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Der Reiter im grünen Gewand (5)

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Der Sommer war vergangen, und Arm und Reich bereitete sich wieder für das siebentägige Herbstfest vor. Mit ihrem Jurten und mit Wegzehrung versehen, strömten die Leute von nah und fern zu jenem Berghang, wo seit alters her den überirdischen Wesen feierliche Rauchopfer dargebracht, Pauken- und Schellentänze aufgeführt, und im Anschluss daran fröhliche Trinkgelage und Wettbewerbe im Reiten abgehalten wurden. Die jungen Burschen und Mädchen aber suchten sich beim Herbstfest ihre Liebsten.

Die alte Frau wollte ihr Froschkind diesmal unbedingt mitnehmen. Das Fröschlein jedoch weigerte sich beharrlich: "Nein, Mutter, ich mag nicht. Mit meinen kurzen Beinen kann nicht über so viele Berge hüpfen. Nein, nein, viel zu weit und beschwerlich ist die Reise!" So nahm denn das alte Paar nur die Schwiegertochter mit. Das Fröschlein aber blieb zu Hause.

An den letzten drei Festtagen hielten die Burschen nach altherkömmlichem Brauch Wettrennen zu Pferde ab. Und jedes Mal, wenn dann der Sieger des Tages ausgerufen wurde, eilten sogleich die Mädchen herbei, umjubelten und umtanzten ihn, führten ihn zu den Jurten ihrer Eltern und Brüder und reichten ihm stolz einen Trunk von ihrem selbstgebrauten Gerstenbier.

Am siebenten und letzten Tage sollte das Entscheidungsrennen stattfinden. Da ritt auf einmal ein unbekannter Jüngling von stolzem Wuchs und edlen Zügen auf den Kampfplatz. Grün war sein Wams und von feinster Seide, schwarz sein Ross; mit Gold und Silber beschlagen, mit Smaragden und Rubinen bedeckt sein Sattel, Lauf und Kolben seiner Flinte waren mit Silber- und Korallenornamenten verziert. Wie gebannt blickten alle auf diese herrliche Jünglingsgestalt. Und mit Freuden willigte man ein, als er den Wunsch aussprach, am letzten Rennen teilzunehmen.

Mit unbekümmerter Ruhe rückte der fremde Jüngling das Sattelzeug seines Pferdes zurecht, derweil die anderen bereits in gestrecktem Galopp über die bunte Wiese dahinsprengten; und auch als er sich dann schließlich in den Sattel schwang, legte er ein gar sonderbares Gehabe an den Tag, denn während seine Mitbewerber, tief über die Männer ihrer Pferde gebeugt, nur ihr Ziel im Auge hatten, lud er im Galopp die Flinte und schoss auf die Adler, die hoch über dem Berghang kreisten. Dreimal lud er und dreimal drückte er ab, und nach jedem Schuss stürzte ein Adler zu Tode getroffen vom Himmel herab. Als er dann die anderen bereits überholt hatte, sprang er vom Pferd, riss Büsche von Glockenblumen und purpurfarbenen Chrysanthemen vom Wiesengrund und streute sie bald links, bald rechts in die Menge. Und wenn er sich dann wieder behände in den Sattel schwang, schnellte sein Ross so blitzgeschwind vorwärts, dass man nichts als einen Wirbel von flatternden Hufschlägen auf dem grünen Grase gewahrte; den erstaunten Zuschauern flimmerte es vor den Augen, und sie meinten wahrhaftig, Ross und Reiter schwebten in einer Wolke dahin. Es dauerte nicht lange, so hatte der Jüngling, allen anderen weit voraus, das Ziel erreicht.

