Am 1. Dezember 2021 herrschte Aufbruchstimmung in der Europäischen Union. Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen stellte im Rahmen einer groß angekündigten Pressekonferenz die neue Konnektivitätsstrategie der EU vor. Sie trägt den Namen „Global Gateway“, sollte mit 300 Milliarden Euro an europäischem Steuergeld bis 2027 für nachhaltige und globale Infrastrukturprojekte sorgen und vor allem als Alternativangebot zur Belt&Road-Initiative von Chinas Staatschef Xi Jinping an die Staatengemeinschaft verstanden werden.
Nun, mehr als zwei Jahre später, nach zwei Jahren, in denen nichts wirklich Erwähnenswertes passiert ist, soll der nächste Schritt erfolgen.
„Investors Forum for EU-Central Asia Transport Connectivity“ soll ebendieser Schritt heißen und am 29. und 30. Jänner in Brüssel will man ihn gehen.
Auch ohne hellseherische Fähigkeiten, bloß im Wissen um die Behäbigkeit der Entscheidungsfindungen innerhalb der EU-Gremien, kann man davon ausgehen, dass der Versuch, Chinas Projekt der Neuen Seidenstraße zu torpedieren, nicht von Erfolg gekrönt sein wird.
Das hat viele Gründe:
Erstens spricht die EU beim Global-Gateway-Projekt nicht mit einer Stimme. Nicht nur, weil in der EU immer noch 24 (!) Amtssprachen anerkannt sind, sondern vor allem deshalb, weil es in der EU zahlreiche Länder mit ausgezeichneten Beziehungen zu China gibt, die kein Interesse haben, ihren wichtigsten Partner in Asien zu vergrämen.
Zweitens gleicht dieser EU-Global-Gateway-Versuch der EU einem Wettrennen über eine Olympische 400-Meter-Stadionrunde, bei dem der Herausforderer (in diesem Fall die Europäische Union) erst 30 Sekunden später losläuft. Chinas Vorsprung im Duell um die Verkehrswege und kritischen Verkehrs-Projekte ist bereits enorm.
Drittens sind beim EU-Projekt zu viele Spieler am Feld. 27 (nicht geeint auftretende) Staaten, die laufend durch nationale Wahlen in ihrem Tun behindert werden und ihre Protagonisten ändern, dazu die Europäischen Investment-Banken, die Hunderte Milliarden für Projekte in Afrika oder Lateinamerika auf den Tisch legen sollen, ohne zu wissen, ob sich das Investment je lohnt und eine Reihe von ungelösten juristischen Fragen.
Die Grund-Idee der EU-Granden, in ihrer Grundversorgung langfristig nicht von China und deren Freunden abhängig sein zu wollen, ist nicht nachvollziehbar. Zum einen hat China (wie zuletzt durch Ministerpräsident Li Qiang beim Weltwirtschafts-Forum in Davos) seit Jahrzehnten beide Arme ausgestreckt im Bemühen, den globalen Handel zu optimieren und zum anderen sind die Unsicherheitsfaktoren (Klima- und Wetterkatastrophen, Houthi-Attacken, Inflation . . .) ganz wo anders zu suchen als in China.
Will die Europäische Union sich und seinen Bürgern Gutes tun und Sicherheit gewährleisten, ist ein Schulterschluss mit China und den bereits an Bord befindlichen Partnern des B&R-Projekts unerlässlich. Von weiteren Querschüssen und Provokationen gegenüber China sollte die EU Abstand nehmen. Zum einen thront über allem Ende 2024 der Unsicherheitsfaktor namens Wahl in den USA und zum anderen reicht ein einziger Anruf von Xi Jinping bei Vladimir Putin und das alternative Projekt der Neuen Seidenstraße ist im Schnelldurchgang umgesetzt. Berechnungen haben nämlich ergeben, dass die Möglichkeit der so genannten „Polaren Seidenstraße" (über Dalian, Wladiwostok, Nordpol) für China und Russland relativ leicht umsetzbar wäre. Zwei Monate des Jahres (Jänner, Februar) müssten Eisbrecher voranfahren und dennoch wäre diese Versorgungs-Route immer noch bis zu 11 Tage schneller auf dem Weg nach Europa, als alle jetzt geplanten Routen.
Es macht aus der Sicht der EU also keinen Sinn, Aber-Milliarden an Steuergeldern in den Sand zu setzen, um China die Stirn bieten zu wollen. Kooperation ist angesagt und nicht Konfrontation.
MARTIN SÖRÖS, FREIER JOURNALIST AUS ÖSTERREICH