Standort für Neutrinoobservatorium im Südchinesischen Meer gefunden

2021-09-26 08:00:00


Bei einer jüngsten Erkundungsfahrt im Südchinesischen Meer ist es chinesischen Wissenschaftlern gelungen, einen geeigneten Standort für den Bau eines Tiefsee-Neutrinoobservatoriums zu finden.

Wie Forscher von der Jiaotong-Universität Shanghai am Freitag mitteilten, handele es sich dabei um die erste Einrichtung dieser Art in China. Die Pläne für das Projekt „Hailing“ (auf Deutsch etwa „Meeresglocke“) sehen vor, dass das Observatorium bis zum Jahr 2030 etwa 3.000 Meter unter der Meeresoberfläche gebaut wird, um astrophysikalische Neutrinos aufzuspüren.

Neutrinos sind Elementarteilchen, die elektrisch neutral sind und eine viel geringere Masse haben als andere bekannte Elementarteilchen. Als hochenergetische astronomische Botenstoffe liefern sie Informationen zur Erforschung gewaltiger astrophysikalischer Quellen, wie explodierende Sterne, Gammastrahlenausbrüche und kataklysmische Phänomene, an denen schwarze Löcher und Neutronensterne beteiligt sind.

Anfang September begab sich ein Team chinesischer Wissenschaftler und Ingenieure ins Südchinesische Meer, um die Durchführbarkeit des Baus einer Neutrino-Teleskop-Array der nächsten Generation zu prüfen. Den Forschern zufolge zeigen die von der Reise mitgebrachten vorläufigen Daten positive Ergebnisse.

„Das Wasser dort ist super klar und die Strömung ist vergleichsweise mild. Es ist ein idealer Standort für die Anlage“, sagt die leitende Wissenschaftlerin des Projekts, Xu Donglian, eine Forscherin am Tsung-Dao Lee Institut der Jiaotong-Universität Shanghai.

Da Neutrinos nur schwach wechselwirken, sind sie schwer zu beobachten. Ihre Existenz wurde erstmals 1930 postuliert, aber sie wurden erst 1956 nachgewiesen. Seitdem wurden mehrere Neutrinoobservatorien gebaut, um das schwer fassbare Teilchen einzufangen und so astronomische Objekte wie den Sonnenkern und Supernovae zu untersuchen, die für optische Teleskope unzugänglich sind.

Das Tiefseeteleskop des „Hailing“-Projekts wird aus Hunderten von Kabeln bestehen, die bis zum Meeresboden verlegt werden. An jedem Kabel werden etwa 20 bis 30 optische Sensormodule angebracht, die das schwache Licht in der Tiefsee aufspüren, das von geladenen Teilchen stammt, die bei Kollisionen der Neutrinos mit dem Wasser in der Nähe des Detektors entstehen.

Die Idee, Neutrinos mithilfe eines großen Volumens transparenten Wassers aufzuspüren, wurde 1960 von dem sowjetischen Physiker Moisey Markow vorgeschlagen. Die erste Generation solcher Neutrinoobservatorien war aber zu klein und daher nicht empfindlich genug, um Neutrinos effizient einzufangen.

Das „Hailing“-Projekt zielt darauf ab, ein Teleskop-Array von mehreren Kilometern Länge und Breite zu bauen, das sich in einer Tiefe von 2.500 bis 3.500 Metern unter dem Meeresspiegel erstreckt, wie ein auf dem Meeresboden angepflanztes Algenfeld.

Das derzeit größte Neutrinoteleskop der Welt, IceCube, ist einen Kubikkilometer groß und wurde im Jahr 2010 mehr als 1.500 Meter tief im Eis des Südpols gebaut. Es hat im Jahr 2013 die weltweit erste Beobachtung von kosmischen Neutrinos gemacht.

Xu Donglian sagt: „Das Neutrinoteleskop hat das Potenzial, bahnbrechende wissenschaftliche Entdeckungen zu ermöglichen, wie etwa die Identifizierung des Ursprungs der kosmischen Strahlung. Das Projekt kann auch interdisziplinäre Studien zwischen Teilchenphysik, Astrophysik und Meeresgeologie vorantreiben.“

Tian Xinliang, außerordentlicher Professor vom chinesischen Staatlichen Schlüsselprojekt-Labor für Meereskunde, erklärt, das Projekt stelle große Herausforderungen an die Technologie, da das Teleskop mehr als zehn Kubikkilometer Wasser einnehmen und 20 bis 30 Jahre lang stabil arbeiten solle. „Wie man diese größte wissenschaftliche Tiefsee-Infrastruktur in der Geschichte der Menschheit installiert und instand hält, erfordert viele Innovationen und die Zusammenarbeit verschiedener Fachgebiete.“

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