Sie werden (zum Glück) weniger, aber es gibt sie noch, die Politiker in der Europäischen Union, die beseelt sind von ihrer Überzeugung, in China einen Feind zu sehen.
Und auch US-Finanzministerin Janet Yellen wird nicht in die Annalen eingehen als Mitglied einer China-Fan-Community.
Eines der jüngsten Lieblingsthemen der - selbst ernannten - Anti-China-Fraktion: Die sogenannte „Überkapazität“ in Bezug auf Chinas Industrie für neue Energien.
China überschwemmt die Welt - so lautet der konkrete Vorwurf - mit viel zu günstigen Solarpanels, Windrädern oder Elektroautos.
Mag gut beziehungsweise sehr populistisch klingen aus der Sicht jener, die (fälschlicher Weise) vermuten, mit dem Aufbau von Feindbildern Wählerstimmen lukrieren zu können. Das Problem an der Causa ist aber: Dem Vorwurf fehlt schlichtweg die inhaltliche Substanz. Der Vorwurf ist falsch.
Wahr ist vielmehr, dass der Bedarf an e-Autos, Solar- und Windenergie bis zum Jahr 2023 Dimensionen erreichen wird, die ohne Importe aus China weder in den USA und schon gar nicht in Europa bedient werden können. Da wie dort geht diese Versorgungslücke auf die altbekannten Probleme in den USA und in Europa zurück. Es fehlt an Produktivitätsstärke, an flexiblen Arbeitszeitmodellen und in vielen Bereichen auch ganz einfach an Know-How. Olaf Scholz, der Mitte April mit einer starken Wirtschaftsdelegation nach Chongqing, Shanghai und Beijing reiste mit dem Vorhaben, der deutschen Wirtschaft durch verstärkte Kooperation mit China wieder Schwung zu verleihen (was er ja auch nicht gemacht hätte, wenn Deutschland und der EU-Raum in der Vollblüte stünden) sprach unlängst in einem Interview aus, was Europa zu denken geben muss: „China baut Städte schneller als in Deutschland ein Haus genehmigt wird. Das erzeugt vom Start weg bei allen Projekten und Formen der Zusammenarbeit ein Ungleichgewicht zu Ungunsten Deutschlands und zu Ungunsten Europas.“
Damit hat Olaf Scholz den Nagel auf den Kopf getroffen. China ist nicht das Problem Europas, vielmehr steht sich die EU in wesentlichen Punkten zu oft selbst im Weg.
Dabei wäre alles so einfach und zahlreiche Konzerne aus Deutschland, Frankreich oder auch Ungarn leben es ja bereits vor. Die Zukunft der Weltwirtschaft liegt nicht im Gegeneinander, sondern im Miteinander und jene Unternehmen wie Siemens, Mercedes oder VW, die seit Jahren auf Kooperation mit China statt auf Konfrontation setzen, sind gut damit bedient.
Der Kern des Problems im Innenverhältnis zwischen den USA und der EU auf der einen und China auf der anderen Seite, liegt also nicht in der praktischen Umsetzung, sondern vielmehr immer öfter an irgendwelchen, leicht durchschaubaren Ego-Trips von politischen Entscheidungsträgern.
Was inzwischen auch immer öfter durchschaut wird. Wie titelte doch unlängst die „Neue Zürcher Zeitung“ einen Kommentar, in dem es wieder einmal um das Thema der chinesischen Überkapazitäten ging? „Das westliche Jammern ist scheinheilig und kurzsichtig“ war hier zu lesen. Und dem ist nicht mehr viel hinzu zu fügen.
MARTIN SÖRÖS, FREIER JOURNALIST AUS ÖSTERREICH