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Musikalische Botschafter der deutschen Sprache in Asien: Jimmy Brainless und Elias Hirschl
  2019-06-10 14:45:32  cri

Die jungen Wiener Sprachkünstler Elias Hirschl und Jimmy Brainless tourten im April und Mai erfolgreich durch Asien. Eine Station war dabei auch die Deutsche Botschaftsschule Peking. Zum zweiten Mal nach zwei Jahren boten sie den Schülern und Gästen Lieder und Kurzgeschichten voller Wort- und Wahnwitz, Tiefgang und Spaß am Absurden und Abgründigen. Den Zuschauern gefiel's und selbst Deutschunkundige waren beeindruckt von der souveränen Performance der beiden bei diesem „Poetry Slam".

Hinter dem, was so leicht und vor allem authentisch rüberkommt, steckt neben Talent jede Menge Arbeit: Um überhaupt auf Tour gehen zu können, hatten die beiden zunächst einmal etliche Kultur- und Bildungseinrichtungen anschreiben müssen, was sich über ein Dreivierteljahr hinzog. Obwohl die Wortvirtuosen wie die bzw. der „Faust" aufs Auge passen würden, hatten sie dabei bislang bei den renommierten Goethe-Instituten wenig Glück.

Elias' erster Beitrag „Als Anna Clara traf", eine Geschichte aus seinem Buch „Glückliche Schweine im freien Fall", enthält als einzigen Vokal das „A" und viele Sätze mit Zungenbruchgefahr. Er fängt an: „Am Anfang war das All. Das All war all das, was da war. Da das All all das war, was da war, war das All all das, was man wahrnahm. Nahm man das all wahr, war man da". Dann steigert sich Elias furios zu einem lustigen Finale mit vielen Todesfällen:

„Adam starb nackt. Das Anthrax fraß Adams Tracht. Als Abraham dann Adam nackt sah, starb Abraham am Lachanfall."

Elias Hirschl überzeugte mit literarischen Texten.

Auch das Publikum fühlt sich gut unterhalten. „Entstanden ist der Text, weil ich einen Roman von Georges Perec lesen wollte, der heißt ‚Anton Voyls Fortgang', und es ist ein etwas speziellerer Roman, denn der ist komplett ohne den Buchstaben ‚E' geschrieben wurden."

Mit einer Sammlung skurriler Charaktere zeichnet Elias dann ein sehr sympathisches Bild seiner Heimatstadt: „Wien ist eine Stadt voller Wahnsinniger. Da schreit sich zum Beispiel ein Irrer tagtäglich von früh bis spät auf der Mariahilfer Straße in einer Höllenlautstärke die Stimmbäder kaputt – und niemand tut etwas dagegen. Ich meine: Wieso gibt ihm denn niemand ein Megafon oder ein Mandat. Er scheint ja offensichtlich etwas Wichtiges zu sagen zu haben."

Jimmy singt den zweiten Teil von „ausDRUCKslos": „Mein Traum vom Picknick wurde endlich wahr. Du gabst mir einen Korb und ich dir das Silberbesteck!" Es geht um Missverständnisse bzw. Verständnisvielfalt. „Ich wollt nur mit dem Müll rausgehen, wie könnte ich deine Abfuhr vergessen."

Ein gemeinsames Crossover handelt auch vom Nicht-Verstehen: „Sie haben sich wieder gestritten. Die Scherben liegen noch immer überall auf dem Boden verteilt, als sie mit vorsichtigen Schritten die Wohnung verlässt. Zuerst waren es nur Worte gewesen, die sie nach ihm geworfen hat. Aber irgendwann haben Worte nicht mehr ausgereicht und da ist sie zu Gläsern übergegangen…"

Vollblutmusiker Jimmy Brainless

Mit „Ritterburg" glückt Jimmy, der auch sich und Elias am Klavier und mit der Gitarre begleitet, sein Ziel eines nicht kindischen Kinderliedes ohne Babysprache.

Der Sänger antwortet später auf eine Frage aus dem Publikum, warum er sich Jimmy Brainless nenne: „Am Anfang wollte ich nicht ernst genommen werden, damit die Erwartungshaltung sehr niedrig ist, weil ich immer sehr Angst habe, kritisiert zu werden." Durch seinen Künstlernamen bleibe er auch ungestörter.

Elias, den YouTube-Videos früh für Poetry Slam begeisterten, erinnert sich an seine Anfangszeit so: „Der erste Auftritt war furchtbar. Das war ein ganz, ganz schlechter Text, denn ich hab komplett gehaspelt und man hat kein Wort verstanden und dann ist es so von Mal zu Mal besser geworden, Gott sei Dank."

Beide verarbeiten Erlebnisse aus ihrem Leben, so zum Beispiel Elias ein Radio-Interview mit einer Kollegin, die ihn damals kaum zu Wort habe kommen lassen: „Was war ihre intensivste Auftrittserfahrung, Crazy Jane? Ich geb' Lesungen in Hochsicherheitsgefängnissen. Sie haben mir angedroht mich zu ermorden, meine Mutter zu ermorden. Sie haben gesagt, sie finden raus, wo ich wohne, und bringen meine gesamte Familie um, aber nachdem ich ihnen etwas vorgelesen habe, waren sie alle still …

Elias? Ich bin mal in einem Jugendzentrum aufgetreten – und die haben gesagt: ich bin schwul. Dabei bin ich gar nicht schwul!"

Elias Hirschl begeistert auch mit seiner Erzählung „Die Affen", in der unendlich viele auf Schreibmaschinen tippende Affen in unbegrenzter Zeit nix a la Shakespeare, sondern eigentlich nur Affensch… zustande bringen: „Ein weiteres Mal wurde ein Drehbuchentwurf für eine der Bergdoktorfolgen gefunden …"

Die beiden Sprachkünstler haben ihren zweiten gemeinsamen China-Aufenthalt wieder genossen. Manchmal hätten sie die Ausmaße und Menschenmassen aber auch überfordert. „Wobei es dieses Mal wesentlich besser ist", wie Elias anmerkt. Jimmy ergänzt: „Sehr viel Ungewohntes, sehr viel Neues."

Elias und Jimmy ergänzen sich gut. Beide zeigen Beobachtungsgabe und Sprachgefühl. Die Pointen sitzen, das Spiel mit Kontrasten und der eigenen Stimme kommt so gut an wie ihre klugen Albernheiten. Und vor allem merkt man beiden an, dass sie auch selbst viel Spaß dabei haben. Bitte mehr davon!

Text und Fotos: Nils Bergemann

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