Wachstum in der Wüste
Nicht umsonst werden die in Xinjiang gelegenen derartigen antiken und bis heute erhaltenen Systeme deshalb gerne mit den beiden klassischen chinesischen Bauprojekten verglichen – mit der Großen Mauer und dem Großen oder Kaiserkanal. So wird die Oasenstadt Turpan im Tarimbecken seit Jahrhunderten durch Karez-Systeme versorgt, damit in der Wüste in einer der tiefsten Senken der Welt (gut 150 Meter unter dem Meeresspiegel) Trauben und süße Früchte gedeihen. Rund 1.000 dieser Anlagen gibt es allein in Turpan und Umgebung, und mit einer Gesamtlänge von gut 2.500 Kilometern sind die unterirdischen Kanäle so lang wie der Kaiserkanal.
Das Wasser unterirdisch bis in die Oase zu bringen, erfordert allerdings einen immensen Aufwand, und so ist das Karez-Museum in Turpan auch eine Würdigung der schweren körperlichen Arbeit beim Bau und bei der Unterhaltung der Wasserversorgung.
Denn um den Wassertunnel von den Berghängen zur Oase zu graben, werden am geplanten Verlauf des Tunnels im Abstand von einigen Metern mannsgroße Versorgungslöcher mehrere Meter tief in den Boden gegraben. Am Boden des engen Schachtes graben sich die Wasserleitungsbauer dann horizontal voran, bis sie auf den vom benachbarten Versorgungsloch gegrabenen Tunnelabschnitt stoßen. Dann wird dieser Versorgungsschacht mit einem Deckel gesichert und kann, wenn Wasser durch den Tunnel fließt, zur Belüftung und als Schöpfbrunnen dienen.
Die größeren Tunnel sind selbstverständlich nicht nur im Museum begehbar: Erstens müssen die unterirdischen Kanäle, durch die das Gebirgswasser in die Wüste fließt, von Schlamm und Kalk gereinigt werden. Und zweitens waren die Tunnel schon vor langer Zeit bei den Einwohnern als angenehme schattige und kühle Fluchtorte vor der sengenden Sonne beliebt. Denn die heute auch in Turpan überall sichtbaren Klimaanlagen gab es ja vor 2.000 Jahren noch nicht.
Mehr über Historisches und die Wüsten von Xinjiang gibt es dann in der nächsten Folge.