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Kreisende Walnüsse
  2017-12-12 09:51:51  cri

Der junge Mann in der U-Bahn hat kein Handy in der Hand. Das für sich betrachtet, ist schon ungewöhnlich. Auf seiner linken Handfläche liegen zwei Walnüsse. Will er sie jetzt knacken und dann essen? Nein, er lässt sie mithilfe seiner Finger geschickt umeinander kreisen. Sein Gesicht strahlt dabei Ruhe und Zufriedenheit aus. Aber was macht er da eigentlich genau?

„Das verbessert meine Stimmung, besonders, wenn ich unterwegs bin oder mit dem Zug fahre. Das bringt auch meinen Blutkreislauf in Schwung. Ich spiele damit fast jeden Tag. Ich habe viele Freunde, die auch mit so was spielen. Du kannst auch auf der Straße viele Leute sehen, die damit spielen."

Das Walnusskreisen hat in China eine sehr, sehr lange Tradition. Schon während der Han-Dynastie vor etwa 2000 Jahren sollen sich die Menschen mit Walnüssen die Hände massiert und dadurch verschiedene Akupunkturpunkte der Hand aktiviert haben. Die Praxis dieser sogenannten Walnusstherapie erreichte am Ende der Ming-Dynastie vor 500 Jahren ihren vorläufigen Höhenpunkt.

Für Handmassagen sind wilde Walnüsse besonders gut geeignet, weil ihre Schalen härter als die von kultivierten sind. Je länger Walnüsse benutzt werden, desto dunkler und gleichzeitig durchscheinender wird ihre Schale. Man nahm lange an, dass mit den Hautpartikeln und dem Blut des Benutzers auch dessen Eigenschaften auf die Schalen übertragen würden. Gebrauchte wilde Walnüsse sind demnach kleine einzigartige Persönlichkeiten – mit teilweise hohem Sammlerwert.

Frau Wu verkauft Walnüsse in allen Formen, Größen und Farben. Sie hat einen kleinen Stand im Untergeschoss einer großen Schopping Mall im Westen von Beijing.

„Es gibt so viele Menschen, die damit spielen, ich kann nicht so gut erklären, warum, aber ich denke, es gibt eine Verbindung zu den alten Zeiten. Früher wurde das im Tempel gemacht. Die Mönche nutzten das zum Beten. Aber jetzt ist es für die meisten eine Art sportliches Spiel für die Hand. Die Beweglichkeit der Finger wird dadurch verbessert. Junge Leute tragen manchmal auch ein Armband aus kleineren Nüssen als Schmuck. Reibt man mehrere Nüsse in der Hand aneinander, werden sie immer glatter und schöner. Zurzeit gibt es kaum noch Verbindungen zum Buddhismus. Natürlich gibt es noch ein paar Leute, die das zum Beten benutzen. Im Tempel lassen sich die Nüsse am besten verkaufen. Meine Familie spielt nicht viel. Aber zurzeit spielen viele junge Leute damit."

Bevor die Leute damit spielen können, durchlaufen die Nüsse einen mehrstufigen Prozess. Zuerst werden sie sehr vorsichtig geöffnet und vom Gehäuse befreit. Dann werden die Schalen in Wasser getränkt, später zusammengefügt und poliert.

Der Nusskern spielt keine Rolle. Die Schalen sind das Wertvolle. Sie können mehr als ihr Gewicht in Gold kosten. Im Internet werden Walnüsse für ein paar Hundert Euro angeboten. Besonders prächtige Nüsse gelten als Statussymbol und werden von den oberen Zehntausend gern verschenkt. Durch den Wirtschaftsboom in China wuchs die Nachfrage, besonders unter Neureichen, und die Preise gingen durch die Decke. So wurden auch schon Walnüsse für mehr als 20.000 Euro verkauft. Grundsätzlich gilt: Je größer und dunkler eine Nuss ist, desto teurer lässt sie sich verkaufen.

Die Nüsse eignen sich auch zum Glücksspiel: Man verkauft sie mit ihrer grünen Hülle zu einem festen Preis und der Käufer sieht dann erst nach dem Schälen, ob er die 20.000-Euro-Nuss ergattert hat oder eine Walnuss, die gerade mal ihren Kern Wert ist.

Wer in China war, sieht Walnüsse mit anderen Augen: Die Nüsse machen fit, angeblich auch im Kopf, sie sollen böse Geister vertreiben können und sie sind offenbar eine sehr gute Wertanlage.

Text und Fotos: Nils Bergemann

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