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(GMT+08:00) 2005-06-08 15:50:45    
Chinesische Kalligraphie: Empfindung und Geist des Weines

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Wir Menschen haben vielerlei Empfindungen, zum Beispiel Freude, Zorn, Trauer, Lust, Liebe, Abscheu oder Angst. Manche sind nur temporäre Aufwallungen, wie Ausgelassenheit, Wut oder Schmerz. Andere sind eher eine Gemütsverfassung, etwa Heiterkeit, Kummer, Groll, Langeweile, Nachdenklichkeit, oder Melancholie. Alle diese Empfindungen können den Stil eines Kalligraphen beeinflussen.

Empfindungen werden oft in positive und negative eingeteilt. Die "Zi xu tie" oder "Selbstdarstellung" des Grasschrift-Meisters Huai Su ist ein Beispiel für eine unter dem Einfluß von positiven Empfindungen geschaffene Kalligraphie. Huäi lebte im achten Jahrhundert westlicher Zeitrechnung, in der Tang-Dynastie. Er war ein buddhistischer Mönch, hielt sich aber nicht an die Regeln und betrank sich täglich einige Male, was ihm den Beinamen "Bruder Trunkenheit" eintrug. Das gerade erwähnte Werk hat 126 Zeilen. Huai hatte gerade den Gipfel seiner Kunst erreicht, es ist eine funkelnde Meisterleistung. Der Text zitiert Gedichtzeilen, die berühmte Zeitgenossen seiner Kalligraphie gewidmet haben. In ausgelassenen Strichen zeigt der Autor seinen Stolz. Die Linien sind ungleichförmig schief und waagrecht, seltsam verwickelt und kühn verschlungen, gleichzeitig spürt man ein Schweben, einen Rhythmus, und eine Ordnung, es ist wie eine wunderbare Symphonie, die dem Hörer noch lange in den Ohren bleibt und im Herzen weiter klingt.

Der Dichter Lu You (1125-1210) aus der Song-Dynastie hat mehr als 9300 Werke hinterlassen. Sein Caoshu ge ?Lied der Grasschrift" erzählt von Kummer und Trübsinn im Schaffensprozeß. Lu war ein Patriot und setzte sich sein ganzes Leben für die Verteidigung des Reiches ein. In jungen Jahren meldete er sich freiwillig und ging mehrmals an die Front. Aber leider wurde sein Enthusiasmus von der Clique der Kapitulanten verdrängt. Mit 57 Jahren zog er sich traurig und empört in seinen Heimatort zurück. Eines Tages vertrieb er wieder einmal durch Trinken seine Schwermut. Wir versuchen im Folgenden den Inhalt des Gedichtes ungefähr wiederzugeben: ?Ich habe vielerlei Tränke destilliert, aber die Trübsal sitzt mir dennoch im Magen. Heute nehme ich in berauschter Stimmung den Pinsel und widme mich der Grasschrift. Auf einmal werden Himmel und Erde klein und überschaubar. Wie der Wind die Wolken treibt, so fegt mein Pinsel über das Papier. Meine Zeichen tanzen wie ein göttlicher Drache, und ein dunkler, blutgeschwängerter Nebel erhebt sich. Dann stürzen meine Zeichen wie Dämonen die Gipfel der Berge um, bis auch das Mondlicht vom Dunkel verschluckt wird. Ich bin fertig, und meine Bitternis ist verflogen. Ich schreie und schlage gegen das Bett, mein Kopftuch fällt mir herunter. Auf dem Papier zu schreiben ist mir noch nicht genug, ich möchte in der großen Halle zehn Meter hoch auf die Wand schreiben, um meine Leidenschaft und meine Freude an der Kalligraphie zum Ausdruck zu bringen." Leider ist die Kalligraphie, von der das Gedicht spricht, nicht überliefert. Es war sicherlich ein wechselvolles Meisterwerk der schwebenden Gestalten.

Die beiden oben erwähnten Kalligraphen haben wundervolle Werke der Grasschrift geschaffen, weil sie der Geist des Weines dazu trieb. Jemand hat diese Wirkung des Weines so erklärt: Wenn jemand getrunken hat, ist die Hirnrinde angeregt, dadurch kann sich der seelische Druck verflüchtigen. Und dann will man die Konventionen der Kunst durchbrechen, um in eine völlig freie Welt vorzudringen, wo man seine Persönlichkeit entfaltet und in einem Stil zu schreiben beginnt, wie man ihn selbst noch nie gekannt hat.

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