Die Ergebnisse von San Francisco waren eindeutig. Das Gipfelgespräch zwischen Xi Jinping und Joe Biden hat - wie erhofft - eine Annäherung zwischen China und den USA gebracht. Zum Wohle der beiden Länder und zum Wohle der Welt.
Auch zum Wohle aller Hauptdarsteller auf dem internationalen politischen Parkett?
Das wird sich erst zeigen.
Am 7. und 8. Dezember werden beim ebenfalls mit Spannung erwarteten Aufeinandertreffen der EU-Granden mit Chinas Führung unter Xi Jinping in Beijing Ursula von der Leyen und ihr EU-Kommissions-Vize Josep Borrell versuchen, das Gespräch insofern in ihre Richtung zu drehen, dass sie einen sehenswerten Spagat fabrizieren müssen.
Zum einen wird man Xi Jinping und den Seinen die genaue Umsetzung dessen erklären müssen, was die EU-Führung (noch dazu in immer mehr der 27 Mitgliedsländer ohne Zustimmung der Menschen) nun genau unter „De-Risking“ im Umgang der EU mit China meint.
Zum anderen will und darf Europa die wirtschaftlichen Chancen, die sich aus einer, auf gegenseitiges Vertrauen und Wohlwollen aufgebauten, Kooperation auf Augenhöhe mit China ergeben, nicht gefährden.
Also werden die EU-Verhandler prinzipiell umdenken müssen. In den letzten Jahren haben es europäische Politiker und Chef-Strategen mit Unfreundlichkeiten (a la Annalena Baerbock), mit Sanktionen (aus der Giftküche der Ursula von der Leyen) und oft auch mit wüsten Drohungen (vornehmlich gegen chinesische Großkonzerne wie Huawei) versucht. All das hat keine Zukunft, weil Chinas Wirtschaft inzwischen so stark ist, dass de facto keine Abhängigkeit von Europa besteht. Die Liste jener Partner, die gut und gerne mit China kooperieren, reicht von Afrika bis zu den BRICS+-Staaten, nach Lateinamerika und auch in einige europäische Länder wie Ungarn oder Serbien. Selbst Australien hat vor kurzem einen großen Schritt auf China zu gemacht.
Hinzu kommt, dass Xi Jinping aus dem Zusammentreffen mit Joe Biden gestärkt hervorgegangen ist, da sich aufbauend auf einem klar erkennbaren Aufeinanderzugehen Chinas und der USA auch hier bereits verloren geglaubte Möglichkeiten ergeben. Also: Europa braucht China wesentlich mehr als China Europa.
Das weiß nicht nur Chinas Führung, das wissen auch Ursula von der Leyen und Josep Borrell. Als strategischer Berater der Europäischen Union wäre man geneigt, der EU dringend zu empfehlen, Türen nach China zu öffnen und nicht zu schließen. Noch dazu vor dem Hintergrund, dass die Probleme vor allem im EU-Raum Tag für Tag überbordender werden. Große Lücken im Sicherheitsapparat, eine galoppierende Inflation, Korruption, die irrwitzige EU-Einmischung in den Grenzkonflikt zwischen Russland und der Ukraine samt Sanktionspolitik, die kaum Russland und Vladimir Putin, dafür aber die Menschen im EU-Raum massiv belastet. Die Beliebtheitswerte der EU-Politiker sind im Keller und die EU-kritischen (meist rechten) Parteien sind stark im Vormarsch.
Ursula von der Leyen und Josep Borrell müssen in Beijing liefern. Denn eine weitere Baustelle kann sich die EU angesichts der immer größer werdenden Unzufriedenheit unter den Menschen nicht mehr leisten.
MARTIN SÖRÖS, FREIER JOURNALIST AUS ÖSTERREICH