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Die Verfolgung (3)

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(3)

Mitten in der Nacht, als der Mond noch nicht aufgegangen war, blinkten die Sterne traurig am Himmel; ein kalter Wind heulte und die Bäume ließen ihre Blätter wie Tränen fallen, da suchten zwei Schatten im schwachen Sternenschein hastig das Weite. Plötzlich fiel einer der Schatten hin. Der andere hob ihn vom Boden auf. Humpelnd flohen sie weiter.

So liefen die Geschwister Hajigeruo und Hajijiaci unter Lebensgefahr davon. Aber wohin sollten sie mitten in der Nacht fliehen, in dem grenzenlos weiten Land? Sie hatten nicht die leiseste Idee. Der sechsjährige Hajijiaci konnte nicht mehr laufen, sondern setzte sich hin und weinte. So blieb der achtjährigen Hajigeruo nichts anderes übrig, als sich ebenfalls neben ihren Bruder zu setzen und zu weinen. Doch was hatte das Weinen für einen Sinn? Die Schwester half ihrem Bruder auf. Als sie im Mondlicht den Weg deutlich vor sich sahen, setzten sie ihre Flucht fort.

Die beiden Schlächter waren einen Tag und eine Nacht unterwegs, dann hatten sie die beiden Kinder eingefangen. Beide zogen ihre großen Messer, mit denen sie sonst Tiere schlachteten, und wollten die Kinder umbringen. Vor Angst begann der Bruder zu schreien, während die Schwester in Tränen ausbrach und flehte: "Onkel, habt Mitleid mit uns beiden. Yapukalaweng hat unseren Großvater und unsere Großmutter umgebracht und unsere Mutter mit Gewalt geraubt. Später hat er auch sie getötet. Doch Shipumi ist immer noch nicht zufrieden. Sie will auch uns zwei Waisenkinder umbringen lassen. Bitte, bitte habt Gnade mit uns."

Nachdem sie dies gehört hatten, brachten die zwei Schlächter es nicht übers Herz, die Kinder zu töten. Sie berieten sich und sagten dann zu den beiden Kindern: "Wir werden euch nicht umbringen. Schnell, lauft und rettet euer Leben."

Die beiden Kinder waren verdutzt und glücklich zugleich, bedankten sich bei den beiden und flohen in Richtung Meer. Hatten sie Hunger, so aßen sie die wilden Früchte der Bäume. Waren sie durstig, so tranken sie Quellwasser. Tagsüber waren sie auf der Flucht und riskierten ihr Leben. Die Nächte verbrachten sie auf Bäumen.

Nachdem die beiden Kinder verschwunden waren, töteten die beiden Schlächter einen großen und einen kleinen Hund. Sie nahmen die Herzen heraus, um sie nach ihrer Rückkehr Shipumi auszuhändigen. Als Shipumi das große und das kleine Herz sah, war sie überglücklich, denn sie hielt sie für die Herzen der beiden Kinder. Die Dienerin an ihrer Seite aber sprach: "Menschenherzen riechen nicht. Hundeherzen riechen. Diese beiden Herzen haben einen üblen Geruch. Sollten das keine Menschenherzen sein?" Nachdem Shipumi dies gehört hatte, ließ sie die beiden Schlächter zu sich rufen, um sie nach den wahren Umständen auszufragen. Doch die beiden Schlächter hatten sich bereits auf und davon gemacht. Shipumi kochte vor Wut. Sofort ließ sie sämtliche Familienangehörigen der beiden umbringen und schickte zwei Fischer aus, um die Verfolgung der beiden Kinder aufzunehmen. Sie wies die beiden an, die beiden Kinder ins Meer zu stürzen. Falls sie ihren Auftrag nicht ausführen sollten, könnten sie sich am Schicksal der beiden Schlächterfamilien ein Beispiel nehmen.

