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Tianducheng nahe Hangzhou
Chinesen müssen theoretisch China gar nicht verlassen, um die Welt zu sehen. Die schönsten Plätze, Dörfer und auch Metropolen der Welt – die imposantesten Bauwerke inklusive – finden sich auch im Reich der Mitte: Der Eiffelturm, englische Tudor-Häuser, ein komplettes Alpendorf.
Sogar Niedersachsens Hauptstadt, die selbst Eingeborenen und architektonisch Verwirrten nicht unbedingt als ein Highlight städtebaulicher Kunst gilt, war in der chinesischen Sechsmillionenstadt Changde tatsächlich Vorbild für ein deutsches Viertel an der Uferpromenade des Chuanzi-Flusses. Mit dem Viertel rund um die „Hannoversche Straße" sollen Touristen und Unternehmen aus Deutschland und insbesondere aus Hannover angelockt werden. Natürlich hatte es einen Grund, dass ausgerechnet Hannover als architektonische Vorlage für ein 370 Millionen-Euro-Projekt gewählt wurde: Eine langjährige Städtepartnerschaft und der Besuch von Ingenieuren aus Hannover stecken dahinter. Trotz seines zweifelhaften Charmes spricht also einiges dafür, dass Hannover in China langfristig funktionieren könnte.
Paris in China hat dagegen versagt. Seit 2007 und nach fünfjähriger Nachbauzeit gibt es nahe Hangzhou in der Provinz Zhejiang ein kleines Paris, das hier Tianducheng heißt und in dessen Zentrum ein kleiner Eiffelturm von 108 statt 325 Meter Höhe steht. Für französisches Flair sollen auch die Wohnhäuser im Pariser Stil der Jahrhundertwende, Parkanlagen und Brunnen sorgen. Platz für bis zu 100.000 Bewohner ist hier.
Im Süden Chinas, nahe der Stadt Huizhou, wurde das österreichische Dorf Hallstatt mit den pastellfarbenen Häusern, dem kleinen See und der Kirche in nur einem Jahr für 650 Millionen Euro in der 800.000-Einwohnerstadt Boluo nachgebaut: eine Alpenidylle mit subtropischen Klima und Palmen. Zielgruppe sind Wohnungssuchende mit Geld. Der Hallstätter Bürgermeister Alexander Scheutz sagte bei der Einweihung des Klons vor sechs Jahren, er sei „sehr stolz", dass sein Dorf in China nachgebaut wurde. Einen positiven Nebeneffekt haben das chinesische Hallstatt und die vielen Medienberichte für das österreichische Original: Etliche chinesische Reisebüros haben inzwischen Hallstatt in ihr Programm aufgenommen.
2005 entstand nahe Chengdu „British Town", das städtebaulich an Dorchester angelehnt ist. Und seit 2006 haben die Chinesen auch ihr Little London in der Satellitenstadt Songjiang, nahe Shanghai. Es gibt Fish-and-Chips-Buden, Pubs und Reihenhäuser, natürlich alles im gregorianischen und viktorianischen Stil. Songjiang Thames Town, so der offizielle Name, ist eine reine Villensiedlung. Die 66 Meter hohe Kathedrale, deren Original in Bristol steht, ist gefragt als Hintergrund für Hochzeitsfotos. Rund um Shanghai gibt es auch kleine Versionen von Barcelona und Venedig sowie das skandinavisch anmutende Nordic Town.
Aber Deutsches ist in China besonders gefragt. Und so ist „Anting German Town" nahe Shanghai, so etwas wie eine deutsche Neubausiedlung im Bauhausstill. Platz ist hier für 20.000 Einwohner. Und ein Brunnen weist sogar Statuen von Goethe und Schiller auf. Verantwortlich für den Nachbau ist das Frankfurter Architektenbüro Albert Speer & Partner. Zielgruppe solcher europäisch inspirierten Städte ist vor allem die obere Mittelschicht, deren Angehörige ein Faible für Europa haben. In der deutschen Stadt sind die meisten Wohnungen schon verkauft.
Die Europäer brauchen aber keine Angst zu haben, dass Chinesen wegen der Kopien nicht mehr verreisen. In China holen sie sich nur Appetit.