Jobben gehen –vom Lehrling zu Meister
Chen Mingzhong kann weder Noten lesen, noch ein Instrument spielen, dennoch hat der 51-Jährige unzählige hochqualitative Geigen hergestellt. Er lebt in der Gemeinde Zhugou im Landkreis Queshan in der zentralchinesischen Provinz Henan, fast 1.000 Kilometer südlich von Beijing.
Früher bewirtschaftete er in seiner Heimat die Felder und arbeitete teilweise auch als Tischler. Dadurch verdiente er im Jahr nicht einmal 10.000 Yuan RMB, was seine Familie in eine finanziell enge Situation brachte. Dann zeigte ihm ein Verwandter eine andere Möglichkeit: Arbeit in einer Geigenfabrik in Beijing.
Dort begann Chen Mingzhong als Lehrling mit einem monatlichen Gehalt von 1.200 Yuan RMB. Dank seiner über zehnjährigen Tischler-Erfahrung verstand er sich in kurzer Zeit auf die ersten Schritte des Geigenbaus: die Auswahl und Bearbeitung der Rohmaterialien.
Vom Holz zum Instrument werden beim Bau einer Geige 40 Arbeitsschritte benötigt, von denen jeder eine Lernzeit von mindestens drei Monaten erfordert. Chen Mingzhong erklärt: „Es ist reines Handwerk und schwer zu erlernen. Man muss viel üben, so wie Kinder Schreiben lernen.“ Damals gab es 20 weitere Lehrlinge in der Fabrik. Chen folgte dem Meister aufmerksam und eignete sich mit der Zeit alle Arbeitsschritte an.
Chen gefiel die Arbeit in der Geigenfabrik. In der Werkstatt gab es im Sommer eine Klimaanlage und im Winter wurde die Heizung angemacht. Die Bedingungen waren viel besser, als bei der Arbeit auf einer Baustelle. Wenn der Weizen in seiner Heimat reif war, erlaubte ihm die Fabrik außerdem, bis zu einem halben Monat Urlaub zu nehmen, um den Weizen zu ernten.
In der Fabrik arbeiteten nicht nur Menschen aus Queshan, aber diese hielten am längsten durch. Um eine gute Geige herzustellen, können sie sich, da sie sich mit Musik nicht auskennen, aber nur auf ihre jahrelange Erfahrung verlassen. „Bei der Festlegung der Dicke, Größe und des Gleichförmigkeitsgrades des Bretts sowie der Genauigkeit bei der Montage des Ponticellos müssen wir unser Bestes geben“, so Chen.
Chens Gehalt stieg mit seinen Fähigkeiten. Ab 2010 ist außerdem das Geschäft der Fabrik immer besser geworden, sodass er monatlich 8.000 bis 9.000 Yuan RMB verdienen konnte. Die Bewirtschaftung der Felder in seiner Heimat gab er auf. Im Lauf der Jahre schlossen sich ihm auch seine Frau, sein Sohn und seine Schwiegertochter in der Fabrik an und wurden ebenfalls zu Geigenbauern.
Rückkehr und Aufbau der Heimat zum Geigenbau-Zentrum
In der Werkstatt der Instrumenten-Produktionsfirma Haoyun im Landkreis Queshan liegen mehr als ein Dutzend Schneidewerkzeuge nebeneinander, während ein Geigenbauer in der Nähe des Fensters sitzt und auf den Kopf einer Geige starrt. Er hält den Grabstichel fest in der Hand und den Atem an, um „perfekte Striche“ zu schnitzen. Chen Mingzhong leitet den Bau der Geigen in dem Unternehmen. Er sagt: „Das lokale Gehalt liegt bei knapp 4.000 Yuan RMB, aber in unserer Firma bekommt man durchschnittlich über 5.000 Yuan RMB im Monat.“
Um Geigenbauer anzuziehen, hat Queshan 2015 einen Industriepark gebaut. Unternehmen können dort viele günstige Bedingungen genießen, wie kostenlose Miete und Steuerbefreiung in den ersten drei Jahren. Chen Mingzhong kehrte ebenfalls 2015 zurück. Er arbeitet nun in der Nähe seines Zuhauses und erhält das gleiche Gehalt wie in Beijing. Er ist sehr zufrieden mit seinem Leben.
Der Industriepark hat bis heute über 2.600 Arbeitsstellen geschaffen. Viele arme Haushalte in Queshan haben hier eine Anstellung gefunden und haben sich nach und nach von Armut befreit. Im Industriepark gibt es derzeit über 100 Geigenbaufirmen, die jährlich rund 400.000 Geigen produzieren. 90 Prozent davon werden in die USA und nach Europa exportiert. Der Jahresgesamtumsatz des Industrieparks liegt bei rund 600 Millionen Yuan RMB.
Zweite Generation: Vom Handwerker zum Meister
Da Geigenbauer wie Chen nur über geringe musikalische Kenntnisse verfügen, müssen sie für die Prüfung der hergestellten Geigen professionelle Geigenspieler um Hilfe bitten. Chen findet das sehr schade. Er erklärt: „Wir sind nur Handwerker und könnenkeine Meister werden. Wenn wir Geige spielen könnten, könnten wir vielleicht auch den Weg des Geigenbaumeisters antreten.“ Dies soll sich mit der zweiten Generation von Geigenbauern aus Queshan ändern. Alle Kinder der Geigenbauer in seiner Fabrik, die unter 40 sind, lernen Geige zu spielen.
Das UnternehmenHaoyun arbeitet derzeit mit Kaufleuten in Beijing und Shanghai zusammen und will in Zukunft eine eigene Marke aufbauen. Guo Xinshe, Geschäftsführer von Haoyun, sagt: „Wir bilden die junge Generation zu Musikkennern heran, denn nur eine musikalische Grundlage kann es uns ermöglichen, wirklich eine eigene Marke auf internationaler Ebene zu kreieren.“ In Queshan werden dadurch heutzutage nicht nur Geigen von Weltniveau gebaut, der ganze Landkreis erklingt auch mit melodischem Geigenspiel.