Nach drei Tagen und drei Nächten erreichten die zwei Fischer den Meeresstrand, wo sie die beiden Kinder einfingen. Sie sprachen zu ihnen: "Shipumi will, dass wir euch beide ins Meer stürzen. Erst wenn ihr tot seid, wird sie keinen Groll mehr gegen uns hegen!" Nachdem sie dies gesagt hatten, wollten sie die beiden Geschwister ins Meer werfen. Der Junge wehrte sich mit Tränen in den Augen. Das Mädchen fiel auf die Knie und flehte: "Onkel, habt Mitleid mit uns. Der Häuptling hat alle unsere Verwandten umgebracht. Ihr seid doch auch Sklaven und kennt unser hartes, mühsames Leben. Warum helft ihr denn Shipumi, unglückliche Menschen zu töten?"

Eigentlich hätten es die beiden Fischer gar nicht übers Herz gebracht, die beiden Kinder zu töten. Doch, als sie die Worte Hajigeruos hörten, konnten sie die Tränen nicht zurückhalten. Sie sagten: "Kinder, Shipumi hat uns gezwungen, euch zu verfolgen. Wenn ihr so zu uns sprecht, bekommen wir ein ganz schlechtes Gewissen. Lauft schnell davon. Wir werden euch nicht töten."

Die beiden Kinder bedankten sich bei den zwei Fischern für die Gnade, am Leben gelassen zu werden, und liefen schnell weiter.

"Kommt zurück, wir haben euch noch etwas zu sagen", riefen die beiden Fischer.

Die beiden Kinder glaubten, dass die Fischer es sich anders überlegt hätten. Erschreckt drehten sie sich um. Die zwei Fischer liefen zu ihnen und fragten sie: "Kinder, wohin wollt ihr denn fliehen?"

Die beiden Kinder wussten nicht, was sie sagen sollten, und schüttelten die Köpfe. Da zeigten die Fischer nach vorn und sprachen: "Wenn ihr um dieses Meer herumgegangen seid, seht ihr einen hohen Berg. Wenn ihr über diesen Berg geklettert seid, liegt vor euch wieder ein großes Meer. Wenn es euch gelingt, dieses Meer zu überqueren, dann kann Shipumi euch nicht mehr umbringen lassen. Dort gibt es einen paradiesischen Ort. Wenn ihr den hohen Berg überquert, müsst ihr gut aufpassen. Auf dem Berg lebt eine menschenfressende, schwarze Boa. Deshalb hat es noch kein Sklave gewagt, über diesen Berg hinüberzusteigen, um an jenen paradiesischen Ort zu fliehen."

Voller Dankbarkeit sagten die beiden Kinder unter Tränen: "Onkel, habt Dank für euren Rat. Wir werden bestimmt jenen paradiesischen Ort erreichen und werden eure Güte ganz bestimmt nicht vergessen."

Die beiden Kinder nahmen von den Fischern Abschied und gingen am Meer entlang, bis sie zu einem Berg kamen, dessen Gipfel bis in die Wolken reichte. Langsam kletterten sie den Berg hinauf. Der Berg war mit großen, alten Bäumen bewaldet. Unzählige dicke Stämme standen dicht beieinander und reckten sich kerzengerade in den Himmel. Nirgends war eine Spur von Menschen noch ein Pfad zu sehen. Die beiden Kinder schleppten sich auf ihren schmerzenden Beinen voran. Nachdem sie zwei Tage geklettert waren, hatten sie die halbe Höhe des Berges erreicht. Unter ihren Füßen lag ein Wolkenmeer. Über ihren Köpfen erhob sich die Spitze des Berges. Schließlich konnte der Junge nicht mehr laufen. Er fiel unter einer Fichte nieder und sprach zu seiner Schwester: "Schwester, mein Mund ist schon ganz ausgetrocknet. Ich kann wirklich nicht mehr." Das Mädchen hatte keine Wahl und sprach: "Ich gehe und suche Wasser für dich. Leg dich hin und ruhe dich eine Weile aus. Auf keinen Fall darfst du herumlaufen!"

