Die Schönheitsindustrie boomt in China. Viele Anbieter wollen sich ein besondere großes Stück vom Kuchen abschneiden, indem sie schneiden, schminken oder einfach nur ein Lebensgefühl verkaufen. Sowohl traditionelle als auch neue nationale Schönheitslabels freuen sich auf so bisher noch nicht dagewesene Entwicklungschancen.
Pi Yan Ping, die für ihre juckreizstillende Salbe bekannte chinesische Marke, hat im August Lippenstifte in drei Farben auf den Markt gebracht. Diese unerwartete Ausweitung des Sortiments auf Kosmetik sorgte schnell in den chinesischen sozialen Netzwerken für Gesprächsstoff. Im Kurznachrichtendienst Weibo wurden relevante Informationen zu diesem Thema bisher schon über 270 Millionen Mal gelesen und gesucht.
Pi Yan Ping ist nicht die einzige bekannte chinesische Marke, die auch ein Stück von der riesigen Torte „Schönheitsindustrie" haben möchte. Seit dem vergangen Jahr haben einige bekannte einheimische Marken unterschiedlicher Branchen Schönheitsprodukte vorgestellt, die vollkommen außerhalb ihrer bisherigen Produktpalette liegen. Die Grenzüberschreitungen sind mitunter geradezu kurios: So produziert das Palastmuseum, das auch als die Verbotene Stadt bekannt ist, beispielsweise Lidschatten, die Schnapsmarke Luzhou Laojiao stellt Parfüm her und die Süßigkeitenmarke Dabaitu Shampoo.
Ein bisher noch nie dagewesener Boom macht den Kuchen so groß und attraktiv. Angaben der Online-Einkaufsplattform Tmall zufolge, haben 589 einheimische Schönheitsmarken während des Einkaufsfests am 18. Juli mehr als doppelt so viele Produkte wie im vergangen Jahr verkauft. Dabei verzehnfachten 183 Marken sogar ihren Umsatz. Chen Xi, Manager für den Kosmetik-Sektor bei Tmall, erklärte:
„Kategorien wie Hautpflegeprodukte, Reinigungsprodukte, Make-Up-Entferner sowie Produkte mit höheren technischen Anforderungen wie Essenzen und Sonnencremes haben während des Einkaufsfests eine sehr gute Wachstumsrate aufgewiesen. Sie bedrohten sogar den Status internationaler Marken. "
Auch der traditionelle Verkauf dieser Produkte über den Einzelhandel ist von den schnellen Veränderungen in China betroffen. Die Kaufentscheidungen der Menschen, insbesondere die der jungen Leute, werden immer mehr von den bekannten Online-Schönheitsberühmtheiten beeinflusst. Diese Leute teilen ihre Erfahrungen zum Beispiel mit unterschiedlichen Schönheitsprodukten via Live-Übertragungen, in den sozialen Netzwerken, durch Vlogs und Blogs. Der Lippenstift-Experte Li Jiaqi beispielsweise hat während des Tmall-Einkaufsfests am 18. Juli nur durch eine Live-Übertragung 150.000 mal Lippenlack verkauft.
Die Make-Up-Bloggerin „Xiaomali Marye" hat bisher über 800.000 Followers online. Früher beschäftigte sie sich in ihrem Blog vor allem mit Produkten international bekannter Marken. Doch in der letzten Zeit bitten immer mehr Fans sie darum, mehr Produkte der einheimischen Schönheitslabels zu testen. Auf diese Nachfrage eingehend öffnet sie nun eine neue Spalte, in der sie einheimische Schönheitsprodukte, die man für weniger als 300 Yuan RMB (etwa 35 Euro) bekommen kann, testet und vorstellt.
„Seit zwei Monaten habe ich viele Produkte chinesischer Schönheitsmarken getestet. Die meisten davon sind ganz preiswert. Der Preis jedes Stücks liegt durchschnittlich unter 100 Yuan RMB (etwa 12 Euro). Man muss sagen, in diesem Preisrahmen ist die Qualität der meisten Produkte schon sehr gut ".
Marye sagte, sie habe den Eindruck bekommen, dass sich die Konsumgewohnheiten der jüngeren chinesischen Nutzer von Schönheitsprodukten langsam ändern. Ob es bei einem Produkt um eine internationale oder eine einheimische Marke handelt, scheine inzwischen für die jungen Verbraucher immer unwichtiger zu sein. Sie legten viel mehr Wert auf die Qualität und Effekte der Produkte.
Qi Zhanyou, Verkaufsmanager des chinesischen Kosmetikunternehmens Proya, sagte:
„Unser Vorteil liegt nicht nur im günstigen Preis. Wir achten viel mehr auf das „Preis-Leistungs-Verhältnis" der Produkte. Die Verbraucher zahlen für die Effekte. "
Das gute „Preis-Leistungs-Verhältnis" bilde die Kernkonkurrenzfähigkeit der einheimischen Schönheitsmarken, so Qi. Doch der Abstand zu berühmten internationalen Marken sei nach wie vor groß. Einheimische Hersteller müssten daher noch intensiver am Markenaufbau arbeiten.
Text Hu Hao