Acht Lehren aus der Gesundheitskrise

2020-04-21 07:58:06

Die Menschheit wird die Covid-19-Pandemie früher oder später besiegen. Umso wichtiger ist es, dass Lehren aus der Gesundheitskrise gezogen werden, nicht nur für den Katastrophenschutz, sondern auch für den Schutz des Lebens allgemein und das menschliche Miteinander weltweit.

1. Erst denken, dann sprechen

Die wenigsten Politiker sind Virologen oder Epidemiologen. Aber Politiker in Schlüsselpositionen sollten in der Lage sein, sich grundlegendes Wissen in kurzer Zeit anzueignen und sie müssten die Ratschläge von Fachleuten zumindest beurteilen können. Wer das nicht will oder kann, ist einfach zu faul oder blöd für den Job. Gibt es einen einzigen Polizisten, der in einem gefährlichen Einsatz keine kugelsichere Weste tragen würde, weil diese seinen Kopf nicht schützt? Wohl nicht! Aber viele Politiker hielten Schutzmasken noch für überflüssig, als diese schon in anderen Ländern von Milliarden Menschen getragen wurden. Dabei sagt einem doch eigentlich schon der gesunde Menschenverstand, dass es während einer Atemwegserkrankungsepidemie besser ist, etwas vor Nase und Mund zu haben, als nichts. Aber der gesunde Menschenverstand ist leider sehr ungleich verteilt. Sogar einige Wissenschaftler redeten von der Durchseuchung des ganzen Volkes zur Herstellung einer Herdenimmunität, ohne über das Risiko von Hunderttausenden Toten eine Sekunde nachgedacht zu haben. Und einige Politiker kennen bis heute nicht den Unterschied zwischen Viren und Bakterien. Bitte informieren und selbst denken, dann erst sprechen.

2. Lokale und globale Maßnahmen

Die Gesundheitskrise hat gezeigt, dass auch in einer globalisierten Welt, schnelles und kluges Handeln auf nationaler, regionaler und sogar lokaler Ebene notwendig ist. Das bevölkerungsreiche China war deshalb so erfolgreich bei der Krisenbewältigung, weil die Maßnahmen genau auf die lokalen Gegebenheiten zugeschnitten waren, Wuhan musste zum Beispiel abgeriegelt werden, Beijing aber nicht. Lokal wird wieder global, indem man die Erkenntnisse teilt, so wie es China getan hat. Was in einer chinesischen Provinz funktioniert hat, kann vielleicht auch in einem italienischen Dorf funktionieren.

3. Hilfe leisten und annehmen

China wurde in der Anfangszeit geholfen und China hat inzwischen sehr vielen Ländern geholfen, weil es das kann. Wer Hilfe braucht, sollte Hilfe annehmen, egal von wem. Wer helfen kann, sollte das tun, egal wem.

4. Wissenschaftlichkeit und Transparenz

Wissen hilft gegen Angst. Menschen werden nicht durch Transparenz, logische und verständliche wissenschaftliche Erklärungen beunruhigt, sondern durch fehlende Informationen und hilflos erscheinende Politiker. Ganz wichtig ist auch eine ehrliche und systematische Aufarbeitung und Einordnung der Krise und ein Vergleich zu Nichtkrisenzeiten: Wie viele Tote gibt es in normalen Zeiten pro Tag, Monat und Jahr? Woran genau sterben diese? Werden auch Lungenentzündungen erfasst, die nicht vom Coronavirus ausgelöst worden sind und wie viele gibt es? Was wurde wann richtig oder falsch oder zu spät gemacht? Was kann man besser machen?

5. Diskriminierungen vermeiden

Eine Katastrophe kann überall stattfinden, ein neues Virus überall ausbrechen. Und durch die Dynamik einer Epidemie kann Derjenige, der gestern noch Menschen einer Nationalität als Virusträger definiert und diskriminiert hat, schon morgen selbst als potentielle Virenschleuder besonders behandelt oder ausgegrenzt werden. Diskriminierung ist also nicht nur unmoralisch, sondern auch dumm.

6. Zusammenarbeit

In Katastrophenzeiten sollte internationale Zusammenarbeit eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Wer sich dagegen sperrt oder eine internationale Zusammenarbeit sogar verhindert, hat nicht die Epidemiebekämpfung im Sinn, sondern verfolgt andere Ziele.

7. Das Leben schützen

China hat einen großen wirtschaftlichen Schaden riskiert, um Menschenleben zu retten. Jedes einzelne Leben ist wertvoll. Und auch die Oma, die ohne Covid-19-Erkrankung, nur sechs Monate länger gelebt hätte, freut sich über jeden geschenkten Tag. Die Schwachen, Kranken, Alten und die Hilflosen allgemein verdienen unseren besonderen Schutz. Und es wäre toll, wenn die Politiker sich auch nach der Epidemie weiter anstrengen, um Kriege, Hunger und extreme gesellschaftliche Ungleichheiten zu bekämpfen, welche jedes Jahr hunderttausende Tote und extrem viel Leid verursachen. Internationale Zusammenarbeit, um Leben zu schützen, sollte eigentlich selbstverständlich sein.

8. China und Amerika, nicht China oder Amerika

China ist für einige US-amerikanische Politiker ein extrem lästiges Land, da es extrem beständig und erfolgreich ist und das trotz eines anderen Systems. Wie oft sehnten US-Politiker und -Autoren schon den Niedergang der Volksrepublik herbei. Aber China bleibt auf Erfolgskurs, Wirtschaftskrisen und Gesundheitskrisen zum Trotz. Man muss China nicht lieben, aber man könnte seine Erfolge anerkennen. Das Gleiche gilt umgekehrt: Über den kurz bevorstehenden Untergang des US-amerikanischen Imperiums wird ja nun auch schon seit Jahrzehnten geschrieben, aber die USA erfreuen sich auch noch immer großer Erfolge und Beliebtheit. Es ist auf dieser Welt Platz für zwei, ja sogar drei, vier oder fünf Großmächte. Konkurrenz belebt das Geschäft und Zusammenarbeit kann es ausbauen.

Text: Nils Bergemann

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