Wenn man einen chinesischen Garten betritt, wird man sofort von seiner fernöstlichen Stimmung gefangen genommen. In dieser malerisch stillen Atmosphäre wandelnd, bemerkt man, dass östliche Gärten im Vergleich mit Naturlandschaften bringen Gärten eher menschliche Bedürfnisse zum Ausdruck. Jeder Stein, jeder Baum lässt eine tiefere kulturelle Bedeutung durchscheinen. Die Schönheit eines chinesischen Gartens liegt darin, dass er Kunst und Kultur verschmilzt. Die kaiserlichen Parkanlagen im Norden zeichnen sich durch wunderschöne Landschaften aus, oft mit kleinen Brücken über fließenden Gewässern und gewundenen, verborgenen Pfaden. Andrerseits verfügen sie über majestätische, palastartige Gebäudegruppen, wie sie für den kaiserlichen Stil typisch sind. Das beste noch erhaltene Beispiel dafür ist der Sommerpalast (Yi He Yuan) in Beijing. Die Privatgärten in Jiangnan, der Gegend südlich des Unterlaufs des Jangtse, wie der "Garten des Verweilens" (Liu Yuan), der "Garten des Bescheidenen Beamten" (Zhuo Zheng Yuan) oder der "Garten des Meisters der Netze" (Wangshi Yuan), unterscheiden sich dagegen in ihrem ästhetischen Reiz von den nördlichen Gärten durch ihre Anlehnung an natürliche Landschaften und die Verwendung von angestammter Vegetation. Sie waren zum Großteil im Besitz von Beamten, wohlhabenden Händlern und Literaten und an deren private Wohngebäude angegliedert. So standen Wohnräume, Hallen und Lesezimmer neben wunderschönen Gartenlandschaften aus Pavillons, Korridoren, Terrassenhäusern, Felsen, Wasser und Pflanzen. Das Ausmaß dieser Gärten war meistens nicht besonders groß, aber umso mehr Wert wurde darauf gelegt, das Mienenspiel einer natürlichen Landschaft nachzuahmen. Mitten in der Stadt eine Kopie eines Gebirgswalds entstehen zu lassen, ist Ausdruck eines poetischen Geists und des Wunsches nach Zuflucht vor dem weltlichen Wirrwarr, um in einer natürlichen Landschaft ungestört seinen Frieden genießen zu können. Diese zwei unterschiedlichen Arten von Parks weisen auf ein sicheres, selbstgenügsames und glückliches Leben hin, um nicht zu sagen eine Lebenskunst. Von einem anderen Gesichtspunkt aus betrachtet spiegeln sie die Lebensansichten und die Kosmologie von Menschen unterschiedlicher Schichten im alten China wider sowie ihre Lebensweise, ihre moralische Orientierung und ihren Geschmack und Schönheitssinn.