„Das Kind kann zwar gehen und sprechen, spricht aber undeutlich und ist wackelig auf den Beinen“. Eine solche ärztliche Prophezeiung ist für die Familie eines jeden Neugeborenen wie ein Blitzschlag aus heiterem Himmel. Es war auch der Fall bei Chen Yuans Eltern. Chen Yuans Mutter wollte beinahe aufgeben, weil so ein Leben zu hart und anstrengend ist.
Glücklicherweise war Chen Yuans Oma anderer Meinung. Sie brachte ihrer Enkelin geduldig das Gehen und Sprechen bei. Chen Yuan übte fleißig, obwohl sie nur wackelig auf den Beinen sein konnte. Dank ihrer Ausdauer gelang es ihr schließlich, selbständig auf die Beine zu kommen.
Mit zwölf Jahren ging Chen Yuan endlich in die Schule. In diesem Alter hatten ihre Altersgenossen die Grundschule schon absolviert. Das Lernen in der Grundschule bereitete Chen Yuan keine Probleme.
Es war aber schwierig für sie, in der Mittelschule die untere Stufe zu besuchen. Für Hausaufgaben, die ihre Mitschüler innerhalb von zwei Stunden erledigen konnten, brauchte Chen Yuan häufig bis tief in die Nacht. Chen sah sich deshalb gezwungen, die Schule abzubrechen.
Chen Yuan hatte dann als Helferin im Laden ihres Vaters gearbeitet. Da sie undeutlich sprach, hatte sie große Kommunikationsprobleme mit den Kunden und wurde sogar verspottet. Mit einer Software übte sie zuhause fleißig das Singen, um dadurch besser sprechen zu können.
Chen Yuan hatte durch Selbststudium das Schreiben gelernt, um ihren Kummer zu Papier zu bringen. Sie lernte später Schriftsteller Zhang Danuo kennen, der behinderten Menschen beim Schreiben gerne hilft. Angeleitet von Zhang begann Chen Yuan, den autobiographischen Roman „Oma auf der Wolke“ zu schreiben. Es hat drei Jahre gedauert, bis der Roman mit 130.000 Wörtern fertiggestellt worden war. In dem Roman wird geschildert, wie die Oma von Chen Yuan trotz großer Einwände innerhalb der Familie ein Kind mit Zerebralparese behielt und es aufgezogen hat.
Kurz vor der Fertigstellung des Romans wurde bei Chen Yuan eine Dystonie diagnostiziert. Das schlimmste Ergebnis sei eine Lähmung des ganzen Körpers, sagte ihr der Arzt.
Chen bekam schwache Beine und Hände, selbst das Tippen bereitete ihr Schwierigkeiten.
„So schwer es auch sein mag, muss ich das Buch zu Ende bringen, denn ich möchte ein Buch für Kinder mit Zerebralparese und deren Eltern schreiben“, sagte Chen Yuan.
Chen Yuan hat inzwischen ihr zweites Buch, „Der halbe Flügel“ veröffentlicht.
„Mit diesem Buch muss ich mich erneut dem Schmerz stellen, den ich erlebt habe“, sagte Chen. Für das Buch hatte sie zwei Jahre in Anspruch genommen, um sich psychologisch darauf vorzubereiten.
Chen Yuan geht zu Schulen, um dort Vorträge zu halten und ihre Geschichte mit den Schülern zu teilen.
Seit 2008 engagiert sich Chen Yuan für Wohltätigkeitsarbeit. Sie spendet Geld, Bücher und Materialien, hält Vorträge, um mehr Menschen in Not zu helfen.
„Ich hoffe, mit meinem eigenen Honoraren reisen zu können. Ich möchte gleichzeitig Schriftsteller und Reisender sein und die ganze Welt bereisen. So kann ich immer wieder neue Inspirationen bekommen und neue Werke schaffen.“