Hidden Man
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Eine Rachegeschichte, eine Gangsterkomödie, ein Historiendrama, ein Kung-Fu-Spektakel und das alles auf einmal in einem Kinofilm mit Überlänge – kann das gut gehen? Nein, aber es macht streckenweise viel Spaß, Jiang Wens „Hidden Man" beim Scheitern zuzusehen.
Wenn der chinesische Kultregisseur Jiang Wen auf den Spuren Quentin Tarantinos wandelt und Orgien der Gewalt veranstaltet, die so übertrieben und so schön choreografiert sind, dass die Kenner unter den Zuschauern lachen, ist er brillant.
Die grandiose Anfangsszene ist ein Versprechen, dass Jiang leider nicht hält: Der noch sehr junge Kampfkünstler Li Tianran (Eddie Peng), muss ansehen, wie sein Meister in den Kopf geschossen und andere geköpft werden. Den für ihn bestimmten Kugeln kann er dank seiner übermenschlichen Reflexe ausweichen. Aber er wird doch noch gefangen und zusammen mit den anderen angezündet… Als der Zuschauer schon denkt, die Bösen rund um den japanischen Spion Ichiro Ichiro hätten ihr Werk vollendet, rennt der Junge brennend durch den Schnee an das Auto eines amerikanischen Arztes, der ihn bei sich aufnimmt.
Mehrere ästhetische Operationen und offenbar tausende von Kampfkunstlektionen später soll der nun gestählte junge Mann und frisch gebackene Arzt für einen Undercover-Einsatz zurück nach Beijing. Er heißt jetzt nicht ohne Grund mit Vornamen Bruce. Jiang verweist oftmals auf den großen Lee.
Wir schreiben das Jahr 1937 und die Chinesen sind gerade nicht so gut auf die Japaner zu sprechen. Beijing ist in dieser Zeit so etwas wie eine Spionagehauptstadt und die Leute wissen nicht einmal, ob sie sich selbst trauen können.
Der 55-jährige Regisseur von „Devils on the Doorstep", der den Grand Prix bei den Filmfestspielen von Cannes 2000 gewann, will mit diesem Film offenbar die Zuschauer ärgern. Abseits der Tarantino-mäßigen Splatter-Elemente und der doppelbödigen Gangstergeschichte von Verrat und Gegenverrat hat er eine Pseudoliebesgeschichte eingebaut, in der der junge Held Li Tianran gefühlte tausend Mal über die Dächer von Beijing zu seiner Verehrten sprintet und nichts passiert. Als sie wieder nicht in Stimmung ist, rennt er aggressiv über die Dächer und springt hinab zu den Japanern, die gerade essen. Er vermöbelt ein Dutzend auf brutalste Art und Weise und jagt danach das Sprengstoffdepot in die Luft. Zurück bei seiner Angebeteten deutet er auf das Feuer in der Abenddämmerung. Sie lächelt ihn an. Das ist definitiv das abartig schönste Vorspiel der Filmgeschichte.
Jiang ist ähnlich zitierfreudig wie Tarantino. Ob Jiang nun aber „Über den Dächern von Nizza" oder jüngere chinesische Kung-Fu-Filme zitiert, die sich auch meist in luftiger Höhe abspielen, interessiert die Zuschauer nicht. Diese finden den Mittelteil des Films zu lang und zu langweilig. Jiang Wen hätte den Film kürzen und einfach mehr Kampf- und Actionszenen einbauen sollen. Es scheint so, als wolle er extra keinen runden und gefälligen Streifen abliefern. Egal. Jedenfalls wirkten viele Zuschauer enttäuscht, gerade, weil einige Szenen so genial sind.
Die Schwertkampfszene, die Szene mit der Handgranate und der Schlusskampf mit den vielen Pistolen sind einfach klasse. Ein Stückchen Eis und gezogene Zähne als Waffe, ein halbtoter Schwertkämpfer als Zaungast eines Kampfes und eine Selbstmörderin aus Scham – die Einfälle sind so gut wie grenzwertig. Die Schnitt-Technik erinnert an Stanley Kubrick, die Gemetzel an Quentin Tarantino und die surrealen Momente an Salvador Dali.
Der 137-minütige „Hidden Man" ist ein spannender und gleichzeitig langweiliger Neo-Western, der aber selbst in den schlechtesten Szenen noch Genie beweist. Das Beste ist natürlich, dass der junge Held seine Gegner immer wie Bruce Lee heranwinkt, bis seine Hybris ausgerechnet durch einen super bösen Japaner geerdet wird.