Der Monat März ist in China traditionell von einem herausragenden politischen Höhepunkt geprägt, nämlich den „Zwei Tagungen“ der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes (PKKCV) und des Nationalen Volkskongresses (NVK). Und auch 2021 entspricht dieser Ablauf im März – nach einer pandemiebedingten Verschiebung 2020 auf den Mai – der bewährten Tradition. Die 4. Tagung des 13. Landeskomitees PKKCV wurde am 4. März in Beijing eröffnet, der 13. NVK eröffnete seine 4. Tagung am 5. März ebenda. Die zwei Tagungen finden große Aufmerksamkeit bei der Öffentlichkeit in China, aber auch weltweit, weil hier die zentralen Fragen und Pläne der chinesischen Politik transparent dargestellt werden. Und die diesjährige Tagesordnung der Tagung des NVK ist dementsprechend erneut angefüllt mit zahlreichen Punkten von herausragender Bedeutung. Diese reichen etwa von der Entgegennahme und Beratung des Regierungsberichtes für das abgelaufene Jahr und der Vorausschau für das Jahr 2021, der Berichte der obersten Einrichtungen der Justiz bis hin zu einer Stabilisierung des Wahlsystems in Hongkong. Eine ganz besondere Bedeutung erhält die diesjährige Tagung aber dadurch, dass das Jahr 2021 den Beginn des Laufes eines neuen Fünfjahresplans darstellt, nämlich des insgesamt 14. Und Chinas Fünfjahrespläne sind sozusagen das Rückgrat der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des Landes. Ebenso ist ein zentraler Punkt die Erörterung der langfristigen Planungen bis 2035.
Der Entwurf des 14. Fünfjahresplans war im vergangenen Oktober auf der 5. Plenarsitzung des 19. Zentralkomitees der KPCh verabschiedet worden. Er enthält acht herausragende Zielsetzungen, für die im deutschen Sprachgebrauch der Begriff „Leuchttürme“ oder „Leuchtturmprojekte“ üblich geworden ist, also Projekte, die besonders hervorragen und eine Orientierung für den einzuschlagenden Kurs geben. Zusammenfassen lassen sich diese wie folgt: Eine “grünere (dh umweltfreundlichere) und innovativere Wirtschaft und stärkere Sicherung der chinesischen Wirtschaft gegen Einflussnahmen von außen sowie eine weitere Erhöhung von Lebensqualität der Bevölkerung. Mit anderen Worten: Während des Zeitraums des 14. Fünfjahresplans wird die Förderung der grünen Entwicklung und des harmonischen Zusammenlebens von Mensch und Natur zu einem der wichtigsten Leitprinzipien für Chinas wirtschaftliche und soziale Entwicklung gehören.
Und dass eine grüne, insbesondere klimafreundliche Programmatik in der Tat zu den „Leuchttürmen“ der chinesischen Politik gehört, erschließt sich jedem, der diese Politik auch nur ein wenig aufmerksam verfolgt. Von der Weltöffentlichkeit nicht zu übersehen war dies insbesondere im September vergangenen Jahres, als Staatspräsident Xi Jinping vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen verkündete, sein Land wolle seine Klimaziele verschärfen: „Unser Ziel ist es, den Höhepunkt der CO2-Emissionen vor 2030 zu erreichen und CO2-Neutralität vor 2060“. Die Nachrichtenagentur Bloomberg sprach anschließend vom „ehrgeizigsten Klimaschutzziel, das die Welt je gesehen hat“. Und auch in Davos 2021 hat Xi unterstrichen: China werde mit großem Einsatz im Umweltbereich tätig werden, durch eine Transformation und Verbesserung seiner Industriestruktur und auch des Energiemixes noch zügiger als bisher vorgesehen. Nachhaltig werde China die Entwicklung einer grünen, kohlenstoffarmen Produktion und Lebensform fördern.
