Auf dem chinesischen Festland begeht man seit der Gründung der Volksrepublik jeden 1. Juni den Internationalen Kindertag. Das Datum wurde im November 1949 auf einer Konferenz der Internationalen Demokratischen Föderation der Frauen in Moskau festgelegt. Warum im Juni? Denn im Juni 1942 wurden bei dem Massaker im tschechoslowakischen Dorf Lidice durch Nazi-Deutschland alle Säuglinge und die meisten Kinder ermordet.
Um den im Zweiten Weltkrieg gestorbenen Kindern auf der ganzen Welt zu gedenken und die Erwachsenen an die Rechte der Kinder zu erinnern, hat die Föderation beschlossen, den ersten Juni als Internationalen Tag des Kindes festzusetzen. China war damals ebenso auf der Konferenz vertreten. Die Volksrepublik hat diesen Beschluss angenommen und schützt die Rechte der Kinder per Gesetz.
Die Kinder Chinas sollen eine faire Bildung von guter Qualität erhalten. Dies bekräftigte der chinesische Staatschef Xi Jinping auf dem 19. Parteitag der KP Chinas im Jahr 2017. Dazu gehören laut Xi Jinping die Förderung der Vorschulbildung, die Umsetzung der allgemeinen Schulpflicht in der Stadt und auf dem Land und die finanzielle Unterstützung für Schüler in entlegenen und ländlichen Regionen.
Seitdem hat die Regierung eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Kluft bei der Schulbildung zwischen verschiedenen Landesteilen zu überbrücken. Ein Beispiel dafür ist die 15-jährige kostenlose Schulbildung im autonomen Gebiet Tibet. Die Wirtschaft und Gesellschaft auf dem Hochplateau im Südwesten von China ist im Vergleich zu den anderen Teilen des Landes eher rückständiger. Deshalb ist es besonders notwendig, intensiver in das autonome Gebiet zu investieren, damit die Kinder hier allmählich ihre Altersgenossen einholen können. Dieses Bildungsprojekt sieht vor, dass in der Phase von Kindergarten bis Mittelschule neben einem kostenlosen Schulbesuch auch die Kosten für das Essen und die Unterkunft von der Regierung getragen werden. Durch die langjährigen Investitionen wird das Bildungswesen von Tibet verbessert. Der 64-jährige Dongjie aus dem Kreis Pome war Tibetischlehrer an einer Oberschule. Er hat die Veränderungen des Bildungssystems in Tibet persönlich erlebt.
„Früher besuchten wenige Kinder die Schule, insbesondere auf dem Land. Seit der Einführung der neunjährigen Schulpflicht gehen immer mehr Kinder zur Schule. Die Regierung hat viel in die Schulen investiert. Alle Grund- und Oberschulen bieten Tibetisch-Unterricht an."
Ein starkes Land basiert auf einem gut gebildeten Volk. Die Vorschulerziehung ist der erste Schritt dahin. Die chinesische Regierung hat in den letzten Jahren die Entwicklung von Kindergärten gefördert und dafür gesorgt, dass auch die Kinder in entlegenen Regionen den Zugang zu einer qualifizierten Vorschulerziehung erhalten.
Neben dem Kindergarten ist die Erziehung in der Familie auch ein wichtiger Bestandteil der Vorschulerziehung. Die stellvertretende Rektorin der Pädagogischen Universität Hainan, Guo Jianchun, sagt, vor allem Kinder unter drei Jahren seien von der Familie am stärksten abhängig. Auf dem Land würden diese Kinder zum Großteil von den Großeltern betreut, aus diesem Grund sei das Wissen über Kindeserziehung meist rückständig. Gleichzeitig würden politische Maßnahmen und die finanzielle Unterstützung nicht gut genug umgesetzt. Guo fordert daher, neben der Politik und der finanziellen Unterstützung sollten die Eltern dieser Kinder ausreichend ausgebildet werden. Dafür werden extra Schulen für Eltern benötigt.
„Bei der Ausbildung der Eltern sollten Zwangsmaßnahmen oder Kontrollmaßnahmen ergriffen werden. In den Wohnvierteln sollten spezielle Lehranstalten für Eltern gegründet werden und sie sollten Unterstützung bei der Ausstattung und den Kosten erhalten. Hierbei befindet sich China derzeit noch in einer Aufbauphase."
Nur weil ein Kind eine gute Vorschulerziehung bekommen und kostenlos die Schule besuchen kann, bedeutet das aber nicht, dass es keine Probleme mehr gibt. In Linxia, einem autonomen Bezirk der Hui-Nationalität in der westchinesischen Provinz Gansu, müssen einige Eltern sich vor Gericht verantworten, weil sie ihre Kinder von einem Schulbesuch ferngehalten und damit gegen das Gesetz verstoßen hatten. Bei der Durchführung der neunjährigen Schulpflicht folgt die lokale Regierung dem Motto „Keiner darf fehlen".
Die Dritte Mittelschule in Linxia wurde im September 2015 eröffnet und hat eine Gesamtfläche von 66.700 Quadratmetern. Neben den Klassenzimmern und Sportplätzen verfügt sie auch über Unterkunftsmöglichkeiten für 1.500 Schüler. Der stellvertretende Direktor der Schule, Song Xiaoping, erklärt die Maßnahmen, um einem Schulabbruch vorzubeugen.
„Wir setzen uns zu Beginn jedes Semesters dafür ein, dass keiner die Schule abbricht. Wenn die Schüler nicht rechtzeitig wieder an der Schule sind und sich anmelden, kontaktieren wir ihre Eltern. Die meisten Schüler kommen aber pünktlich wieder zurück. Die Schüler, die wir nicht erfolgreich überreden können, werden mithilfe des Bildungsamtes und -büros jeder Gemeinde noch einmal überzeugt. Bislang hat keiner unserer Schüler die Schule abgebrochen."
Trotzdem gibt es ab und zu immer noch Familien, die ihre Kinder aufgrund der finanziellen Situation direkt nach der sechsjährigen Grundschulzeit arbeiten lassen. Dann müssen rechtliche Schritte eingeleitet werden. Der Direktor des Rechtsbüros beim Bildungsamt von Linxia, Ma Xu, sagt:
„Dem Gesetz über die neunjährige Schulpflicht folgend werden die Vormunde und Eltern verklagt und aufgefordert, ihre Kinder zur Schule gehen zu lassen. Sie erkennen dann, dass sie gesetzwidrig handeln und schicken ihre Kinder wieder zur Schule. Viele arbeitende Kinder sind dadurch in die Schule zurückgekehrt. Dann erhalten sie Subvention und wir versuchen, ihr Leben einfacher zu machen."
Chinas Staatspräsident Xi Jinping hat den Hauptwiderspruch im heutigen China als den Widerspruch zwischen dem wachsenden Bedürfnis der Bevölkerung nach einem besseren Leben und der unausgeglichenen und unvollständigen Entwicklungssituation definiert. Dieser Widerspruch spiegelt sich natürlich auch im Bildungswesen wider. Wenn man aber ein Problem erkennt und beginnt zu handeln, dann ist das Problem bereits zur Hälfte gelöst. Durch effektive Maßnahmen und deren ernsthafter Umsetzung soll am Ende eine flächendeckende Bildung für alle Kinder in China geschaffen werden.