Als die Schwester am Rand eines Teiches ankam, trank sie zuerst selbst etwas Wasser. Doch sie fand kein Gefäß, mit dem sie Wasser hätte schöpfen können, um es ihrem Bruder zu bringen. Sie überlegte hin und her. Schließlich fiel ihr nichts anderes ein, als mit ihrem Rock etwas Wasser zu schöpfen und es zu ihrem Bruder zu bringen. Nach einigen Schritten war das Wasser ausgelaufen. Sie kehrte zurück, um mit dem Rock erneut Wasser zu schöpfen, ging einige Schritte - wieder war das Wasser ausgelaufen. Gerade in dem Augenblick, wo sie nicht mehr ein noch aus wusste, kam ein Adler herbeigeflogen. Dieser trug eine Silberschale im Schnabel, die er in die Rocktasche des Mädchens fallen ließ. Das Mädchen hob den Kopf und sprach zum Adler: "Oh, lieber Adler, hab Dank für deine Güte." Der Adler flog davon, und das Mädchen schöpfte eine Schale voll Wasser und kehrte zu ihrem Bruder zurück. Als es die große Fichte erreichte, fing es vor Angst zu schreien an. Die silberne Schale fiel zu Boden und Tränen standen ihr in den Augen. Eine große schwarze Boa hatte sich fest um ihren Bruder herumgeschlungen und biss gerade zu. Das laute Weinen der Schwester aber erschütterte den Himmel. Die weißen Wolken öffneten sich, zwei weiße Schlangen flogen herab und bissen die Boa zu Tode. Danach saugten sie das Gift aus den Bisswunden an seinen Beinen und flogen wieder davon.

Als der Junge zu sich kam, fragte er seine Schwester: ?Schwester, wie konnte ich hier nur einschlafen?" Diese weinte und erzählte ihm, was sich gerade ereignet hatte. Von neuem schöpfte sie eine Schale Wasser und wartete bis ihr Bruder ausgetrunken hatte. Dann stützte sie ihn und kletterte mit ihm weiter den Berg hinauf.

Shipumi wartete einige Tage. Als sie sah, dass die Fischer nicht zurückkamen, wusste sie, dass sie geflohen waren. So schickte sie jemanden aus, um die Familien der zwei Fischer zu töten. Der Ausgesandte kam zurück und berichtete, dass die zwei Fischer zwei Tagen zuvor heimlich nach Hause zurückgekehrt seien und sich zusammen mit ihren Familien auf die Flucht begeben hätten. Da wurde Shipumi bleich vor Wut. Sie wusste, dass die beiden Kinder in wenigen Tagen ihr Hoheitsgebiet verlassen hätten und es dann nicht mehr so einfach wäre, sie töten zu lassen. Diesmal rief Shipumi einen Schergen herbei, der ihr vollauf ergeben war, und einen Jäger. Sie sprach zu ihnen: "Macht euch schnell auf den Weg und verfolgt diese beiden Bastarde.

Habt ihr sie gefangen, so stürzt sie von einem Felsen in die Tiefe. Merkt euch jedoch, wenn ihr die beiden nicht umbringt, so lasse ich euch töten!"

Als die beiden im Begriff waren zu gehen, gab sie ihnen noch einmal genaue Anweisungen: Der Gehilfe sollte Hajijiaci, der Jäger Hajigeruo umbringen.

Der Jäger und der Gehilfe waren neun Tage und neun Nächte unterwegs. Dann erreichten sie den Berggipfel und fingen die beiden Kinder ein. Der Scherge fluchte voller Hass in der Stimme: ?Ihr zwei kleine Bastarde, ich weiß, wohin ihr fliehen wollte!" Er hielt den Jungen fest und sprach zum Jäger gewandt, der das Mädchen gepackt hatte: "Los, werfen wir sie hinunter!" Der Junge wehrte sich mit Händen und Füßen. Das Mädchen flehte den Gehilfen und den Jäger an: "Onkel, habt Mitleid mit uns. Unsere Mutter ist umgebracht worden. Wir sind zwei Waisenkinder. Alle Vögel und Tiere des Waldes haben eine Mutter. Wir sind schlechter dran als sie! Bitte seid gnädig und verschont uns."

Als der Jäger dies hörte, lockerte er seinen Griff. Er brachte es nicht mehr übers Herz, diese beiden armen Waisen zu töten, und sprach zu seinem Begleiter: "Die beiden Kinder sind wirklich zu bemitleiden. Sie haben nichts verbrochen. Wie können wir so hartherzig sein und sie umbringen? Besser, wir lassen sie laufen."

