Wir über uns Kontakt Jobs Fragen? Archiv
Totengedenktag in China: Mit dem Gelben Kaiser einen Drachen steigen lassen
  2018-04-06 15:48:40  cri

Am letzten Programm-Tag unserer fazinierenden Erkundungsfahrt durch die Provinz Shaanxi, am chinesischen Totengedenktag, begaben wir uns ins Reich der Legenden. Der Weg dorthin, zum Mausoleum des Gelben Kaisers (Huangdi ling), führte uns über gefühlte 5.000 Stufen hinauf auf dem Qiaoshan-Berg im Kreis Huangling. Es war ein wunderschöner Ausflug durch die Natur.

Der Legende nach ist der Gelbe Kaiser (Huangdi), der als der gemeinsame Vorfahre aller Han-Chinesen gilt, dort begraben. In einer Zeremonie wurde an diesem Platz dem Kaiser und allgemein den Toten gedacht, zum Beispiel mit Räucherpapier, offenem Feuer und anderen Gesten der Ehrerbietung. Seit 1961 steht das Mausoleum auf der Liste der Denkmäler Chinas. Die Opferzeremonien gehören zum immateriellen Kulturerbe des Landes.

Das Gedenken an die Toten hat in China eine unvorstellbar lange Tradition und ist auch sagenumwoben. Was für die Mexikaner der Día de Muertos, der Tag der Toten, und die Deutschen der Totensonntag ist, ist für die Chinesen das Qingming-Fest.

Qingming bedeutet übersetzt in etwa „helles Licht". Am Qingming-Tag werden traditionell die Gräber gefegt, mit Blumen und Gaben belegt, welche den Toten zu Lebzeiten gefallen hätten. Es wird auch spezielles Papier anstelle von echtem Geld verbrannt, sogenanntes Totengeld, aber auch Papieranzüge und kleine Autos aus Papier werden dem Feuer übergeben – sie sollen so zu den Toten gelangen.

Im Kulturpark des Gelben Kaisers fiel das Qingming-Fest gleich mehrere Nummern größer aus als am Mausoleum: Ich schätze, dass hier weit mehr als 1000 Menschen dem Gelben Kaiser und der Toten gedachten. Allein über hundert Studenten in Trainingsanzügen nahmen als freiwillige Helfer teil. Das Presseaufgebot war auch gewaltig, neben den zukünftigen Geschwistern China Radio International, China National Radio und CCTV waren noch unzählige weitere Medien am Start – mit Kamera und Stift bewaffnet.

Mit Äxten und Speeren aus Styropor sowie Fahnen und Schirmchen waren die Darsteller des kaiserlichen Heeres und Hofstaates ausgestattet. In opulenten Kostümen marschierten sie feierlich ein und zeigten auf der großen Bühne eine großartige tänzerische und musikalische Aufführung – zu Ehren der Toten.

 

Das Qingming-Totengedenkfest fällt nach dem chinesischen Mondkalender auf den 106. Tag nach der Wintersonnenwende (Dong-Zhi), also auf den 4. oder 5., selten auch auf den 6. April. Darum ist der Tag des Qingming-Festes einer der 24 Tage, mit denen nach dem chinesischen Mondkalender das Jahr unterteilt wird. Nach dieser Zeiteinteilung richten vor allem die Bauern in Nordchina noch heute die Aussaat und Ernte aus.

Das Fest, das auch als Gräberreinigungstag bekannt ist, hat eine Geschichte von mehr als 2.500 Jahren. Damals waren die Zeremonien, die wohlhabende Beamte und Adlige zu Ehren ihrer Vorfahren auf das ganze Jahr verteilt abhielten, so prahlerisch und verschwenderisch, dass während der Tang-Dynastie Kaiser Xuanzong den Qingming-Tag einführte, damit alle nur noch den Toten an einem Tag ihren Respekt erwiesen.

Im mythenreichen China gibt es zur Entstehung des Toten-Festes aber natürlich auch eine Legende: So lebte vor mehr als 2.000 Jahren Kronprinz Chong Er mit seinem treuen Diener Jie Zitui unter kargsten Bedingungen im Exil: Jie Zitui schnitt eines Tages ein Stück Fleisch aus seinem Körper aus, um seinem Herrn vor dem Hungertod zu bewahren.

Als Chong Er wieder in seine Heimat zurückkehren konnte und König wurde, wollte er seinen Retter reich beschenken. Der lehnte aber alles ab und zog stattdessen mit seiner Mutter ins Gebirge. Der König akzeptierte das nicht und ließ die Wälder abbrennen, damit sein Diener zurückkehren musste. Dabei starben Jie Zitui und seine Mutter.

Um dem treuen Jie Zitui zu gedenken, erklärte Chong Er dessen Todestag zu dem Tag, an dem kein Feuer gemacht werden darf. Und an dem folgenden Tag sollte der Toten gedacht werden. Mit der Zeit verschmolzen die beiden Tage zu einem Festtag, dem Qingming-Fest.

Auch, wenn der Gelbe Kaiser (Huang Di) das jetzt sicherlich nicht gerne hört, auch er gehört tief ins Reich der Mythen. So soll seine Mutter der Legende nach von Blitzen geschwängert worden sein und dann 20 Jahre schwanger gewesen sein. Als Huang Di zur Welt kam, konnte er gleich sprechen, was mir angesichts der langen Vorbereitungszeit nicht ungewöhnlich erscheint.

Neben anderen herkulischen Heldentaten, fertigte der Gelbe Kaiser aus der Haut des mythischen Wesens Kui, das das Wetter beeinflussen kann, mal so eben eine Trommel. Die Wandlung der Mythengestalt zur historischen Figur erfolgte während der Zhou-Zeit. Seitdem zählt Huang Di zur Gruppe der chinesischen Urkaiser. Er soll fast hundert Jahre im Amt gewesen sein.

Auch die Qingming-Feierlichkeiten können länger dauern, als man denkt. Manchmal beginnen sie schon zehn Tage vor dem offiziellen Festtag und sie können bis zu einem Monat nach dem Fest andauern.

Da das Qingming-Fest im Frühling ist, lädt es zu einem Ausflug ins Grüne ein. Bei einem Picknick wird dem traurigen Anlass etwas von seiner Schwere genommen. Das Qingming-Fest wird auch als Taqing-Fest genannt, was man in etwa mit „auf grünes Gras treten" übersetzen könnte. Viele Familien lassen an dem Festtag auch einen Drachen steigen. Und so geschah es auch jetzt im Kulturpark des Gelben Kaisers, nur, dass dieser Drache hier Dutzende von Metern maß und mit musikalischer Begleitung von einem Riesenballon gezogen im Himmel verschwand.

Text und Bilder: Nils Bergemann

© China Radio International.CRI. All Rights Reserved.
16A Shijingshan Road, Beijing, China