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Letzter Ausweg Suizid – Einsamkeit treibt Chinas Senioren in den Tod
  2014-10-14 09:48:39  cri

Cai Mingyu ist 72 Jahre alt geworden. Genug, entschied die an Lepra erkrankte Rentnerin aus Beihai im Autonomen Gebiet der Zhuang-Nationalität Guangxi und setzte ihrem Leben ein Ende. Eines Tages, als ihr Mann nicht zu Hause war, trank sie eine Flasche Pflanzenschutzmittel, verlor das Bewusstsein und war zwei Stunden später tot.

Bei aller Trauer scheint ihr Mann Verständnis für den Suizid seiner Frau zu haben. „Sie war schwer krank und hatte zuvor schon mehrere Selbstmordversuche unternommen. Die Schmerzen machten ihr schwer zu schaffen. Der Tod war wahrscheinlich wie eine Befreiung für sie."

In China wird am 2. Oktober das Chongyang-Fest gefeiert. Es ist das Fest zu Ehren der Senioren. Doch eine durch den Staatsfonds für Sozialwissenschaften finanzierte wissenschaftliche Untersuchung zeigt, dass immer mehr Senioren im Alltag eine angemessene Zuwendung vermissen, was in den schlimmsten Fällen im Suizid endet. Laut der Studie, die in 40 Dörfern in 11 Provinzen Chinas durchgeführt wurde, wählen immer mehr ältere Menschen auf dem Lande den Freitod.

Der Anstieg seit 1990 sei alarmierend, sagt Liu Yanwu, ein an der Untersuchung beteiligter Sozialwissenschaftler von der Wuhan-Universität.

„Die Kinder strömen in die Städte, um Geld zu verdienen, und nehmen auch die Enkel mit. Die ältesten Familienmitglieder bleiben allein zurück und müssen sich um sich selbst kümmern", erklärt Professor Liu die Hauptursache für die Einsamkeit im Alter. Nachdem die Kinder weggezogen sind und aus beruflichen Gründen nur ganz selten ins Heimatdorf zurückkehren, fühlen sich viele Senioren vernachlässigt. Hinzu kommen oft auch finanzielle Probleme, die den Älteren zu schaffen machen.

Wei Hui stammt aus Sichuan. Doch sie arbeitet schon seit langem mit ihrem Mann im weit entfernten Nanning in Guangxi. Jedes Mal, wenn die Familie in die Heimat zurückkehrt, kostet sie allein die Hin- und Rückfahrt 2000 Yuan. Die Ausbildung der Kinder muss auch bezahlt werden. Für Wei Huis Familie, die monatlich nur 3000 Yuan zur Verfügung hat, ist jede Heimreise eine finanzielle Belastung.

„In unserem alten Zuhause lebt nur noch mein 74-jähriger Vater. Wir kehren jedes Jahr einmal zum Frühlingsfest zurück und geben ihm 3000 Yuan. Das war in jedem der letzten sechs Jahre so." sagt Wei. Sie selbst hat in den vergangenen Jahren in ihrem Bekanntenkreis von drei Suizidfällen von Senioren gehört - „ein beklemmendes Gefühl", sagt sie.

Die fortschreitende Vereinsamung älterer Menschen auf dem Lande hat dazu geführt, dass die Suizidquote bei den Senioren in China laut Xiao Shuiyuan, Professor an der Zhongnan-Universität, drei Mal so hoch ist wie in anderen Gesellschaftsgruppen,

Professor Liu Yanwu sieht in der fehlenden Beschäftigung der Senioren einen weiteren Grund für die hohen Suizidzahlen. Keine Arbeit und viel Freizeit, die in ländlichen Gebieten aber aufgrund fehlender Angebote nicht gefüllt werden kann, führten zu Einsamkeit und einem Gefühl der Sinnlosigkeit, so der Sozialforscher.

Liu Jingzhen, Arzt in Beihai, der Stadt, in der Rentnerin Cai Mingyu bis zu ihrem Selbsttod lebte, stellt zudem eine zunehmende Gleichgültigkeit unter den Landbewohnern fest. Viele seien der Meinung, Suizid unter Senioren sei nun mal ein normales Phänomen geworden, berichtet der Mediziner. Manche meinten sogar, es sei eine Erleichterung für die erwachsenen Kinder, wenn ihre schwerkranken Eltern sich das Leben nehmen.

Um gegen diese erschreckende Entwicklung vorzugehen, hat Professor He Xuefeng von der TU Huazhong in Hubei insgesamt vier Seniorenverbände gegründet, die sich für ältere Dorfbewohner einsetzen und ihre Lebenssituation verbessern wollen.

Mit der Verkleinerung und Zersplitterung der Familien in China sei die Entwicklung der privaten Altersversorgung ein wichtiger Teil des Altersversorgungssystems, betont He. Die Altersheime und die Betreuung müssten modernisiert und verbessert werden und Freiwilligenarbeit gefördert werden. Nur so könne der Trend zum Senioren-Suizid gestoppt werden.

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