China und die EU: Innerhalb der EU streuen destruktive Kräfte Sand ins Getriebe

2021-07-15 09:45:19

Dr. Michael Borchmann

Ende vergangener Woche berichteten zahlreiche chinesische Medien ebenso wie die Website des chinesischen Außenministeriums von einer Videokonferenz zwischen dem Staatsrat und Außenminister der VR China, Wang Yi, und dem Außenbeauftragten und Kommissions-Vizepräsidenten der EU, Josep Borrell. Wang Yi habe Borrell gebeten, sich für einen Abbau der Hindernisse einzusetzen, die zur Zeit die bilateralen Beziehungen erschweren. China und Europa sollten die gesunde und stabile Entwicklung der bilateralen Beziehrungen auf dem richtigen Weg vorantreiben. Borrell seinerseits betonte, dass die EU keinerlei Interesse an einer Konfrontation oder einem „kalten Krieg“ habe oder an einer Frontenbildung. Man wolle die „Falle einer Instabilität“ vermeiden. Die bilaterale Zusammenarbeit sei grundlegend und strategisch. Sie sei keine Option, sondern zwingend. Er signalisierte die Bereitschaft, im kommenden Herbst den Strategischen Dialog zwischen der EU und China fortzusetzen. Überhaupt sei die EU bereit, die Kontakte und Dialoge mit China über verstärkte Zusammenarbeit im Kampf gegen die COVID-19-Epidemie, den Klimawandel und den Schutz der biologischen Vielfalt wieder aufzunehmen. Das Inkrafttreten des EU-China-Investitionsabkommens liege im Interesse beider Parteien. Auch auf der Website des EU-Außenbeauftragten war der hohe Stellenwert einer Fortsetzung der konstruktiven Kooperation unterstrichen worden. Nahtlos fügte sich dieses Gespräch im Übrigen in den Austausch per Videokonferenz ein, den Präsident Xi Jinping mit dem französischen Staatspräsidenten Macron und der deutschen Bundeskanzlerin Merkel wenige Tage zuvor geführt hatte, wobei laut Website der Bundeskanzlerin allgemeine Fragen der bilateralen Beziehungen ebenso erörtert wurden wie konkret Handelsfragen, Klimaschutz und Biodiversität sowie natürlich auch aktuelle Fragen der Pandemiebekämpfung. Einigkeit bestand auch in der weiteren Unterstützung des bilateralen Investitionsschutzabkommen.

Dies sind eigentlich alles positive Signale, gäbe es da im EU-Institutionengefüge nicht eine Kraft, die mit Beharrlichkeit und Verbissenheit permanent versuchen würde, „Sand in das Getriebe“ fruchtbarer Beziehungen zwischen der EU und China zu streuen. Sand im Getriebe sorgt für erhöhten Verschleiß, kann ein Getriebe auch blockieren oder zerstören. Diese deutsche Redewendung hat ihren Ursprung möglicherweise im Rennsport, in dem es mitunter vorgekommen sein soll, dass neben anderen Sabotagemaßnahmen tatsächlich Sand in Getriebe und Motoren eingebracht wurde, um damit den Konkurrenten Nachteile zu verschaffen. Und dies geschieht permanent durch notorisch chinafeindliche Kräfte im Europäischen Parlament. In einem kürzlich publizierten Kommentar der Global Times hierzu heißt es: „Das Europäisch Parlament ist eine Ansammlung höchst radikaler und extremer Ideologien in der westlichen Gesellschaft, immer daran interessiert, durch politische Radikalismen weltweit Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.“ Und dies gilt namentlich auch für China. So stieß bereits das beherzte Eintreten der deutschen Bundeskanzlerin für die Finalisierung des EU-China-Investitionsschutzabkommens Ende letzten Jahres unter deutscher Ratspräsidentschaft auf Obstruktion verschiedener EU-Parlamentarier, namentlich des Vorsitzenden der China-Delegation des EP Bütikofer. Zu Recht verwies demgegenüber die Bundeskanzlerin darauf, das Abkommen sei ein "sehr wichtiges Unterfangen, weil wir hier mehr Reziprozität beim Marktzugang bekommen".

