht man vor dem kleinen Hof, der für die Augen eines Unwissenden ganz bescheiden aussieht: Drei aneinander gereihte einstöckige Gebäude. Die Hinteren sind offensichtlich erst kürzlich hinzu gebaut worden. Dahinter Scheunen und Unterschlupf für das Vieh, von dem aber weit und breit nichts zu sehen ist, abgesehen von einem Pferd, das am Hofeingang grast. Tsan Kunyel hat seine traditionelle tibetische Tracht angezogen, um seine Gäste zu begrüßen. Darunter trägt er ein westliches Hemd, Arbeitshose, Lederstiefel. Auf dem Kopf der große Hut zum Schutz vor der hellen Sonne. Erst als seine Frau aus dem Haus kommt, wird einem jedoch klar, wie prächtig die tibetische Tracht sein kann. Man gerät ins Staunen über das grasgrüne mit Blumenmuster bestickte Seidengewand und verliert für einen Moment wider Erwarten den Blick für die hohen weißen Berge und den blauen See. Sofort werden alle in das Wohnzimmer geladen, wo frischer Milchtee von einem Ofen mitten im Zimmer serviert wird. Eine Wohltat, bei den ständig kalten Temperaturen in diesen Höhen. Das Innere des Hauses ist hier mit mehr Bequemlichkeiten ausgestattet als sein Äußeres hätte vermuten lassen. Doch Tsan Kunyel bleibt zurückhaltend, scheint nicht das Interesse an seinem Leben als Viehzüchter zu verstehen.

Tsan Kunyel ist 26 Jahre alt. Sein junges Alter sieht man ihm, wie bei so vielen Tibetern hier in der Gegend, nicht an. Wind, Sonne, Kälte und vor allem harte Arbeit lassen die Gesichter ihren Jahren davonlaufen. Tsan Kunyel ist seit seinem 19. Lebensjahr verheiratet und hat zwei Kinder. Eines davon ist sieben, das andere fünf. Im Augenblick gehen sie in der mit dem Auto etwa 100 Kilometer entfernten Stadt zur Schule. Da seine Eltern ebenfalls in der Stadt wohnen, kümmern diese sich zu Schulzeiten um die Kinder.

Tsan Kunyel und seine Frau bleiben auf dem Hof. Sie hüten über 500 Schafe und 60 Rinder auf 67 Hektar Land. Allein. Es gibt keine Angestellten, die bei der täglichen Arbeit helfen. Das heißt für Tsan Kunyel: Jeden Morgen bei Sonnenaufgang aufstehen, das Vieh auf den Berg hinauf treiben. Über Tag kommt er zurück und erledigt Arbeiten am Hof. Abends wieder mit dem Pferd den Berg hinauf, die Tiere wieder hinabtreiben. Und das jeden Tag. Die Orte, an die Tsan Kunyel schon verreist ist, kann er an weniger als einer Hand abzählen: Beijing, Guangzhou und Sichuan. Keiner der Orte scheint ihn so richtig beeindruckt haben. Mag sein, dass sie einfach zu wenig mit seinem eigenen Leben zu tun haben. Seinen Hof hat Tsan Kunyel von seinen Eltern übernommen, die ihn wiederum von ihren Eltern hatten. Entwickelt sich hier zwischen Bergen und See also nichts weiter und bleibt alles, wie es immer war? Weit gefehlt: Vor einigen Jahren hat Tsan Kunyel einen Teil seines Tierbestandes verkauft, um sich direkt an der Uferstraße eine Häuserreihe zu kaufen. Darin hat er mit einem Freund ein Restaurant eröffnet. Hier verkauft er Rind- und Lammfleisch aus eigener Haltung und regionales Gemüse. Es lebt sich gut, stellt er fest. Mit dem Restaurant verdient er im Jahr mehr als 100.000 RMB. Die Viehzucht bringt ihm mehr als 200.000 RMB ein. Da der Eigenwert seiner Tiere noch einmal über 600.000 RMB beträgt, nähert man sich plötzlich rasant schnell einer Zahl im siebenstelligen Bereich. Sollte es sich bei diesem schüchternen jungen Mann etwa um einen Millionär handeln? Er scheint das nicht so zu sehen. Immerhin müsse er seine Eltern und Schwiegereltern von dem Geld unterhalten und hat auch andere Ausgaben, beispielsweise für die Bediensteten im Restaurant. Nur nebenher erwähnt er noch, dass er Teile der Häuserreihe an Nachbarn vermietet, die dort ebenfalls Restaurants eröffnet haben. Die Miete hatte er in seiner kleinen Aufzählung nicht erwähnt.

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