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Felix Kurz: Wir wissen über China noch zu wenig
  2017-10-19 18:44:13  cri

FELIX KURZ ist Vorstandsvorsitzender der „Gesellschaft für deutsch-chinesische Freundschaft Mannheim/Rhein-Neckar (GDCF MRN) e.V." und Vizepräsident der „Arbeitsgemeinschaft Deutscher China-Gesellschaften (ADCG) e.V.". 1979 gehörte er zu den Gründern der alternativen „tageszeitung", für die er neun Jahre als Redakteur arbeitete. Von September 1988 bis Dezember 2006 arbeitete er als Redakteur und Spezialist für investigative Recherchen beim deutschen Nachrichtenmagazin „Der SPIEGEL" in den Redaktionsvertretungen Mainz, Erfurt, Frankfurt und Stuttgart. 2012 initiierte Kurz mit Klaus Schlappner und Dr. Norbert Egger das 1. deutsch-chinesische Jugend-Fußballturnier in Mannheim. Inzwischen erlebt dieses große Jugendaustauschprojekt seine 5. Auflage mit vier chin. Teams, das abwechselnd in Deutschland und China durchgeführt wird.

Frage: Wie sind Sie denn überhaupt mit China in Berührung gekommen? Erinnern Sie sich noch an Ihre erste Begegnung mit China?

Kurz: An meine erste Reise nach China erinnere ich mich sogar sehr gut. Das war 1990, ich war Mitglied einer Delegation von Rheinland-Pfalz, die der damalige Ministerpräsident Carl-Ludwig Wagner leitete. Wir waren die erste offizielle deutsche Delegation nach 1989 in China. Die Ziele der Reise waren die Beziehungen zwischen der südchinesischen Partnerprovinz Fujian und Rheinland-Pfalz weiter zu vertiefen und mit der chinesischen Regierung besser ins Gespräch zu kommen. Wir haben die Universität in Fuzhou, den Gouverneur und den Parteisekretär der Provinz Fujian besucht. Danach sind wir nach Beijing zu einem Treffen mit dem damaligen Ministerpräsidenten Li Peng gereist. Das war einprägsame Reise. Seitdem habe ich den Wunsch, immer wieder nach China zu reisen.

Frage: Was hat Sie an China so fasziniert, dass Sie dabeigeblieben sind?

Kurz: Als junger Mensch habe ich mich viel mit China beschäftigt, mit dem, was in der Kulturrevolution passiert war, und wie sich das Land danach weiter entwickelt hat. Wir haben bereits in der Schule viel über China diskutiert. Was wir über das Land gehört oder gelesen haben, haben wir nicht immer geglaubt. Schon zu dieser Zeit gingen wir davon aus, dass wir uns ein eigenes Bild machen müssen. Doch das war zu der Zeit noch nicht möglich gewesen.

Uns war schon früh klar, dass China für die Welt wichtig werden wird. Das Land ist sehr groß und es gibt eine viele tausend Jahre alte Kultur. Die Menschen in China leben sehr gelassen, so kam es mir vor. Ich bin bis heute neugierig, das alles kennenzulernen. Dazu kommt noch, dass ich mich generell sehr für fremde Kulturen interessiere und besonders für die asiatische Kultur.

Frage: Wer sind die Mitglieder der Freundschaftsgesellschaft? Woher kommt diese Tradition der deutsch-chinesischen Gesellschaften, die es mit anderen Ländern so ja nicht gibt?

Kurz: Die ersten Freundschaftsgesellschaften in Deutschland wurden in den 70er Jahren gegründet. Damals waren sie noch stark am Maoismus orientiert. Eine Zäsur war dann das Jahr 1989. Obwohl einige Freundschaftsgesellschaften nicht mehr weiter machen wollten, meinten andere, wir müssen mit China im Dialog bleiben und den Kontakt wieder herstellen. Heute sieht man, wie offen das Land geworden ist. Inzwischen haben in Deutschland viele Menschen Kontakt mit Chinesen und reisen oft nach China. Umgekehrt ist es genauso.

Felix Kurz besuchte Zhang Yimou vor Olympischen Spiele, Februar 2008.

Die Mitglieder der Freundschaftsgesellschaft kommen aus ganz verschiedenen Bereichen, dazu gehören zum Beispiel Unternehmer, Wissenschaftler, Bürgermeister, Beamte, Politiker, Studenten, Journalisten und einige mehr. Was uns alle zusammen gebracht hat, ist das Interesse an China. Uns liegt besonders viel daran, dass die Kontakte zu China auf allen Ebenen ausgebaut werden. Dazu gehört auch, dass über China mehr, vor allem aber objektiv und nicht etwa verzerrt berichtet wird. Dazu kann die Freundschaftsgesellschaft viel beitragen. Besonders für junge Menschen ist es wichtig, die Menschen in China und die chinesische Kultur kennenzulernen, zu verstehen und zu respektieren.

