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„Eisenbahn, bring mich nach Hause“ – Die Geschichte eines tibetischen Hochgeschwindigkeitszugfahrers

25.07.2022 08:57:28

Als ein Zug pfeifend in den Bahnhof Shigatse im Autonomen Gebiet Tibet im Südwesten Chinas einfährt, nähern sich einige tibetische Fahrgäste vorsichtig und mit neugierigen Blicken dem Führerstand der Lokomotive: „Wo ist das Lenkrad des Zuges?“ „Wie viele Lokführer sind nötig, um so einen langen Zug zu fahren?“ Als der Lokführer Sonam Wangdrak das Gemurmel hört, kann er sich ein Lächeln nicht verkneifen. An diese Szene zurückdenkend erklärt Sonam Wangdrak: „Als ich auf Tibetisch antwortete, dass Züge, die auf Schienen verkehren, kein Lenkrad brauchen und nur ein Lokführer zum Fahren benötigt wird, waren sie überrascht, dass ich auch Tibeter bin.“ Der 35-Jahrige fügt hinzu: „Zu diesem Zeitpunkt war ich sehr stolz.“

Sonam Wangdrak ist der erste tibetische Fahrer des Hochgeschwindigkeitszuges in Tibet. Als die Lhasa-Nyingchi-Eisenbahn am 25. Juni 2021 ihren Betrieb aufnahm, fuhr er den ersten Fuxing-Hochgeschwindigkeitszug in Tibet von Lhasa nach Nyingchi.

Sonam Wangdraks erste Begegnung mit einem Zug war im Alter von 16 Jahren. Er reiste mit der Eisenbahn nach Lanzhou, der Hauptstadt der nordwestchinesischen Provinz Gansu, um an der Eisenbahnmaschinenschule von Lanzhou, dem heutigen Institut für Eisenbahntechnologie der Jiaotong-Universität Lanzhou, zu studieren. Da er sich kein Flugticket leisten konnte, verbrachte er drei Tage und zwei Nächte damit, mit verschiedenen Bussen von seinem Haus im ländlichen Qamdo nach Golmud zu fahren, dem damals nächstgelegenen Bahnhof in der Provinz Qinghai, um dort einen Zug zu besteigen. „Die Zugfahrt war erstaunlich. Sie war schneller und viel angenehmer als die Busfahrt“, erinnert sich der 35-Jährige. 2007 beendete er sein Studium und begann eine Ausbildung zum Zugführer für dieselgetriebene Züge der Qinghai-Tibet-Eisenbahn, der ersten Eisenbahnlinie Tibets, die 2006 eröffnet wurde.

Tibet liegt auf der Qinghai-Tibet-Hochebene, die auch als Dach der Welt bezeichnet wird, und hat eine durchschnittliche Höhe von mehr als 4.000 Metern mit komplizierten Landformen. Die Züge, die Sonam Wangdrak und seine Kollegen fuhren, durchquerten Gebiete, die teilweise mehr als 5.000 Meter über dem Meeresspiegel liegen. „Während der Fahrt durch das höchste Gebiet mussten einige von uns Sauerstoff inhalieren. Ich kann mir nicht vorstellen, wie schwierig der Eisenbahnbau damals gewesen sein muss“, so der Zugführer.

Sonam Wangdrak entdeckte während der Fahrten oft wilde Tiere wie Tibetische Antilopen, wilde Yaks und sogar Bären. Er und seine Kollegen vermieden es, zu hupen, um sie nicht zu stören. Nach der Inbetriebnahme der Qinghai-Tibet-Bahn wurde im August 2014 die Lhasa-Shigatse-Bahn in Betrieb genommen. Die Strecke Lhasa-Nyingchi, die erste elektrifizierte Bahnlinie in Tibet, auf der die Fuxing-Hochgeschwindigkeitszüge verkehren, wurde 2021 in Betrieb genommen. Sonam Wangdrak beobachtete, wie entlang der Eisenbahnlinien auf der Hochebene hohe Gebäude entstanden und in der Nähe der Bahnhöfe Industriecluster und Einkaufsstraßen wie Pilze aus dem Boden schossen. In naher Zukunft wird die Sichuan-Tibet-Eisenbahn Sonam Wangdraks Heimatstadt mit dem Rest des Landes verbinden. Er sagt: „Ich hoffe, dass meine Mutter bald in den Zug einsteigen kann, den ich fahre. Ich kann es kaum erwarten, mit dem Zug nach Hause zu fahren.“

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