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(GMT+08:00) 2005-06-29 16:02:40    
Das Brokatmuster (3)

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Die Krankheit der Mutter verschlimmerte sich von Tag zu Tag. Wieder wartete sie zwei Monate lang und weinte täglich. Mit ihren vom langen Weben geschwächten Augen konnte sie, da sie täglich weinte, bald nicht mehr sehen. Schließlich erblindete sie gänzlich.

Eines Tages sagte Lere zu seiner Mutter: "Mutter, meine Brüder sind noch immer nicht zurückgekommen. Bestimmt sind sie auf dem Weg in Schwierigkeiten geraten. Lass mich ausziehen. Ich werde bestimmt den Brokatstoff finden."

Die Mutter überlegte eine Weile und antwortete dann: "Lere, du kannst gehen. Pass gut auf dem Weg auf dich auf! Die Nachbarn werden sich um mich kümmern!"

Lere zog die Strohsandalen an, raffte allen Mut zusammen und machte sich auf den Weg nach Osten. Schon nach einem halben Monat erreichte er den Bergpass. Er sah die weißhaarige alte Frau vor der Steinhütte.

Die alte Frau beschrieb auch ihm die Gefahren der Weiterreise und redete auf ihn ein: "Mein Kind, deine beiden älteren Brüder sind jeder mit einem Beutel voller Gold umgekehrt. Nimm auch du einen Beutel von mir zum Geschenk und mach dich auf den Rückweg."

Lere aber antwortete: "Nein, ich will den Brokatstoff meiner Mutter bringen." Er hob vom Weg einen Stein auf und schlug sich zwei Zähne aus. Dann schob er die Zähne in den Mund des Steinpferdes. Das Steinpferd bewegte sich und begann die Früchte des Pflaumen-Baumes zu essen. Als es zehn Früchte gegessen hatte, sprang Lere auf den Rücken des Pferdes, hielt sich an der Mähne fest, drückte dem Tier die Füße in die Flanken, das Pferd hob den Kopf, ließ ein lautes Wiehern hören und galoppierte in Richtung Osten davon.

Lere ritt drei Tage und drei Nächte und kam zum Feuerberg. Die roten Flammen schlugen dem Pferd und Lere entgegen. Lere biss die Zähne zusammen und hielt die Schmerzen aus. Keinen Laut gab er von sich. Nach einem halben Tag hatten sie den Berg hinter sich und ritten, ohne zu verweilen, in das gewaltige Meer hinaus. Die stürmischen Wellen, auf denen unzählige scharfkantige Eisblöcke schwammen, brandeten ihnen entgegen. Lere saß auf dem Pferd, presste die Lippen aufeinander, und obwohl er unter der Kälte und den Wunden, die das Eis in seine Haut riss, unsagbar litt, entrang sich ihm kein Seufzer. Nach einem halben Tag ereichten sie das andere Ufer und standen am Sonnenberg.

Im Glanz der Sonne sah Lere auf dem Gipfel des Berges ein sehr hohes und prunkvolles Haus, Gesang und Gelächter von Frauen waren zu hören.

Lere ritt vor das Tor. Er sprang vom Pferd, durchschritt das prächtige Portal und sah die Feen in der Halle sitzen und an einem großen Brokatstoff weben. Der Brokat der Mutter lag in der Mitte, und die Feen webten das Muster nach.

Die Feen waren sehr erschrocken, als sie Lere erblickten. Lere erzählte ihnen, warum er herge kommen sei. Nachdem er seinen Bericht beendet hatte, sagte eine der Feen: "Gut, wir werden heute Nacht fertig und geben dir den Stoff morgen, wenn es tagt, zurück. Warte bis dahin, und bleib die Nacht über bei uns."

Lere war einverstanden. Die Feen brachten ihm köstliche Früchte, die ihn nach den Qualen, die er ausgestanden hatte, wunderbar erquickten.

Lähmende Müdigkeit befiel ihn und er schlief auf der Stelle ein.

In der Nacht hängten die Feen an die Decke der Halle eine hell schimmernde Perle, so dass das ganze Haus erleuchtet war und sie weiter weben konnten.

Eine der Feen, die ein rotes Gewand trug, war die geschickteste von allen. Als sie fertig war und ihr Webmuster mit dem der alten Frau verglich, fand sie, dass der Brokatstoff der alten Frau noch besser als ihr eigener war: Die Sonne war glühender, die Fischteiche klarer, die Blumen frischer und die Rinder und Schafe lebendiger.