Frage: Wie würden Sie das Wissen der Deutschen über China einstufen? Beschäftigen die Deutschen sich genug mit China?

Kurz: Wir wissen über China noch viel zu wenig. Ich bin der Meinung, dass China im Schulunterricht ein Schwerpunkt sein muss. Und zwar an jeder Schule. Denn was wir heute in den Medien über China lesen können, ist natürlich stark gefiltert. Und manchmal wird dabei ein Bild von China gezeichnet, dass mit der Wahrheit nicht viel zu tun hat. Ich persönlich habe zusätzlich den Vorteil, dass mein Bruder seit 15 Jahren in Shanghai lebt. Aber auch über die Freundschaftsgesellschaft erfahre ich, dass in China ganz andere und wichtigere Dinge passieren als die, die wir in der Zeitung lesen. Chinesen hingegen wissen vergleichsweise viel mehr über Deutschland. Viele kennen zum Beispiel deutsche Künstler, Wissenschaftler und Musiker. Wir Deutschen jedoch kennen keine oder bestenfalls eine Handvoll chinesischer Persönlichkeiten aus diesen Bereichen.

Frage: Sie sind ja in den deutsch-chinesischen Gesellschaften für den Bereich Sport zuständig. Was reizt Sie daran? Was kann der Sport leisten im deutsch-chinesischen Verhältnis?

Kurz: Ich finde, der Sport, und übrigens auch die Musik, bieten beste Möglichkeiten, Menschen über einen unkomplizierten Weg zusammen zu bringen. Deshalb haben wir schon 2012 das Deutsch-Chinesische Jugend-Fußballturnier entwickelt. Fußball ist eine Weltsprache, über sie kommen die Jugendlichen zusammen. Wir laden chinesische Jugendliche alle zwei Jahre nach Deutschland zu einem Fußballturnier ein. Während ihres rund acht- bis zehntägigen Aufenthalts in Deutschland erleben sie ein vielfältiges Kulturprogramm. Sie treffen gleichaltrige Deutsche, arbeiten an gemeinsamen Projekten und natürlich feiern sie auch zusammen. Dabei entstehen sich sehr viele Freundschaften. Nur ein Beispiel: Eine Schule im nordchinesischen Shenyang hat eine intensive Partnerschaft mit einer deutschen Schule aufgebaut – beide haben sich beim Fußballturnier kennengelernt.

3. Deutsch-Chinesisches Jugendfußballturnier in Mannheim, August 2015

Frage: Gibt es Dinge, die Ihnen an China besonders gefallen haben, aber auch Dinge, die Ihnen nicht so gut gefallen haben?

Kurz: China und seine Menschen sind viel offener geworden. Egal wo ich in China hinkomme, die Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft der Menschen ist enorm. Als "Lao Wai"(Ausländer) hat man überhaupt kein Problem, alleine durch das Land zu reisen - das finde ich toll! Ich habe inzwischen einige persönlichen Freunde in China. Das sind sehr gute Freundschaften und wir besuchen uns gegenseitig.

Ein spezielles Thema verbindet mich zusätzlich mit China: die über 1500 Jahre alte Shaolin-Kultur. Mein erstes Erlebnis mit Kung Fu hatte ich 1990 in Fujian. Viele Jahre später habe ich den Shaolin-Tempel besucht. Ich wollte einfach wissen, was das für Menschen sind und warum sie heute in ein Kloster gehen. Dort habe ich interessante Menschen getroffen. Fast jedes Jahr fahre ich für einige Tage dorthin. Darüber habe ich auch ein Buch veröffentlicht.

Felix Kurz besuchte Shaolin-Abt Shi Yongxin, 2008

Großen Respekt habe ich vor der unglaublich rasanten Entwicklung Chinas. Das dadurch auch die einen oder anderen Probleme entstanden sind, ist für mich erklärbar. Ich sage ausdrücklich für mich, erklären sollte man genau diese Themen auch den westlichen Journalisten. Zum Beispiel ist die Umweltverschmutzung ein großes Thema. Schlechte Luft wie heute in China hatten wir Deutschen aber auch vor 30 oder 40 Jahren, vor allem im Ruhrgebiet. Eine Folge des deutschen „Wirtschaftswunders". Heute ist das kein Thema mehr.

Interviewer: Huang Shuanghong

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