Zhang Guimei – Die Gründerin der ersten kostenlosen öffentlichen Mädchenschule Chinas

2020-07-17 14:39:02

Im Morgengrauen verlässt Zhang Guimei mit einem Megafon in der Hand leise ihr Wohnheim. Sie klammert sich am Geländer fest, während sie langsam die Treppen hinuntergeht. Minuten später nimmt ein Kollege sie auf dem Elektrorad mit zu einem nahegelegenen Gebäude.

„Beeilt euch! Zeit zum Aufstehen, Mädels!“, ruft Zhang im Dachgeschoss des vierstöckigen Lehrgebäudes in ihr Megafon und durchbricht damit die Stille, die die Schule einhüllt.

Jeden Morgen pünktlich um 5:30 Uhr erklingt das Megafon, das die jungen Mädchen aus ihren Betten zieht und sie dann zum Lernen in die Klassenzimmer treibt, in denen Zhang Guimei bereits das Licht eingeschaltet hat und auf sie wartet.

Die 63-Jährige wurde in der nordostchinesischen Provinz Heilongjiang geboren. Im Alter von 17 Jahren ging sie in die Provinz Yunnan in Südwestchina und wurde später an der Pädagogischen Hochschule der Stadt Lijiang aufgenommen. Nach ihrem Studium arbeitete sie zusammen mit ihrem Ehemann als Lehrer in Dali, einer anderen Stadt in Yunnan. Im Jahr 1994 starb ihr Mann an Magenkrebs. Zwei Jahre später ließ sich Zhang in eine abgelegene Schule im Kreis Huaping versetzen. Zhang Guimei zufolge wollte sie durch diesen Jobwechsel einfach ihren schmerzhaften Erinnerungen entfliehen.

In ihrer neuen Rolle bemerkte die Lehrerin, dass viele der schulpflichtigen Mädchen in Huaping die Schule nach den neun Jahren ihrer Schulpflicht abbrechen. Sie kehrten in ihre Heimatorte zurück und bestellten dort die Felder oder jobbten, um ihre Familien zu ernähren. Ihre Eltern wollten sie aufgrund ihrer traditionellen Denkweise und der armen Verhältnisse zu Hause behalten, anstatt ihnen eine weiterführende Ausbildung zu erlauben.

Von dieser Situation schockiert und auch inspiriert beschloss Zhang Guimei, ein Mädchengymnasium zu gründen, das keine Schulgebühren erhebt. Jedes Mädchen kann sich, solange es lesen und lernen möchte, unabhängig von seinen früheren akademischen Leistungen um einen Platz bewerben.

Es ist besonders wichtig, Mädchen eine gute Bildung zu ermöglichen, um den Teufelskreis von schlechter Bildung und Armut zu durchbrechen, der in China vor allem in ländlichen Gebieten greift. Zhang Guimei sagt: „Eine gute Bildung für Mädchen kann drei Generationen positiv beeinflussen.“

Obwohl sie oft auf Misstrauen und Zweifel traf, war Zhang fest entschlossen und setzte sich unermüdlich für die Gründung ihres Gymnasiums ein. Es dauerte fünf Jahre, bis sie ihren Traum nach zahlreichen Höhen und Tiefen schließlich verwirklichen konnte.

Im Jahr 2007 wurde Zhang Guimei zur Delegierten des 17. Parteitags der Kommunistischen Partei Chinas. Während ihrer Teilnahme an den Diskussionen in Beijing fiel einer Reporterin Zhangs kaputte Kleidung auf. Nach einem Gespräch bis tief in die Nacht schrieb die Reporterin einen Bericht über Zhang Guimei. Ihre Geschichte sorgte im ganzen Land für Schlagzeilen.

Die Lokalregierungen der Stadt Lijiang und des Kreises Huaping stellten daraufhin zwei Millionen Yuan RMB zur Verfügung, um Zhang Guimei beim Bau ihrer Mädchenschule zu helfen und dessen Betrieb zu unterstützen.

Die Huaping-Oberschule für Mädchen wurde im September 2008 eröffnet. Es handelte sich dabei um das erste gebührenfreie öffentliche Gynasium seiner Art in China. Zhang Guimei zieht es vor, ihre Schülerinnen als „Mädchen aus Bergregionen“ zu bezeichnen, statt sie „Kinder aus armen Familien“ zu nennen. Dadurch will sie ihre Privatsphäre und ihr Selbstwertgefühl schützen.

Gerade einmal sechs Monate nach der Eröffnung der Schule kündigten jedoch neun der 17 Lehrer, weil sie die Bedingungen nicht gut genug fanden. Dies legte fast den gesamten Schulbetrieb lahm. Von ihren Familien stark unter Druck gesetzt brachen sechs der 100 Schülerinnen die Schule ab. Die restlichen Lehrer arbeiteten jedoch weiterhin pflichtbewusst und unterstützten ihre Schüler mit einfühlsamer Hingabe. Die Unterrichtsqualität wurde dadurch immer besser.

Dank ihrer kontinuierlichen Bemühungen wurde das Gynasium zu einem Erziehungswunder in Yunnan. In den vergangenen zwölf Jahren konnten sich über 1.600 Schülerinnen der Huaping-Oberschule für Mädchen an Universitäten einschreiben, darunter auch an der bekannten Wuhan-Universität und der Xiamen-Universität.

Zhang Guimei hat jedoch einen hohen Preis für den Erfolg ihrer Schule gezahlt. Die 63-Jährige kämpft gegen mehr als zehn Krankheiten wie Emphysem und Kleinhirnatrophie. Vor sechs Jahren musste sie aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustands das Unterrichten aufgeben. Jetzt hat sie in erster Linie eine unterstützende Funktion im Schulbetrieb.

Jedes Jahr ermutigt Zhang Guimei die Schülerinnen, fleißig zu lernen, damit sie durch die nationale Hochschulaufnahmeprüfung einen Studienplatz an einer guten Universität erhalten können. Doch für Zhang sollen die Mädchen in ihrer Schule etwas noch wichtigeres lernen. Sie sagt: „Was erwarte ich von meinen Absolventinnen? Es freut mich nicht nur, wenn sie von angesehenen Universitäten aufgenommen werden. Ich hoffe vielmehr, dass sie eines Tage stärker werden und Menschen in Not eine helfende Hand reichen können.“

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