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Mit 7 Jahren entführt – eine Geschichte aus Xinjiang
  2014-08-14 09:31:16  cri

 

Im Frühling 2014 lief „A Journey of Love" in chinesischen Kinos und sorgte für große Aufmerksamkeit. Im Film wird die Geschichte von uigurischen Kindern erzählt, die aus ihrer Heimat entführt und an kriminelle Organisation in den Großstädten verkauft werden. Von ihren „Herren" werden sie zu Dieben gemacht. Weil die kleinen Kinder bei Diebstählen nicht so auffällig sind, „verdienen" sie damit gutes Geld. Den Gewinn müssen sie natürlich abgeben. Falls sie versuchen zu fliehen, wartet anschließend brutale Prügel auf sie. In einer landesweiten Polizeiaktion werden schließlich zahlreiche entführte uigurische Kinder aus den Händen der Kriminellen gerettet. Sie kommen in ihre Heimat Xinjiang zurück und die Polizei hilft ihnen, ihre Eltern zu finden. Manche haben dabei Glück, andere nicht. Das Drehbuch basiert auf der Story eines jungen Mannes namens Xaliq. Xaliqs Kindheit und Jugend waren ein reiner Alptraum. Über seine Erlebnisse seit der Entführung erzählt er:

Als ich zwei Jahre alt war, haben sich meine Eltern getrennt. Ich lebte mit meinem Vater in Turpan. Eines Tages kam einer seiner Kollegen und sagte mir, dass mein Vater jemanden zusammengeschlagen habe und er mich zu meinem Vater bringe. Ich folgte ihm und stieg in den Zug. Nach zwei oder drei Tagen kam ich in Dongguan in Südchina an. Er übergab mich einem Uiguren namens Exmet. Ich sagte, ich will meinen Vater sehen. Du hast keinen Vater mehr, ab heute bist du ein Dieb, erwiderte Exmet.

Ich wollte kein Dieb werden. Mein Herr hieß Memet und war etwa 18 Jahre alt. Er schlug mich eine Woche lang jeden Tag. Die Prügel konnte ich nicht mehr ertragen und sagte dann ja. Ich machte alles, was er sagte. Es war ein hartes Training. Was im Film läuft, ist wahr. Manchmal gab Memet eine große Menge von Waschmittel und eine Münze in kochendes Wasser und ich musste die Münze rausholen, mit den Fingern. Uns wurde beigebracht zu schweigen, so als ob wir gar kein Wort Chinesisch verständen, wenn wir verhaftet wurden. Und wir hatten eine Rasierklinge im Mund und damit verletzten wir uns dann auf der Wache am Kopf oder Hals. Die Polizei war ratlos.

In meiner Kindheit habe ich nur die Schattenseite des Lebens gesehen. Auf Kinder in der Umgebung war ich neidisch. Sie waren der Schatz ihrer Eltern und sie bekamen alle möglichen Spielsachen. Mir hingegen wurde jeden Tag deutlich gemacht, wie viel ich stehlen musste. Als ich älter wurde, war ich nicht mehr geeinigt als Dieb. So wurde ich ein Verwalter, wie Memet.

Als ich 2011 festgenommen wurde, kam alles anders als erwartet. Wir waren nicht Täter, sondern Opfer. Es handelte sich um eine landesweite Aktion der Polizei, verwahrloste Kinder zu retten. Die Polizei sagte mir, dass sie mich nach Hause bringen wird. Ich war skeptisch. Zunächst brachten sie mich nach Xinjiang. 23 Tage später kam ein Polizist und führte mich zu zwei Menschen: meine Familie, meine Mutter, alles war so unglaublich. Danach kam ich erstmal in einem Erziehungsheim für Jugendliche mit Problemen unter. Die Polizei sagte, das sei für mich eine Übergangsphase, keine Strafe.

Anfangs war ich ziemlich begeistert, weil ich nie eine Schule besucht hatte. Aber mit der Normalität, den Regeln kam ich nicht klar. Früher rauchte ich, trank Alkohol und nahm Drogen. Im Erziehungsheim war Rauchen verboten, es gab auch nirgends Zigaretten. Und dann kam auch noch der kalte Entzug. Aber jedes Mal, wenn ich an meine Mutter und meine wieder gefundene Familie dachte, erhielt ich neue Kraft. Meine Mutter hat nie aufgegeben, mich zu suchen. Sie erklärte meinen jüngeren Geschwistern, wenn eines Tages ein junger Mann nach Hause käme und seine Ohren zucken könnten, dann sei das ihr älterer Bruder. Sie hatte Angst, mich nie mehr wieder zu sehen.

Einige Kumpels aus Dongguan versuchten, mich zu kontaktieren, aber ich habe es geschafft, Abschied von dem Alptraum zu nehmen. Zweifelsohne bin ich ein Opfer. Allerdings tut mir auch sehr leid, was in den vergangenen elf Jahren passiert ist. Heute fahre ich Passagiere mit einem E-Dreirad, davor habe ich gebratenes Lamm und Hühnchen verkauft. Harte Jobs. Manchmal habe ich zu meiner Mutter gesagt, dass ich früher viel einfacher Geld verdient habe. Sie unterbrach mich immer sofort und erwiderte, dass heute jeder Cent sauberes Geld sei. Meine Mutter hat mir ein Handy gekauft. Das wurde nach knapp einem Monat geklaut. Ich war sehr traurig, denn ein Handy zu kaufen war für meine Mutter nicht einfach. Zu dem Zeitpunkt dachte ich, ich will nie wieder wie damals leben.

Seit einigen Jahren ist Xinjiang in den Nachrichten ein Brennpunkt. Im Internet wird über die Erlebnisse mit uigurischen Dieben geschrieben. Ich fühle mich mit schuldig. Ich hoffe, dass Xinjiang keine negativen Eindrücke macht. Die meisten Leute dort sind wie meine Eltern, gutherzig und fleißig.

Text: Chen Yan

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