Die Fee mit dem roten Gewand flüsterte vor sich hin: "Wenn ich doch in diesem Dorf leben könnte!" Da die anderen noch nicht mit ihrer Arbeit fertig waren, nahm sie Seidenfäden und stickte auf den Stoff der alten Frau ihr eigenes Bild hinzu; sie stand am Fischteich und bewunderte die roten Blumen.

Als Lere erwachte, war Mitternacht schon vorüber. Die Feen waren schlafen gegangen. Unter dem Licht der Perle sah er, dass der Brokatstoff seiner Mutter noch auf dem Tisch lag. Lere dachte: "Wenn sie mir morgen den Stoff nicht zurückgeben, was soll ich dann tun? Die Mutter ist schon so lange krank, am besten, ich mache mich gleich jetzt mit dem Brokatstoff auf den Heimweg."

Lere stand auf, nahm den Stoff und verließ das Haus auf dem Sonnenberg. Er bestieg das Steinpferd und ritt davon.

Er ritt durch das große Meer, überwand den Feuerberg und gelangte wieder zum Bergpass.

Die weißhaarige alte Frau stand vor der Steinhütte und sagte lächelnd: "Mein Kind, steig vom Pferd!" Sie zog die zwei Zähne aus dem Maul des Pferdes und schob sie Lere in den Mund. Das Steinpferd blieb wie ehedem unbewegt unter dem Pflaumen-Baum stehen.

Dann holte sie ein Paar Hirschleder schuhe aus der Hütte und überreichte sie Lere: "Mein Kind, zieh diese Hirschlederschuhe an und eile nach Hause, deine Mutter ist todkrank."

Lere zog die Hirschlederschuhe an, stieß sich mit beiden Füßen vom Boden ab und war im nächsten Augenblick zuhause. Die Mutter lag im Bett, sah bleich und mager aus und schien auf den Tod zu warten.

Lere ging zum Bett und rief: "Mutter!" Dann nahm er von seiner Brust den Brokatstoff und breitete ihn vor der Mutter aus. Auf einmal konnte die alte Frau wieder sehen. Sie stand vom Bett auf und besah lächelnd den Brokatstoff, an dem sie drei Jahre gearbeitet hatte. Dann sagte sie: "Mein Sohn, hier drin ist es zu dunkel, bringen wir den Stoff nach draußen und legen ihn unter die Sonne."

Die alte Frau ging vor die Hütte und breitete den Brokatstoff aus. Ein duftiger Wind wehte durch das Tal, und der Brokatstoff wurde größer und größer und dehnte sich immer weiteraus. Nach wenigen Minuten bedeckte er schon einige Meilen breit Boden.

Die alten Strohhütten verschwanden. Ihren Platz nahmen auf einmal hohe und prächtige Häuser ein, ringsum erstreckten sich Blumen-, Obst- und Gemüsegärten, breite Felder und Wiesen, auf denen Rinder und Schafe weideten. Die alte Frau und Lere standen plötzlich inmitten der Landschaft, die die alte Frau gewebt hatte.

Da entdeckte die alte Frau ein Mädchen in roter Kleidung, das am Fischteich stand und sich die Blumen besah. Die alte Frau ging zu ihr hinüber und fragte sie, wer sie sei. Das Mädchen antwortete: "Ich bin eine der Feen, und weil ich mein Bild in den Brokatstoff hineingestickt habe, wurde ich hierher gebracht."

Die alte Frau lud die Fee ein, mit ihr in dem neuen Haus zu wohnen.

Später heiratete Lere die Fee und führte mit ihr ein glückliches Leben.

Die alte Frau lud auch die armen Nachbarn, die sich um sie gekümmert hatten, als sie krank war, ein, in dem neuen Dorf zu leben.

Eines Tages kamen zwei Bettler ins Dorf. Es waren Lemo und Ledui'e. Sie hatten mit dem Gold der weißhaarigen alten Frau in der Stadt gelebt, waren verschwenderisch gewesen und bald darauf verarmt, so dass sie sich als Bettier durchschlagen mussten.

Als sie das schöne Dorf erreichten und ihre Mutter, Lere und seine Frau glücklich im Blumengarten singen sahen, dachten sie an die Vergangen heit und schämten sich so sehr, dass sie das Dorf nicht betraten, sondern auf ihre Bettelstöcke gestützt davonzogen.

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