Folgerichtig stehen Begriffe wie „Höhepunkt der CO2-Emissionen“ und „Kohlenstoffneutralität“ auch bei den aktuellen Zwei Tagungen im Mittelpunkt der Beratungen der Delegierten, und zwar nicht nur hinsichtlich der zukünftigen Entwicklungen, sondern tatsachenbasiert auch im Hinblick auf die bisherigen Aktivitäten Chinas. So ließ sich als Bilanz des abgelaufenen 13. Fünfjahresplans feststellen, dass sich Chinas ökologisches Umfeld deutlich verbessert habe. Beispielsweise wurde der Anteil des Energieverbrauchs am Bruttosozialprodukt zwischen 2015 und 2019 um 13,2 Prozent reduziert, die gesetzten Ziele zur Verringerung der Umweltverschmutzung wurden erreicht. Hierbei dürfte eine wesentliche Rolle die Botschaft von Xi Jinping an die Regierungen aller Ebenen gespielt haben, dass „saubere Flüsse und grüne Berge“ ein unverzichtbarer Schatz Chinas seien. Und in seinem abgegebenen Regierungsbericht teilte Ministerpräsident Li Keqiang für die unmittelbare Zukunft mit, dass China vorbeugende und reagierende Maßnahmen zur Verstärkung von Umweltschutz und ökologischem Aufbau ergreifen werde. So solle die Umweltqualität ständig verbessert werden. Im Einzelnen werde China im Jahr 2021 seine Anstrengungen im Bereich des Umweltmanagements weiter verstärken, indem es das umfassende Management der Luftverschmutzung verstärke, die Einfuhr von ausländischem Müll weiterhin strikt verbiete und ein zehnjähriges Verbot von Fischerei im Jangtse-Fluss umsetze. Und was den Zeitraum des neuen Fünfjahresplans angehe, werde China in den kommenden fünf Jahren das nationale Ziel für 2030 zur Bewältigung des Klimawandels umsetzen. Der Energieverbrauch und die Kohlendioxid-Emissionen pro BIP-Einheit würden um 13,5 Prozent bzw. 18 Prozent reduziert. Die Waldbedeckungsrate werde 24,1 Prozent erreichen. Ferner war dem Regierungsbericht zu entnehmen, dass China in diesem Jahr einen Aktionsplan ausarbeiten werde, um vor dem Jahr 2030 den Höchststand seiner Kohlenstoffemissionen zu erreichen. Um den Klimawandel zu bekämpfen, müsse die Reduzierung von Treibhausgasemissionen, hauptsächlich von Kohlenstoffdioxid, gefördert werden. Derzeit wird Chinas Energiestruktur von fossilen Energien dominiert, insbesondere der Anteil des Kohleverbrauchs ist noch hoch. Um die Reduzierung der Kohlenstoffdioxidemissionen voranzutreiben, steht eine Anpassung und Optimierung der Energiestruktur auf der Tagesordnung. Im Rechenschaftsbericht der Regierung wurde vorgeschlagen, die saubere und effiziente Nutzung von Kohle zu fördern, energisch neue Energiequellen zu entwickeln sowie Atomenergie aktiv und geordnet unter der Voraussetzung der Gewährleistung der Sicherheit zu entwickeln. Und schon im Januar konnte Chinas Umweltminister Huang Runqiu mitteilen, dass die Arbeiten an einer solchen Planung zügig aufgenommen wurden. In Übereinstimmung mit dem Rechenschaftsbericht der Regierung ist zu erwarten, dass China auch eine Reihe von weiteren Politiken und Maßnahmen umsetzen wird wie etwa den schnelleren Aufbau eines nationalen Marktes für Energierechte und den Handel mit Kohlenstoffemissionen sowie die Verbesserung der dualen Kontrolle des Energieverbrauchs.
Wie sehr Chinas Staatspräsidenten Xi Jinping gerade dieses Thema – saubere, lebenswerte Umwelt – sehr am Herzen liegt, wurde hier schon angedeutet. Wer noch nähere Informationen möchte, dem sei Xis Werk „The Governance of China“ empfohlen, in dem es u.a. heißt: Der Schutz der Umwelt sei ein herausragendes Ziel in der zu verfolgenden Politik, zumal er für die Menschen in ihrem Wunsch nach einem besseren Leben von großer Bedeutung sei. Die nachhaltige Entwicklung sei in der nationalen Strategie ein Schwerpunkt. Gerne erwähne ich aber auch eine kleine Episode am Rande der Zwei Tagungen. Hier traf sich Xi kürzlich mit der Delegiertengruppe aus der Inneren Mongolei. Und das zentrale Thema der Gesprächsrunde war die „grüne Entwicklung“, gerade auch im Hinblick auf die regionalen Besonderheiten dieser Region. Xi versicherte: Beherzte Maßnahmen seien zu ergreifen, um das Ökosystem in Bergen, Flüssen, Wäldern, landwirtschaftlichen Flächen, Seen, Wiesenlandschaften und Wüsten zu schützen! Und nach meinen Eindrücken gibt es über die Politik hinaus in Chinas gesamter Gesellschaft einen großen Konsens über den hohen Stellenwert von Energieeinsparung und Umweltschutz. Mit anderen Worten: Das Bewusstsein für Umweltschutz und die entschlossenen Maßnahmen der staatlichen Leitung stützen sich in China auf eine breite Basis in der Bevölkerung. Auch wenn die Augen der Weltöffentlichkeit im Zusammenhang mit den Zwei Tagungen vielleicht vor allem auf wirtschaftliche Aspekte wie Wachstumsprognosen oder das „Dual Circulation“ gerichtet sind: Das Eintreten für eine saubere, gesund und lebenswerte Umwelt gehörte und gehört zu den herausragenden „Leuchttürmen“ der chinesischen Politik.
Dr. Michael Borchmann
Ministerialdirigent a.D. (Land Hessen), früherer Abteilungsleiter (Director General) Internationale Angelegenheiten
Mitglied des Justizprüfungsamtes Hessen a.D.
Senior Adviser der CIIPA des Handelsministeriums der VR China