Der Gehilfe jedoch lächelte verächtlich, als er dies hörte: "Kleiner Bastard! Solch ein schlaues Mundwerk. Kein Wunder, dass die vier vorher Ausgesandten sie nicht töteten. Nein, wenn wir sie nicht töten, so lässt uns Shipumi umbringen." Mit diesen Worten ergriff er den Jungen und ging mit ihm in Richtung Felsvorsprung. Das Mädchen schrie laut und umklammerte die Hand des Gehilfen. Sie rief: "Onkel, ach, wenn Sie unbedingt jemanden töten wollen, so töten Sie mich, aber lassen Sie meinen Bruder leben." Der Gehilfe schnaubte vor Wut. Mit einem Fußtritt stieß er das Mädchen zu Boden. Er packte den Jungen und ging mit ihm zum Felsenvorsprung. Mit beiden Händen stieß er ihn hinunter.

Der Jäger konnte dieses Unglück nicht mehr länger mitansehen, er rannte herbei und gab dem Gehilfen einen kräftigen Stoß. So stürzte dieser kopfüber in den bodenlosen Abgrund hinunter.

Der Jäger weckte die ohnmächtig gewordene Hajigeruo auf und sprach zu ihr: "Klettere schnell über diesen Berg und lauf um dein Leben. Aus alter Überlieferung wissen wir, dass am Fuße des Berges ein Meer liegt. Dort an dem Meer liegt ein paradiesischer Ort. Lauf dorthin." Als Hajigeruo sah, dass ihr Bruder verschwunden war, weinte sie herzzerreißend, und die Tränen liefen ihr unaufhörlich die Wangen hinunter. Der Jäger tröstete sie: "Weine nicht, lauf schnell davon!" Hajigeruo fragte: "Wenn es solch einen paradiesischen Ort gibt, warum machst du dich dann nicht auf den Weg dorthin?"

Der Jäger antwortete: "Ich muss nach Hause zurückkehren, um meine Familie zu retten. Wenn nicht, so wird Shipumi sie alle umbringen lassen."

Hajigeruo sagte: "Onkel, vielen Dank! Ich werde deine Güte niemals vergessen."

Nachdem Hajigeruo dem Jäger gedankt hatte, stieg sie auf der anderen Seite des Berges hinunter. Ein fast grenzenloses Meer versperrte ihr den Weg. Ohne Boot hatte Hajigeruo keine Möglichkeit, das Meer zu überqueren. Mit hoher Stimme sang sie:

Ach, ...

Ich hörte, an jenem Meeresstrand

liegt ein paradiesischer Ort,

dort gibt es keinen Häuptling,

dort gibt es weder Kummer noch Leid,

die armen Sklaven wollen dorthin fliehen,

wie kann man nur dieses große Meer überqueren?

Die rauen Wogen des Meeres glätteten sich und bildeten eine spiegelglatte Wasserfläche. Zwei Wale kamen an den Strand geschwommen. Hajigeruo stieg auf ihren Rücken und überquerte so das Meer.

Als Hajigeruo wieder ans Land kam, erblickte sie viele Menschen in bunten Kleidern, die freudig lächelnd auf sie zukamen, um sie willkommen zu heißen. An ihrer Spitze lief ein kleiner Junge, der genau wie ihr Bruder aussah. Hajigeruo glaubte sich geirrt zu haben und starrte ihn verblüfft an. Der kleine Junge kam herbeigelaufen und ergriff ihre Hand. Laut rief er: "Schwester!" Hajigeruo wurde von diesem Ruf aus ihrer Geistesabwesenheit aufgeschreckt. Als sie ihn genau betrachtete, erkannte sie, dass es tatsächlich ihr Bruder Hajijiaci war. Hastig fragte sie ihn: "Bruder, wie ist es möglich, dass du jenen Todessturz überlebt hast?"

Der Bruder antwortete: "Als ich vom Felsen gestoßen wurde, kamen zwei Kraniche vom Himmel herabgeflogen, ergriffen mich und trugen mich hierher."

Mit Tränen in den Augen umarmten sich Bruder und Schwester. Die Menschen kamen herbeigelaufen und überreichten den beiden Blumengebinde. Dabei beteuerten sie, solch eine traurige Geschichte noch nie gehört zu haben. Sie würden warten, bis Bruder und Schwester erwachsen seien, dann würden sie den Geschwistern helfen, Rache zu nehmen.

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