Es ist morgens um etwa sechs Uhr im Kreis Pishan in Xinjiang. In der Morgendämmerung hat Abudujieli bereits ihre wichtigste Aufgabe für den Tag erledigt: Sie hat ihre acht Esel gemolken. Die frische Milch kann sie zum Preis von 30 Yuan pro Kilogramm an ein lokales Unternehmen verkaufen.
Die 51jährige Abudujieli hat sich früher nie vorstellen können, dass die „blaue Milch“, wie die Eselsmilch im Volksmund heißt, das Einkommen ihrer Familie drastisch erhöhen könnte.
Das Dorf Jiayinakute, in dem Abudujieli und ihre Familie leben, gehört zu den unterentwickeltsten Regionen im Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang. Vor etwa vier Jahren brachte ihr ältester Sohn Wulamu von der Dorfverwaltung einen Esel nach Hause, ein sogenannter „Armenhilfe-Esel“. Der Sohn war erst verwirrt: Es ist bloß ein Esel, der Sachen tragen kann. Wie kann man damit die Armut beseitigen? Die Verwirrung teilen auch viele andere Dorfbewohner, so dass die Kreisregierung auf die Idee einer „Esel-Zucht-Gemeinschaft“ kam.
Die Regierung des Kreises Pishan setzt sich auf einer Seite dafür ein, fortschrittliche Zucht-Technologien zu fördern und die Ausbildung von technischem Personal zu stärken. Auf der anderen Seite wird das Zuchtmodell „führende Unternehmen plus Zuchtbasis plus Genossenschaft“ etabliert. So wird die Eselsrasse ständig verbessert. Krankheiten und Seuchen werden effektiver vorgebeugt, die Futterzubereitung optimiert und ein Versicherungssystem für die Esel-Zucht eingerichtet. Außerdem werden Viehexperten nach Pishan eingeladen, um den Landwirten die Zucht beizubringen.
„Jetzt weiß ich, dass man sogar bei der Eselzucht ‚eine Rezeptur‘ braucht. Wie man das Futter zubereitet und richtig melkt – das alles haben wir früher nie gelernt“, sagte Wulamu.
Mit finanzieller Unterstützung des lokalen Armenhilfeprojekts wurde im Dorf Jiayinakute ein Stall mit einer Fläche von 450 Quadratmeter gebaut, in dem inzwischen 35 Esel gezüchtet werden. Allein die Eselmilch bringt jährlich einen Profit von knapp 500.000 Yuan (63.800 Euro). Ein Teil davon wird in die weitere Entwicklung der Branche investiert. Der Rest wird unter den Landwirten verteilt. Eselzucht könne wirklich Geld bringen, sagte Wulamu begeistert, der Ende 2019 die Armut abgeschüttelt hatte.
Die Eselzucht hat sich im Kreis Pishan zu einer tragenden Industrie entwickelt. Eine industrielle Kette, die sich aus Zucht, Schlachtung, Milch, Verarbeitung und Handel zusammensetzt, ist zustande gekommen. Insgesamt 42 Genossenschaften wurden gebildet und etwa 18.000 Haushalte konnten durch diese Industrie ihr Einkommen erhöhen.