Im Mai dieses Jahres legte das EP dann die Beratungen über das Abkommen auf Eis - wegen der von China gegen mehrere EU-Parlamentarier und Institutionen verhängten Sanktionen. Erst wenn diese aufgehoben seien, könnten die Beratungen wieder aufgenommen werden, hieß es in der Entschließung. Mit den Sanktionen hatte China auf Einreiseverbote für vier Funktionäre reagiert, die die Europäische Union für die angebliche Unterdrückung der Uiguren in China verantwortlich macht. Von chinesischer Seite aus waren die Sanktionen als notwendige Antwort auf Lügen und Falschinformationen begründet worden. Und in der Tat: China handelte mit seiner Antwort nach einem Grundsatz, der bereits seit Beginn unserer Zivilisation – sei es in der babylonischen Gesetzgebung, sei es im Judentum - als grundlegend erkannt wurde, dem sogenannten Talionsprinzip. Es zielt schlicht auf eine Vergeltung im Sinne eines Ausgleichs ab. Damit soll ausgedrückt werden, dass man andere so behandeln soll, wie man selbst behandelt worden ist. Man soll Gleiches mit Gleichem vergelten.

Und dass es bei der chinesischen Reaktion u.a. den Vorsitzenden der China-Delegation des EP traf, ist nur logisch, hat dieser sich doch an die Spitze der Anti-China-Hetze gesetzt. Es entbehrt nicht einer gewissen Absurdität, dass diese Delegation den Kern der anti-chinesischen Agitation im EP bildet. Definiert werden Delegationen des Europäischen Parlaments als offizielle Gruppen von Mitgliedern des Europäischen Parlaments, die Beziehungen zu den Parlamenten von Nicht-EU-Staaten, Regionen und Organisationen unterhalten und eigentlich diese Beziehungen vertiefen sollen. Auf diese Weise sollen die Delegationen als wichtiges Bindeglied des Parlaments zu anderen Gesetzgebungsorganen im In- und Ausland fungieren. Und auf der Seite ihres Vorsitzenden heißt es: Er wolle eng mit Partnern in China zusammenarbeiten und die Beziehungen zwischen der EU und China vertiefen. Nichts von alledem entspricht der Realität, zahllos sind die Versuche der Delegation und ihres Vorsitzenden, die EU und China voneinander zu entfremden.

So verwundert es auch nicht, dass das EP die Zeit zwischen der eingangs genannten Dreierkonferenz sowie der Konferenz zwischen Wang Yi und Josep Borrell dazu zu „nutzten“, weitere Erschwernisse für das EU-China-Verhältnis loszutreten. In einer Resolution wurde eine ganze Litanei giftiger Pfeile gegen dieses Verhältnis aufgezählt.

Wie weit der geheime Arm Washingtons in das EP hineinreicht, zeigt sich u.a. in der Forderung, die EU möge enger mit den USA gegen China kooperieren (!), und weiter auch in dem Verlangen, nach US-Beispiel zahlreiche Offizielle aus Hongkong auf eine neue Sanktionsliste zu setzen. Die EU-Mitgliedstaaten werden aufgefordert, Aufrührer aus Hongkong umfassend zu unterstützen, und – besonders schlagzeilenträchtig in westlichen Medien – keine staatlichen Repräsentanten zu den kommenden Olympischen Spielen in Beijing zu entsenden. Insgesamt 28 detaillierter Forderungen mit Angriffen gegen China enthält diese Resolution. Sie ist zwar rechtlich nicht für andere EU-Organe bindend, aber ein erneuter massiver Versuch, China öffentlichkeitswirksam in Misskredit zu bringen. Und den Hintergrund bilden dabei die vor allem aus den USA befeuerten Unwahrheiten über Xinjiang sowie die mangelnde Objektivität der verzerrenden Bewertung der Situation in Hongkong. Mir fallen zu diesem unschönen Vorgang zwei Dinge ein. Zum einen: Vor mehr als 100 Jahren sang die deutsche Künstlerin Claire Waldoff ein passendes Lied – „Wer schmeißt denn da mit Lehm, der sollte sich was schäm'! Der sollte auch was ander's nehm', als ausgerechnet Lehm.“ Oder zum anderen der Satz des deutschen Aphoristikers Peter Rudl: „Wer mit Dreck wirft, ist der Einzige, der sich mit Sicherheit dreckig und meist dreckiger als alle anderen macht.“


Dr. Michael Borchmann

Ministerialdirigent a.D. (Land Hessen), früherer Abteilungsleiter (Director General) Internationale Angelegenheiten

Mitglied des Justizprüfungsamtes Hessen a.D.

Senior Adviser der CIIPA des Handelsministeriums der VR China


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