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Inschriften auf Orakelknochen und Bronzen (Orakelknocheninschriften)

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Wir können nicht nachprüfen, seit wann es chinesische Zeichen gibt. In den 1920er Jahren hat man in Yangshao in der Provinz Henan 5000-7000 Jahre alte Tongefäße mit geometrischen Mustern gefunden. Vielleicht waren das Vorläufer von Schriftzeichen. Aber für die nächsten 3000 Jahre gibt es keine diesbezüglichen archäologischen Funde, man kann also nicht verfolgen, wie sich die Zeichen entwickelt haben.

Erst die Inschriften auf Orakelknochen und Bronzegefäßen aus der Yin-Shang-Zeit vor ca. 3000 Jahren sind die frühesten, bereits in ersten Schritten systematisierten und ausgereiften chinesischen Schriftzeichen.

Orakelknocheninschriften

Der chinesische Name ist Jia Gu Wen. Jia [Dschiaa] steht für den Panzer von Tieren, Gu für Knochen, Wen für Worte, Schriftkultur. Es sind in Schildkrötenpanzer, Rinder- oder Dammwildknochen gravierte Orakelinschriften, mit denen man göttliche Wesen, Geister oder Vorfahren befragte, um Aufschluß über die Gunst des Schicksals bzw. Hilfe bei Unsicherheiten und Zweifeln zu erlangen. Dies sind die ältesten Zeichen, die man kennt; unter den alten chinesischen Schriftzeichen wurden sie jedoch am spätesten entdeckt. Ihre Entdeckung ist eine unglaubliche Geschichte.

Im Herbst des Jahres 1899 bekam der aus Shandong stammende Pekinger Beamte Wang Yirong Malaria. Der Leibarzt des Kaisers stellte ihm ein Rezept aus, auf dem auch das Medikament "Drachenknochen" erwähnt war. Wang schickte jemand aus der Familie zu einer alten Apotheke. Als er die Packung öffnete, sah er zu seiner Überraschung Messerspuren auf den Knochensplittern. Wang Yirong kannte sich in alter Schrift gut aus. Er dachte sofort an Schriftzeichen und schickte wieder jemand zu der Apotheke, um noch mehr von dem geheimnisvollen Medikament zu kaufen. Wenig später erhielt Wang Besuch von Liu E, dem berühmten Verfasser des Romans Lao Can Youji ("Die Reisen des Lao Can"). Liu E war ebenfalls in alter Schrift bewandert. Beide stimmten überein, dass es sich bei den Messerspuren um eine unbekannte Art von alten Schriftzeichen handien musste. Wang erkundigte sich und erfuhr, dass die "Drachenknochen" alle aus dem Dorf Xiaotun stammten, nordwestlich von Anyang in der Provinz Henan. Also beauftragte Wang einen Handelsreisenden, direkt in diesem Dorf Xiaotun noch mehr "Drachenknochen" einzukaufen. Um dieses Dorf Xiaotun lag die letzte Hauptstadt in der bewegten Geschichte der Shang-Dynastie. Die Stadt hieß Yin, deshalb nannte man die etwas mehr als 200 Jahre nach der Verlegung der Hauptstadt nach Yin die Yin-Shang-Periode.

Die Entdeckung der Orakelknocheninschriften kam durch eine Vielzahl von Zufällen zustande. Wenn Wang Yirong nicht an Malaria erkrankt wäre, wenn er kein Experte für alte Schriften gewesen wäre, wenn der kaiserliche Leibarzt ihm nicht genau dieses Rezept verschrieben hätte, wenn diese "Drachenknochen" zermahlen gewesen wären, so wie es eigentlich üblich war, wenn alle diese Faktoren nicht zusammengekommen wären, dann wären diese ältesten Schriftzeichen mit ihrem unermesslichen kulturgeschichtlichen Wert wohl für immer aus unserem Gesichtskreis verschwunden.

