KKKurios20190402
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In Chinas großen Tech-Firmen ist es eine ungeschriebene Regel: 996. Erwartet wird, dass die Angestellten von neun Uhr morgens bis neun Uhr abends, sechs Tage die Woche am Arbeitsplatz sind. Das soll eine besonders hohe Arbeitsmoral zeigen. Ob man in dieser Zeit arbeitet oder nur körperlich, nicht aber geistig präsent ist, scheint nebensächlich zu sein. Laut abacus, einer News Website, die zur South China Morning Post gehört, haben sich mehrere große Tech-Firmen zu der 996-Regelung bekannt. Unter anderem seien bei Xiaomi, Alibaba, JD.com und ByteDance Sechs-Tage-Wochen mit Zwölf-Stunden-Tagen normal.
Freizeit? Fehlanzeige. Work-Life Balance? Gibt es nicht. Der jungen Generation, die derzeit in den Arbeitsmarkt eintritt, stinkt das. In Internetforen sprechen Betroffene über die Gefahren für das Familienleben und die Gesundheit. Die Kritik an 996 wächst. Besonders die Generation der Millennials spricht sich immer lauter gegen unbezahlte Überstunden und Wochenendarbeit aus, berichtet auch die BBC. Diese Generation verfügt sowohl über eine gute Ausbildung als auch über den finanziellen Rückhalt ihrer Familien, und sie sind sich ihrer Rechte bewusst. Damit einher geht das Selbstbewusstsein, die für selbstverständlich angesehenen Arbeitsbedingungen in Frage zu stellen.
Dank der vielen Überstunden bleibt vielen Chinesen nämlich kaum Freizeit. Im Durchschnitt hatten die Chinesen im Jahr 2017 pro Tag 2,27 Stunden Freizeit zur Verfügung, berichtet die Zeitung China Daily. Noch weniger als drei Jahre zuvor, da waren es 2,55 Stunden pro Tag. Die Einwohner der Megastädte Shenzhen und Guangzhou – beides bedeutende Industriestandorte am Perlflussdelta – kommen sogar nur auf 1,94, beziehungsweise 2,04 Stunden Freizeit pro Tag. In Ländern wie den USA, Deutschland und Großbritannien hätten die Menschen dagegen knapp fünf Stunden Freizeit pro Tag, also fast doppelt so viel wie in China, so China Daily.
Nunja, dann aber wenigstens im Jahresurlaub mal so richtig ausspannen vom harten Arbeitsalltag? In China eher unwahrscheinlich. Fünf Urlaubstage im Jahr sind für chinesische Angestellte üblich. Kein Vergleich zu den in Deutschland gesetzlich festgelegten 24 Urlaubstagen pro Jahr, die einem Angestellten in Vollzeit mindestens zustehen.
Doch es gibt Hoffnung. Laut einem Bericht der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften (CASS) von 2018 zeichnet sich eine Vier-Tage-Woche für chinesische Angestellte ab. Der Bericht erklärt, dass ab 2020 in großen und mittleren staatlichen Unternehmen in Ostchina mit einer Vier-Tage-Woche (36 Stunden) experimentiert werden solle. Ab 2030 solle die Vier-Tage-Woche mit drei freien Tagen chinaweit umgesetzt werden.
Generell zeigen die Debatten über die Arbeitszeit, dass ein Umdenken in der Gesellschaft stattfindet. Mit wachsendem Wohlstand und Fortschritt wächst auch der Wunsch, zu arbeiten, um zu leben – und nicht umgekehrt.