In deutschen Freizeitparks gab es schon in den 1980er Jahren oder sogar noch früher Filmvorführungen mit Spezialeffekten wie Nebel oder rüttelnden Sitzplätzen, die somit an Cockpits in Flugsimulatoren erinnerten.
In jüngster Zeit sind diese alten Spielereien im neuen und wesentlich professionelleren Gewand unter dem Namen 4D-Kino wiedergekehrt. Die versprochene Mehrdimensionalität, die wegen des Marketing-Überbietungswettbewerbs inzwischen bis 20D reicht, ist eine weitere Maßnahme der Branche, um wieder mehr Menschen ins Kino zu locken.
In China und anderen Kinoländern hatten die Lichttheater nämlich starke Konkurrenz durch die Phalanx von hochgerüsteten, oft sogar 3D-tauglichen, Heimkinos und Videostreamingdiensten wie Netflix oder dessen chinesisches Pendant Youku bekommen. Immer mehr Cineasten wollten nicht mehr ihr Sofa gegen einen Kinosessel tauschen.
Doch das Imperium der Kinos schlug zurück und gewann zunächst Filmfreunde durch eine High-Tech-Offensive, verbesserten Service und Megaleinwände zurück.
Dann erinnerten sich wohl ein paar Kreative bei den Kinoketten auch noch an ihre Jugenderlebnisse in den Kinosälen von Themenparks mit wackelnden Sitzen, Trockeneisnebel, Feuerwerk und anderem Schnickschnack.
Und so wurden nun 3D-Filme mit passenden physikalischen Effekten zu Noch-Mehr-D-Filmen aufgepeppt. Zu den Effekten können Wind, Regen, Temperaturschwankungen und jede Menge Lichteffekte gehören. Die Kinosessel in den Noch-Mehr-D-Sälen sind magisch: Sie können sich bewegen, vibrieren, durch Luftdüsen die Besucher erschaudern lassen oder sie am Rücken oder den Beinen kitzeln. Manchmal sind auch Wassersprüher verbaut. Und vor der Leinwand kann es blitzen, donnern, regnen und dampfen. Rauch und Seifenblasen können aufsteigen, ebenso Gerüche.
Den Superheldenfilm „Black Panther" gab es in einer „Mehr als 3D"-Version zu sehen und der aktuell in den Kinos laufende Actionfilm „Fast & Furious: Hobbs & Shaw" ist auch in mindestens vier Dimensionen verfügbar.
Mit der Ruhe im Kinosessel ist es damit aber vorbei. Es ist nun nicht mehr allein eine spannende Handlung, die für Nervenkitzel sorgt, sondern vielleicht eben auch die im Sessel integrierte Kitzel-Maschine. Und vielleicht fällt manchem vor Schreck der Popcorn-Becher aus der Hand, wenn der Sitz plötzlich einen Satz nach vorne macht. Kino hat nun endgültig Erlebnischarakter.
Rein formal betrachtet spricht man von 4D, wenn sich zusätzlich zum abgespielten 3D-Film der Sitz bewegt. Bei 5 D kommen dann die schon erwähnten Spezialeffekte wie etwa Blitze oder Schnee noch dazu.
Ab 7D wird es dann interaktiv und Zuschauer können zum Beispiel mit speziellen Spielzeugwaffen Ziele auf der Leinwand treffen und scoren.
Bei 9D tragen die Kinobesucher Virtual-Reality-Brillen und erleben interaktives 360-Grad-Kino mit allem, was derzeit technisch möglich ist.
Was sich aber 8D, 10D, 11D, 12D oder XD nennt, ist meist nicht spektakulärer als 7D. Es sind aufgeblasene Bezeichnungen.
Die neue Form des Kinoerlebnisses ergänzt das traditionelle Kino, indem 3D fast schon Standard ist, und erweitert natürlich auch das Preisspektrum. Wie es aussieht stirbt das Kino nicht, sondern erblüht farbenfroher denn je.
Text: Nils Bergemann