Sekunden vor dem Erdbeben am vergangenen Montag hörten die Einwohner im Hightech-Bezirk der Stadt Chengdu einen Countdown durch die Lautsprecher auf den Straßen: 60, 59, 58…. Dann setzte das Erdbeben ein.
Das präzise Erdbebenvorwarnsystem wurde im Jahr 2018 in 60 Gemeinden in der Hightech-Zone eingerichtet. Es erreicht über 80 Prozent der Anwohner. Dadurch können sich viele Leute rechtzeitig vor einem Erdbeben in Sicherheit bringen. Viele Internetuser würdigten nach dem Beben auf den sozialen Netzwerken das Vorwarnsystem in den Wohnvierteln.
„Meiner Meinung nach kann ein Vorwarnsystem wirklich viele Menschen retten. Man kann sich auf das Beben gut vorbereiten, selbst wenn man nur einige Sekunden vorher weiß, dass ein Erdbeben kommt."
Das Erdbebenvorwarnsystem basiert auf dem Internet der Dinge. Es verbindet viele komplizierte Sensoren zur Festlegung des Bebens mit einzelnen Endgeräten in normalen Haushalten. Bei einer Auslösung des Alarms hören die Anwohner nicht nur den Countdown durch die Lautsprecher, sondern sie empfangen auch einen Alarm über ihre Handys, Fernseher, Radios und andere vernetzte Endgeräte.
Wang Tun ist der Entwickler des Erdbebenvorwarnsystems und Gründer des Institute of Care-Life (ICL), eines privaten Forschungsinstituts zur Katastrophenvermeidung der Stadt Chengdu. Wang sagte:
„Bei dem Erdbeben in Sichuan 2008 hätten 20.000 bis 30.000 Menschen, also etwa 30 Prozent der Todesopfer, gerettet werden können, wenn es damals ein Erdbebenvorwarnsystem nach heutigem Standard gegeben hätte. Ein solches System warnt die Einwohner im Epizentrum mindestens 31 Sekunden vor dem Beben."
Wang stammt aus Dazhou, einer Stadt in der Provinz Sichuan. Nach dem katastrophalen Beben in Wenchuan entschied er sich, seine Promotion in Österreich abzubrechen und nach China zurückzukehren. Er wollte in seiner Heimat ein Erdbebenvorwarnsystem entwickeln, um in Zukunft Erdbebenopfer zu vermeiden.
2008 gründete er in Chengdu das Institute of Care-Life. Drei Jahre später schlug sein Vorwarnsystem erstmals vor einem Erdbeben an. Seither hat sein Vorwarnsystem 50 starke Beben fehlerlos vorhergesagt. Damit ist China nach Japan und Mexiko das dritte Land, das eine fortschrittliche Technik zur Erdbebenwarnung einsetzt.
Aktuellen Forschungen zufolge kann die Zahl der Todesopfer um 14 Prozent reduziert werden, wenn man drei Sekunden vor dem Erdbeben gewarnt wird. Bei einer Warnung zehn Sekunden oder sogar 20 Sekunden vorher können die Verluste jeweils um 39 Prozent und 63 Prozent reduziert werden. Aber ist ein landesweites Erdbebenvorwarnsystem nötig? Der User Likenan ist der Meinung:
„Ein Vorwarnsystem mit dem Internet der Dinge ist zum landesweiten Einsatz gar nicht nötig, weil viele Orte in China kaum von Erdbeben betroffen sind. Ein Aufbau eines solchen Systems ist verschwenderisch. Zudem kann der Countdown möglicherweise zu einer Massenpanik führen, wenn die Leute nicht gut ausgebildet sind."
Verfasst und gesprochen von Zheng An