Hier muss man noch besonders erwähnen, dass Wang Yirong nicht nur ein korrekter und unbestechlicher hoher Regierungsbeamter der Qing-Dynastie war (u.a. Provinzgouverneur von Shanxi), sondern auch ein großer Patriot. Als 1894 der Chinesisch-Japanische Krieg ausbrach, wollte Wang in seiner alten Heimatb Shandong den Widerstand organisieren und bis zum Letzten gegen die Invasoren kämpfen. Als die Qing-Regierung den schmachvollen Friedensvertrag unterzeichnete, zeigte sich Wang sehr betrübt, dass er "nichts für das Land hatte tun können". Als im August 1900 die acht allierten Mächte auf Peking marschierten, wurde Wang Yirong einer der Hauptverantwortlichen für die Verteidigung. Am 13. August versuchte er mit seinen Truppen den Feind am Dongbianmen-Stadttor abzuwehren. Schließlich musste er der Übermacht weichen und kehrte geschlagen nach Hause zurück. Am 15. August sagte er seiner Famile, dass er nicht in Schande weiterleben könne. Dann schrieb er mit Kaishu-Zeichen einen Abschiedsbrief und hängte ihn an die Wand. Darin gab er sich als verantwortlicher Beamter die Schuld für die Schande des Kaisers. Nachher sprang er seelenruhig mit seiner Frau und der ältesten Schwiegertochter in einen Brunnen. Es war noch nicht einmal ein Jahr vergangen, seit er die Orakelknocheninschriften entdeckt hatte. Er war gar nicht dazu gekommen, irgendwelche Forschungsergebnisse aufzuzeichnen. Was für ein bewegendes Schicksal!

Wang Yirong war ein bedeutender Kalligraph in allen Stilen. Er hinterließ hauptsächlich Zhuanshu, Xingshu und Kaishu.

Die frühesten Aufzeichnungen, welche man heute noch über die Orakelknocheninschriften finden kann, wurden von Liu E verfasst, dem zweiten Entdecker. 1903 veröffentlichte er das Buch Tie Yun Cang Gui "Tieyuns gesammelte Schildkrötenpanzer". Er hatte mehr als 3000 Stücke von Schildkrötenpanzern gesammelt und darauf mehr als 40 verschiedene Schriftzeichen erkannt, davon wurden später 34 als richtig bestätigt. Das war auch eine unglaubliche Leistung, denn Liu war als Erster sicher, dass es sich um chinesische Schriftzeichen handelte, und in einem weiteren Schritt erkannte er, dass die Zeichen aus derselben Zeitperiode wie die Inschriften auf Bronzegefäßen der Shang-Dynastie stammten.

Die Orakelknocheninschriften waren ungefähr zur gleichen Zeit wie die Hieroglyphen im alten Ägypten, die Schrift der Maya in Mittelamerika und die Keilschrift der Sumerer in Mesopotamien in Gebrauch, aber die letzteren sind alle untergegangen, während es zwischen den Orakelknocheninschriften und den heutigen chinesischen Zeichen eine durchgehende Entwicklungslinie gibt.

Auf den mehr als 100.000 bis heute entdeckten Stücken sieht man fast 4700 einzelne Zeichen, davon sind 1800 bereits entziffert. Diese Zahl kann schon als halbwegs zufriedenstellend gelten, wenn man sie mit den etwa 3000 heutzutage häufig gebrauchten Zeichen vergleicht. Die Orakelknochen sind wesentlich für die Periodisierung der Geschichte und für die Erforschung der Entwicklung der Schriftzeichen.

Wie auch bei allen später gebrauchten chinesischen Schriftzeichen nimmt bei den Orakelknocheninschriften jedes Zeichen die Fläche eines Quadrats ein. Die Strichfolge und die Anordnung der Elemente kennt ebenfalls oben und unten, links und rechts, Trennung und Zusammenführung, Überschneiden und Einfügen, Wiederholung und Anhäufung, Umschließen etc. Die Zeichen auf jedem Knochenstück sind im Wesentlichen von oben nach unten angeordnet. Wenn es mehrere Zeilen gibt, gehen diese von rechts nach links, so wie in den 3000 Jahren seither.

Man kann aus diesen frühen Schriften sehen, wie die Menschen damals nach dem Schönen gestrebt haben. Viele Werke sind sehr kunstvoll graviert, da sieht man die Hand von großen Kalligraphen, leider sind ihre Namen nicht überliefert. Bei einer Rinderknocheninschrift gibt es auf der Vorder- und auf der Rückseite immer wieder die gleichen paar Zeilen von Zeichen, alle schief und verdreht, manche sind gar kein richtiges Zeichen. Aber eine Zeile ist sehr regelmäßig, elegant, alle Zeichen auf einer Linie. Das war sicher die Vorlage, vom Lehrer geschrieben. Dieser Meister war offenbar gerade dabei, seinen Nachfolger auszubilden.

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