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Chinesisches Online-Dating: Station für die Liebe
  2015-09-01 13:24:31  CRI

 

Foto: Sohu.com

"Herzlichen Glückwunsch! Zhou Yuan mag dich! Ihr könnt jetzt mit Eurem Chat beginnen!" Diese Nachricht schickt die Dating-App „Tantan" bei einem Selbstversuch am chinesischen Valentinstag, nachdem ein gegenseitiges „like" abgegeben wurde. An diesem siebten Tag des siebten Mondmonats, der in diesem Jahr auf den 20. August fällt, tummeln sich besonders viele Kandidaten auf der Dating-Plattform – Zu wohl keinem anderen Zeitpunkt wird die Einsamkeit in dieser Deutlichkeit vergegenwärtigt: „Liebe suchen" ist das Stichwort der App, von dem auch die chinesische Sängerin Ji Rujing voller Leidenschaft singt.

"Tantan" – auf Deutsch so viel wie "erkunden", "herausfinden" – wird weitläufig als Kopie des amerikanischen Vorbilds „Tinder" aufgefasst. Tatsächlich stimmen die Funktionen nahezu vollständig überein: Mit dem kostenfreien Profil kann auf eine grenzenlose Datenbasis aus anderen Suchenden zugegriffen werden. Ein Wisch über das Display entscheidet nach dem Prinzip „hot oder not" für oder gegen eine Kontaktaufnahme. Findet der Kandidat auch mich für treffenswert, so wird die Kommunikation „freigeschaltet". Es gibt zahlreiche Angebote, die nach einem ganz ähnlichen Schema funktionieren, etwa Momo, Jiayuan, Baihe und Zhen'ai. Alle fallen sie in die Kategorie der "Hunlian zhan" – der "Heirats- und Liebes-Stationen". Offiziell liegt die Betonung also weniger auf unverfänglichen Bekanntschaften. Vielmehr geht es hier ganz ernsthaft um die Suche nach einem Partner fürs Leben – Wobei Ausnahmen bekanntermaßen die Regel bestätigen. Im Chat eines Anbieters schreibt User Wanling, wie die Dating Apps den Heiratsmarkt aufmischen:

„Noch vor zwei Jahren war die erste Wahl eine Heiratsvermittlerin. Man gab ihr ein Honorar, damit sie den passenden Ehemann herauspickte. Auch die Eltern stellten einem ununterbrochen potentielle Partner vor, das war ganz schön nervig. Viel lieber zahle ich heute für die Dating-App einen geringen Jahresbeitrag und kann selbst nach Lust und Laune mit nur einigen Klicks den geeigneten Partner finden."

Der Überdruss der jungen Chinesen, dem Heiratsdruck der Eltern standhalten zu müssen, ist einer der wesentlichen Faktoren für den rasanten Aufstieg der digitalen Datingbranche in China. Ein weiterer Faktor ist die hohe Urbanisierungsrate. Bewohner vom Land begeben sich zum Arbeiten oder Studieren in die großen Städte und sind bei ihrer Ankunft oftmals völlig auf sich gestellt. Auf Weibo bloggt Hunan Laohu:

„Ich bin zum Arbeiten aus dem ländlichen Hunan nach Beijing gekommen. Bei meiner Ankunft fühlte ich mich sehr einsam und war zu schüchtern, um auf andere Leute zuzugehen. Da lag es nahe, mit einen paar Klicks nach Freunden und vor allem nach einem Partner zu suchen. Das Online-Dating hat gut geklappt, ich würde es jedem weiterempfehlen. Natürlich musst du dir einen seriösen Anbieter auswählen."

Tatsächlich tummeln sich auf dem chinesischen Markt für Online-Dating auch viele schwarze Schafe. Zu Beginn des Jahres führte die Cyberspace Administration of China eine große Säuberungsaktion durch und ließ 170 Dating-Portale schließen. Die großen "legalen" Anbieter von Dating-Serviceleistungen sehen sich als Gewinner. Shang Koo, CFO von Jiayuan, erläutert:

"Es handelte sich um kleinere Firmen, die sich nicht an die Regeln halten wollten und mitunter sogar Dienste in Pornographie und Prostitution anboten. Die gesamte Branche und unsere Kunden können von ihren Schließungen stark profitieren, unsere Arbeitsumgebung ist nun sicherer."

Je sicherer die Suchumgebung erscheint, desto größer ist das Potential psychologischer Abhängigkeit, geben viele User an. Neuesten Statistiken des chinesischen Gesundheitsamtes zufolge erhöhen die Dating-Apps das Problem der „Handy- und Internetsucht". Das Leben werde komplett per App und Internet gesteuert, weshalb also nicht auch Liebe und Partnersuche, so die Argumentation vieler Benutzer. Duan Yanlin, Chefin von DUI'a Communication, betont hingegen die psychologischen Vorteile, die sich ihrer Ansicht nach aus der Nutzung des digitalen Dating ergäben.

"Auf unserer Plattform werden psychologische Fragen gestellt, über die sich viele Nutzer noch nie zuvor in ihrem Leben Gedanken gemacht haben. Diese basieren auf wissenschaftlichen Tests und Forschung. Dadurch entsteht ein höchst wertvolles Bewusstsein über die eigenen Vorlieben und über die Ansprüche bei der Partnerwahl."

Viele Nutzer geben an, dass ihre Vorlieben stark kulturell geprägt sind. Für die meisten kommt eine interkulturelle Beziehung nicht in Frage. Auf dieser Erkenntnis bauen auch Dating-Services wie 2RedBeans auf, die sich speziell an der Verkupplung kulturell isolierter Auslandschinesen ausrichten. Mit dem Ideal, den Kampf mit der Einsamkeit chinesischer Netizens im In- und Ausland ein für allemal zu lösen, werden immer mehr solcher Dienste in Form von Startups aus dem Boden gestampft. Aus den rasant ansteigenden Mitgliederzahlen könnte das Fazit gezogen werden: China ist im Internetzeitalter voller Liebeshunger.

Text: Miriam Nicholls

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