kkkurios20180814-schlafen
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Ach schon wieder 11:30 Uhr! – Zeit für die Mittagspause! Brotbüchse auf. Lecker, ich hatte doch noch etwas Körnerbrot vom Biobäcker zuhause. Das muss weg. Darauf natürlich Salami. Nebenbei mache ich schnell noch die Flipchart und die Power Point fertig. Dann hat sie Günther, der Human Resources Director, gleich nach der Pause parat. – Oh nein, mein Intranet Login ist abgelaufen. In der Pause kriege ich doch keinen von der IT hier her.
Ein solch regelrechtes Horrorszenario würde in China nicht passieren. Denn da hätte auch unser fiktiver Freund mit der Brotbüchse ganz geregelt seine Pause genossen.
Bekannt ist ja das Klischee der ständig abreitenden Chinesen. Wie bei jedem Klischee mag da etwas dran sein, aber in der Mittagspause wird geschlafen. Kein vernünftiger Arbeitstag ohne Mittagsschlaf.
Mittagsschlaf kennen wir in Deutschland eher von kleinen Kindern und Senioren. Man mag sich vielleicht daran erinnern, wie man als Kind oft zum Mittagsschlag genötigt werden musste. Das ist hier nicht so viel anders, wie mir ein chinesischer Kollege beipflichtet, doch Aufhören mit Mittagsschlaf ist auch keine Option:
„Ich glaube, es ist schon eine lange Tradition, oder sagt man Gewohnheit, in China, dass man zum Mittag schläft. Als ich klein war, als ich die Schule besuchte, da gehörte es sogar zu den Schulregeln, mittags ein bis zwei Stunden zu schlafen, im Klassenzimmer, am Tisch. Und man hört auch oft ein Sprichwort, das heißt auf Chinesisch中午不睡下午崩溃 [zhongwu bu shui, xiawu bengkui], also wenn man mittags nicht schläft, kollabiert man am Nachmittag."
Mein Kollege erklärte mir, dass er an sich selbst merkt, wie seine Leistungsfähigkeit nach etwas Mittagsschlaf steigt. Zum Glück ist dieses Verständnis schon lange in China angekommen. Die Pausen sind oft etwas früher und länger als in Deutschland. Das gilt im ganzen Land, anders als wie bei so vielen Sachen gibt es beim Pausenverhalten keinen wirklichen Unterschied zwischen Nord- und Südchina. Die überraschend lange Pause wird für Kantine und Schlaf genutzt.
Geschlafen wird dann mit dem Kopf auf dem Tisch oder mit dem Kopf etwas ungesund hängend, im Sitzen oder gar im Liegen. Nicht selten sind die Schreibtische in den Büros präpariert mit leicht versteckten Feldbetten oder Liegestühlen. Der Chef erlaubt es, also gibt es keine wirkliche Scheu vor dem Wegnicken, wie in Deutschland. Gegen eins schläft der Verkäufer im Konsum ganz gemütlich mit dem Kopf auf dem Kassentisch. Wenn man etwas zu spät das geliebte Pausenrestaurant erreicht, mag man sogleich etwas schambehaftet rückwärts wieder hinausgehen, da man die gesamte Kundschaft nicht aus dem verdienten Schlaf wecken möchte.
Ein Land fast so groß wie der gesamte europäische Kontinent – nur eine Zeitzone – alle schlafen zu ähnlichen Zeiten. Ein absurdes Bild doch der Effizienz am Arbeitsplatz scheint dies umso förderlicher zu sein. Und gesund ist es ja auch noch.
Text: Maik Rudolph