Da ging ein Wispern und Raunen durch die Menge. Mädchen und Frauen, Knaben und Greise, ja, selbst die der heiligen Sutren kundigen Lamas, - alle steckten verwundert die Köpfe zusammen und fragten: "Woher kommt dieser Jüngling? Woher mag er nur kommen? Weiß niemand seinen Namen ...?" Oder sie flüsterten einander zu: "Unglaublich! Unglaublich! Nein, wie er nur die Adler herunterschoss und vom Pferd sprang und Blumen pflückte! Wer hat schon jemals so etwas gesehen!" - "Wie edel von Gestalt, wie schön und stattlich er ist! Ein prächtiger Reiter! Ja, so ein kostbarer Sattel, ein so wunderbares Ross, ein Seidenwams wie das seine, passen wohl auch nur zu solch einer Heldengestalt." - "Ach, wo ist das Mädchen, das solch eines Jünglings wert ist?"

All die jungen Mädchen umdrängten den Sieger, sangen, umtanzten ihn fröhlich, luden ihn in ihre Jurten, dass er den Ehrentrunk von ihrem selbstgebrauten Gerstenbier trinke.

Doch kaum war die Abendsonne hinter den Berg hinabgerollt, da schwang er sich auf sein Ross, und ohne auch nur ein Wort des Abschieds zu sagen, sprengte er in jener Richtung davon, wo die Hütte des alten Paares lag.

Sprachlos blickte die Menge der Staubwolke nach, die hinter den fliegenden Hufen seines Rosses emporwirbelte.

Auch die jüngste Tochter des Chungpon fragte sich verwundert, wer dieser Jüngling sei und was ihn wohl dazu treibe, sogleich nach Sonnenuntergang davonzueilen. Vielleicht, dachte sie, wohnt er weit fort, und ebenso wie alle anderen trug auch sie ein sinnenverwirrendes Bild des kühnen Reiters in ihrem Herzen heimwärts.

Als das alte Paar und die Schwiegertochter wieder zu Hause anlangten, kam ihnen das Fröschlein schon bei der Türe entgegengehüpft. Und als sie ihm nun von den Ereignissen des Herbstfestes erzählen wollten, da wusste es schon alles, was sich auf dem Festplatz zugetragen, ja, selbst von den ungewöhnlichen Taten des jungen Reiters hatte es bereits Kunde erhalten.

Wieder war ein Jahr vergangen. Die Zeit des Herbstfestes rückte heran. Und wieder machten sich Eltern und Schwiegertochter auf den Weg zum Festplatz.

Als man sich zum Wettreiten rüstete, gedachten die Leute wieder des Jünglings im grünen Gewand und sagten zueinander: "Wenn er diesmal kommt, müssen wir ihn unbedingt fragen, wie er heißt, wo er zu Hause ist und welchem Herrn er dient."

Als dann am letzten Tag das Entscheidungsrennen beginnen sollte, sprengte auf einmal wieder der grüngekleidete Jüngling auf den Platz - so plötzlich, so überraschend, als ob er vom Himmel herabgebraust käme. Wieder ritt er sein schwarzes Ross, auch die reichverzierte Flinte trug er wieder über der Schulter; sein Gewand aber war diesmal noch herrlicher anzusehen, von noch feinerer, schönerer Seide.

Das Rennen begann. Die anderen waren bereits davongeritten, nur er saß immer noch im Gras und trank gemächlich Tee. Als er sich endlich in den Sattel schwang und im Galopp dahinsauste, holte er wieder seine Flinte von der Schulter und schoss hintereinander drei Adler herab. Auch diesmal sprang er vom Pferde, pflückte Glockenblumen und Chrysanthemen und streute sie bald links, bald rechts in die Menge. Und schließlich sprengte er, allen anderen weit, weit voraus, so blitzschnell dem Ziel zu, dass man Ross und Reiter nicht mehr voneinander unterscheiden konnte, sondern nur noch einen Wirbel von Grün, eine grüne Wolke über die weite Wiese dahinjagen sah.

Mit solch inniger Freude hatten die Mädchen noch nie einen Sieger umtanzt, nie noch so begeistert die alten Weisen gesungen, keinem noch hatten sie mit solch glühendroten Wangen den Ehrentrunk von ihrem selbstgebrauten Gerstenbier kredenzt. Kaum aber neigte sich die Sonne, da sprang der. Jüngling ohne Gruß und Abschiedswort in den Sattel und jagte wie der Wind davon.

