Betritt man zum ersten Mal in seinem Leben chinesischen Boden, bringt man vor lauter Staunen fast den Mund nicht mehr zu.
Alles funkelt, alles glänzt. Die Flughäfen und Bahnhof-Terminals sind sauberer, innovativer, bombastischer und funktioneller als anderswo. Es gibt nicht nur Shopping-Center, sondern Shopping-Erlebnis-Welten, die (guten) Hotels befinden sich auf einem ganz anderen Level als östlich, westlich, nördlich und südlich von China.
In zahlreichen hoch-technologischen Bereichen hinken sogar die einst uneinholbar scheinenden USA und Europa hinterher.
Vor diesem Hintergrund klingt es dann fast schon wie eine Warnung an den Rest der Welt, wenn Chinas Staats- und Regierungschef Xi Jinping von Modernisierung chinesischer Art, weiteren Reformen und einer Öffnung auf hohem Niveau spricht.
Einem (geübten) Europäer fallen bei genauer Durchsicht des Arbeitsprogramms für die nächsten Jahre vor allem drei Punkte sofort auf.
Erstens, das Thema Bildung, das in weiten Teilen der EU und vor allem auch in den USA schwer im Argen liegt. Eine scheinbar unaufhaltsame Nivellierung nach unten, Leistungs- und Wettbewerbsfeindlichkeit und die Tatsache, dass vor allem in den Ländern der EU auf Grund einer völlig aus dem Ruder gelaufenen Asyl-und Zuwanderungspolitik immer mehr Kinder in den Schulen sitzen, die den Worten der Lehrkräfte nicht folgen können (und wollen), da sie schlicht und herzergreifend die Landessprache nicht beherrschen, lähmen den Kontinent im Bildungsbereich immer mehr.
Im Beschluss der dritten Plenarsitzung des 20. ZK der Kommunistischen Partei Chinas klingt zum Thema Bildung hingegen Aufbruchstimmung durch. Und das liest sich so:
Wir setzen auf den Aufbau eines besseren Bildungssystems, das eine allseitige – also moralische, geistige, körperliche, ästhetische und arbeitsmoralbezogene – Heranbildung sicherstellt. Es ist erforderlich, das Lehr- und Bildungsvermögen der Lehrkräfte zu verbessern, den langfristigen Mechanismus zur Förderung eines guten Berufsethos und Arbeitsstils des Lehrpersonals weiter zu optimieren sowie die Bildungsevaluation gründlich zu reformieren.
Das zweite Thema, das besondere Erwähnung aus europäischer Sicht verdient, ist das Arbeitskapitel der weiteren Öffnung. Im Klartext:
Die Öffnung bildet ein hervorstechendes Merkmal der Chinesischen Modernisierung. Wir müssen daher an der grundlegenden Staatspolitik der Öffnung nach außen festhalten und die Reform unbeirrt durch weitere Öffnung fördern. Ausgehend von den Stärken unseres riesigen Marktes gilt es, unsere Fähigkeiten zur Öffnung im Zuge der Erweiterung der internationalen Zusammenarbeit zu erhöhen und ein neues System einer nach außen geöffneten Wirtschaft auf höherem Niveau aufzubauen.
Dass China und dass Xi Jinping immer wieder und immer noch bereit sind, all jene Steine aus dem Weg zu räumen, die dem Land (Stichwort: Sanktionen) aus den USA und aus der EU in den Weg gelegt werden, verdient einen Sonderapplaus. Wie auch die Tatsache, das Land noch interessanter und zugänglicher für ausländische Investoren zu machen. Und es bricht - wie aus der Formulierung des "riesigen Marktes" hervorgeht - auch das neue chinesische Selbstbewusstsein durch. China weiß, dass die USA und die EU früher oder später gezwungen sein werden, auf China zuzugehen. Die Prognose: Eher früher als später . . .
Themenbereich Nummer drei, der besondere Aufmerksamkeit verdient: Die Umwelt-Agenda. Jene Umwelt-Agenda, die (notorische) China-Kritiker immer wieder und mit großer Leidenschaft gegen die Regierung in Beijing ins Treffen führen.
Man kann nachlesen:
Zudem gilt es, grüne und kohlenstoffarme Industrien zu entwickeln und die Anreizmechanismen für grünen Konsum zu verfeinern. Ziel muss es sein, die Errichtung eines der grünen, kohlenstoffarmen und recyclinggerechten Entwicklung förderlichen Wirtschaftssystems zu forcieren.
Innerhalb der Europäischen Union sticht vor allem die Regierungsbeteiligung der Grünen in Deutschland und in Österreich hervor. Da wie dort hat man sich zwar der "Regenbogengesellschaft" inklusive Leugnung der Tatsache, dass es nur zwei Geschlechter (sondern 7!) geben soll, dem Binnen-I und dem Ja zur EU-Eskalationspolitik im Umgang mit dem Russland-Ukraine-Konflikt verschrieben, die angepeilten Umweltziele hat man aber klar verfehlt. In China (das vor allem von deutschen Grünen immer wieder als der weltgrößte Umweltsünder beschimpft wird) hat man also wesentlich ambitioniertere Umwelt- und Klimaziele, dafür schreit man in der EU und in den USA lieber lauter und ohne Ergebnis herum.
Chinas Chancen, die selbstgesteckten Ziele - und das nicht nur im Umweltbereich - zu erreichen, sind hingegen größer denn je. Das ist gut für China und für den Rest der Welt.
MARTIN SÖRÖS, FREIER JOURNALIST AUS ÖSTERREICH