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Wenn zwei verwundete Feldherren beraten...

10.02.2024 17:04:27

Treffen die Präsidenten aus den USA und aus Deutschland zu Gesprächen zusammen, sieht die ganze Welt zu. Das war immer so und wird wohl auch in absehbarer Zeit so bleiben. Klar, wenn eine dermaßen geballte Ladung an wirtschaftlicher und militärischer Macht an einem Tisch sitzt, sind Aufmerksamkeit und Neugier angesagt.

Gerade in bewegten Zeiten wie diesen wurde daher mit Argusaugen auf den Gedankenaustausch zwischen Joe Biden und Olaf Scholz am 9. Februar 2024 in Washington geschaut. Zurecht, ist die Agenda doch eine umfassende. Der anhaltende militärische Konflikt zwischen Russland und der Ukraine, der Krieg Israels mit den Hamas, die angespannte Sicherheitssituation durch immer wiederkehrende Terrorangriffe der Houthi-Rebellen im Roten Meer, die drauf und dran sind, globale Versorgungsketten zu destabilisieren. All das muss ebenso besprochen werden wie anstehende Personal-Entscheidungen in der NATO, wo im Herbst Jens Stoltenberg aus dem Amt scheiden wird und durch Ursula von der Leyen, Kaja Kallas oder Mark Rutte ersetzt werden könnte.

Die G7-Anliegen müssen genau so koordiniert werden, wie jene der G20. Es geht um große Aufträge für weitere Waffenproduktionen und Waffenlieferungen, um Pharma-Deals, um Klimaschutz, um die e-Autos, um Batterien und um die künstliche Intelligenz. Eine Agenda ohne Ende und eine Frage, die im Umfeld des Meetings zwischen Joe Biden und Olaf Scholz sehr häufig (und das zu Recht) gestellt wurde.

Sind Joe Biden und Olaf Scholz angesichts des heftigen und fast orkanartigen Gegenwindes, der den beiden in ihrer Heimat entgegenbläst, überhaupt noch fit und stark genug und vor allem fokussiert, um sich all diesen Problemen stellen zu können?

Joe Biden‘s physische und mentale Fitness wird immer häufiger hinterfragt, das Antreten zur Wahl im neun Monaten wird unwahrscheinlicher. Donald Trump (besser gesagt die omnipräsente Angst, die ihm dieser bereitet) ist der Mann, mit dem Joe Biden Tag für Tag aufsteht und zu Bett geht. Die Frage, wie Joe Biden mit den intensiver werdenden Gerüchten einer Präsidentschaftskandidatur von Michelle Obama (statt Joe Biden), umgehen soll, belastet. Da rücken vergleichsweise banale Probleme, ob man die Ukraine weiterhin mit Milliarden und Waffen unterstützen soll ebenso schnell in den Hintergrund, wie die Frage, ob man Israels Armee jetzt unterstützen oder einbremsen soll.

In ganz ähnlichen Sphären spielt sich seit Monaten der politische Alltag von Olaf Scholz ab. Seine Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP ist im Umfrage-Dauertief, die deutschen Bauern protestieren, das Budget wackelt, die Beziehung zu Frankreich war auch schon besser und die EU-Wahl im Juni droht zur Abrechnung der deutschen Bürger mit Olaf Scholz und den Seinen zu werden.

Warum Olaf Scholz und sein nicht kleiner Beraterstab ausgerechnet in einer Phase, in der es in der Heimat an so vielen Ecken und Enden brennt, den Beschluss gefasst haben, den medial groß aufbereiteten 24-Stunden-Trip nach Washington zu machen, bleibt deren Geheimnis.

Klar, die internationale Verantwortung wird die USA und Deutschland immer einen. Ebendieser Verantwortung hätte man auch mit einem ausgiebigen Telefonat (das Olaf Scholz und Joe Biden ohnedies Woche für Woche führen) nachkommen können.

So, wie es diesmal gemanagt und aufbereitet wurde, kommt der bilateral organisierte Austausch zu internationalen Themen zwischen Joe Biden und Olaf Scholz eher einem Treffen von schwer verwundeten Kriegsveteranen gleich.

Angesichts der nicht zu leugnenden Probleme braucht die Welt Stabilität und entschiedenes Handeln. Das überfordert die beiden Herren derzeit aber bei Weitem.

MARTIN SÖRÖS, FREIER JOURNALIST AUS ÖSTERREICH

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