Alte Männer und Frauen, die Magier und die schriftgelehrten Lamas waren aufs äußerste erstaunt. Wieder schwirrten die Fragen durch die Menge. Mit schwerem Herzen blickten die jungen Mädchen der dahinstiebenden Staubwolke nach. Doch auch diesmal hatte man versäumt, den Jüngling nach Namen und Herkunft zu fragen.

Als die alten Leute mit der Schwiegertochter zu Hause ankamen, brauchten sie dem Fröschlein wieder nicht zu erzählen, was sich beim Herbstfest ereignet hatte.

Im Herzen der jungen Frau aber begannen sich allerlei Zweifel zu regen. Wie kommt es, fragte sie sich, dass das Fröschlein so haargenau Bescheid weiß? Auf dem Festplatz ist es doch nicht gewesen. Und was trieb den fremden Reiter früh zum Aufbruch? Warum jagte er schon mit den letzten Sonnenstrahlen davon? Und stets war er in die Richtung ihres Hauses davongeritten ... Wie schön jener Jüngling doch war, wie liebenswert, wie stattlich und stark! - Und die heimlichen Ahnungen ihres Herzens ließen sie nimmer zur Ruhe kommen.

Wieder war es Herbst geworden, und auch diesmal begab sie sich mit ihren Schwiegereltern zum Festplatz, brachte gemeinsam mit ihnen das Rauchopfer dar, nahm an den Tänzen teil und labte sich in fröhlicher Runde an dem frischen selbstgebrauten Gerstenbier. Am Tage des Entscheidungsrennens jedoch schützte sie ein plötzliches Übelsein vor: ?Mein Kopf ist so schwer. Ach, lass mich heimreiten, Mutter!" Die Schwiegereltern, die ihr von Herzen zugetan waren, halfen ihr mit besorgter Miene auf das dürre Mauleselchen und schickten sie nach Hause.

Langsam ritt sie den Berghang hinab, doch sobald sie außer Sichtweite ihrer Schwiegereltern war, gab sie dem Maulesel geschwind die Peitsche und trabte, so schnell es nur ging, nach Hause. Ihr erster Gedanke galt dem Fröschlein, als sie daheim ankam. Das Fröschlein aber ließ sich nirgendwo blicken. Überall hatte sie schon nachgeschaut. Schließlich fand sie an der Feuerstelle einen Froschbalg, der in Länge und Größe, in Farbe und Form genau ihrem Fröschlein entsprach. Geschwind hob sie die abgestreifte Froschhaut auf, und Freudentränen strömten ihr über das Antlitz: "So bist du es doch! So war meine Ahnung richtig! Mein Gemahl ist jener herrliche Jüngling, jener unübertreffliche Reiter! Kaum wage ich's, mich seine Gattin zu nennen. Oh, was für ein glückliches und dennoch armes Kind bin ich!"

Hastig trocknete sie sich die Wangen, aber wenn sie auf den Froschbalg in ihrer Hand blickte, tropften wieder die Tränen herab. "Ach", rief sie bitter, "warum musst du dich mir in solch hässlichem Gewand zeigen? Bin ich deiner nicht wert, dass du mir in der Gestalt des kleinen, hässlichen Frosches erscheinst?"

Sie wurde so wütend über die Froschhaut, dass sie sich entschloss, sie zu verbrennen. Sie dachte nämlich, dass sich ihr Mann wieder in einen Frosch verwandeln könnte, wenn er zurückkäme. Und sogleich schleppte sie Holz herbei und entfachte ein Feuer.

Schon sank die Sonne hinter die Berge, als sie den Froschbalg in die Flammen warf. Da kam in einer Wolke von wirbelnden Hufschlägen der grüne Reiter herangesprengt.

Als der Jüngling das glimmende Froschgewand in den Flammen sah, wich alle Farbe aus seinem Antlitz. Mit einem Satz sprang er vom Pferd und riss den knisternden Balg aus dem Feuer. Zu spät! Nur die Haut des rechten Beines war heil geblieben, der Jüngling sank sterbensmüde auf einen Stein und seufzte aus tiefer Brust.

Da erschrak die Frau. Schnell fasste sie ihn beim Arm und geleitete ihn ins Haus. Und wehmütig sagte sie: "Ach, mein Gemahl, warum musstest du mir in Froschgestalt erscheinen, ein schöner Jüngling, ein trefflicher Reiter wie du? Ach, welches Mädchen hat schon einen Frosch zum Mann? Denk doch nur, wie traurig mir ums Herz war."

"Ach, Liebste mein", entgegnete der Jüngling, "was hast du nur mit deiner Ungeduld angerichtet! Ein frohes Leben war uns bestimmt, Glück und Frieden sollte ich dem Volk bringen. Doch, ach, noch fehlt es mir an Kraft! Noch kann ich das raue Menschendasein nicht ertragen."

"Weh mir, so habe ich dir Leid zugefügt", rief sie verzweifelt.

"Es ist nicht deine Schuld", erwiderte der Jüngling. "Warum musste ich auch zum Festplatz reiten und meine Kräfte erproben! Nun habe ich unsere Zukunft zerstört, und auch unser Volk wird nicht Glück und Frieden finden. Denn wisse, nicht ein gewöhnliches Menschenwesen bin ich, sondern wiedergeboren ward in mir der göttliche Sohn der FJrdmutter. Vorausbestimmt war es mir, den Menschen zu helfen. Oh, hätte ich nur gewartet, ich wäre zu voller Stärke herangewachsen! Nie wieder hätten die Reichen ihren Fuß auf den Nacken der Armen gesetzt, Bauer und Hirt wären nimmermehr geknechtet worden, und man hätte eine große Straße bis nach Beijing gebaut, und das Han-Volk hätte uns Getreide gebracht und wir ihm Rinder und Schafe dafür gegeben. Der eisige Frosthauch wäre verjagt, Wärme herrschte, glücklich lebte das Volk, ich selbst weilte als Mensch unter Menschen, wenn ich meine Aufgabe hätte erfüllen können. Zu früh, ach! Zu früh habe ich mich aus meiner Froschhaut herausgewagt. Ehe der Morgen graut, muss ich sterben. Mutter Erde, an deine Brust kehre ich zurück!"

Heiße Tränen weinte die arme Frau. Sie umklammerte den hinwelkenden Körper und schluchzte: "Nein, du darfst nicht sterben! Ganz sicher kannst du gerettet werden!"

So bitterlich weinte das Mädchen, dass er schließlich ihre Hand in seine schwache Hand legte. "Meine liebe Frau", sagte er, "gebiete deinem Schmerz Einhalt. Noch gibt es eine Möglichkeit der Rettung für mich." Und indem er nach Westen wies, fuhr er fort: "Besteige mein schwarzes Ross. Auf schnellen Hufen wird es dich westwärts tragen. Und wenn du zu einem Schloss in einer goldschimmernden Wolke gelangst, dann steige vom Pferd und eile hinein und flehe den allmächtigen Geisterkönig an, dass er dir zum Heil unseres Volkes diese drei Wüsche gewähre: "Fortan sollen die Menschen nicht mehr in reich und arm geschieden sein; nie wieder sollen Herren das Volk knechten, und eine große Straße soll unser Bergland mit dem fernen Beijing verbinden, damit wir unsere Rinder und Schafe gegen Reis und Korn des Han-Volks tauschen können. Und erfüllt dir der mächtige Geist die drei Wünsche, ehe noch der Morgen graut, dann brauche ich mein Froschkleid nicht mehr. Dann wird der kalte Frosthauch segensreicher Wärme weichen und ich bin gerettet."

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