von Dr. Michael Borchmann
„China will mit seinem Projekt Seidenstraße eine neue Ära der Globalisierung anstoßen. Das geht aus dem Entwurf einer gemeinsamen Erklärung für das am 14. und 15. Mai in Peking geplante Treffen ranghoher Regierungsvertreter aus 29 Ländern hervor." Dies meldete die Nachrichtenagentur Reuters vor wenigen Tagen. Bereits im vergangenen Januar, in seiner vielbeachteten Eröffnungsrede vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos, hatte Chinas Staatspräsident Xi Jinping angekündigt, sein Land plane zu einem Seidenstraßenforum für internationale Zusammenarbeit im kommenden Mai nach Beijing einzuladen. Ziel sei die gemeinsame Erörterung landesgrenzenüberschreitender Entwicklungen. Das Forum werde Wege zur Überwindung regionaler und globaler Probleme ebenso ausloten wie es neue Energien für eine gemeinsame wirtschaftliche Entwicklung freisetzen und damit zum Nutzen der beteiligten Länder und Menschen beitragen werde.
Die sogenannte neue Seidenstraßen-Initiative des chinesischen Staatspräsidenten knüpft an Wurzeln an, die tief in der Geschichte liegen, nämlich an ein Netz von Karawanenstraßen, dessen Hauptroute das Mittelmeer auf dem Landweg über Zentralasien mit Ostasien verband. Seine größte Bedeutung hatte dieses Netz zwischen 115 v. Chr. und dem 13. Jahrhundert n. Chr. Den Namen „Seidenstraße" erhielt dieses Netz durch den deutschen Geografen Ferdinand von Richthofen. Auf der Seidenstraße wurden nicht nur Waren wie Gewürze, Seide, Glas und Porzellan transportiert; mit dem Handel verbreiteten sich auch Religion und Kultur. Und auch der legendäre venezianische Händler und Entdecker Marco Polo soll auf ihr nach China gelangt sein. An diese große Tradition knüpfte Staatspräsident Xi Jinping an, als anlässlich seiner Rede im September 2013 im kasachischen Astana die Weltöffentlichkeit erstmals von dem Projekt „Yidai – Yilu" bzw. „Ein Gürtel – eine Straße" erfuhr, für das sich in der deutschen Sprache der Begriff „Seidenstraßen-Initiative" eingebürgert hat. Wenige Zeit später erweiterte Xi in einer Rede vor dem indonesischen Parlament diese Initiative um einen maritimen Zweig und regte zugleich an, eine asiatische Bank für Infrastrukturinvestitionen (Asian Infrastructure Investment Bank, AIIB) zu errichten. Die Aufgabe der inzwischen bestehenden Bank: einen Teil der Anschubfinanzierung für die geplanten Projekte im dreistelligen Milliardenbereich beizusteuern. Und das Ziel der Initiative: Aufgrund der bilateralen und multilateralen Systeme sowie der bestehenden regionalen Kooperationsplattformen und mit Hilfe der historischen Bezeichnung "Seidenstraße" soll eine Kooperationspartnerschaft mit Ländern entlang der Seidenstraße entwickelt und eine „Interessengemeinschaft, Schicksalsgemeinschaft und Verantwortungsgemeinschaft mit politischem Vertrauen, wirtschaftlicher Integration und kultureller Toleranz" aufgebaut werden. Die konkret vorgesehenen Umsetzungsmaßnahmen umfassen neben dem Bau von Straßen die Erschließung neuer Eisenbahnstrecken, den Ausbau von Häfen sowie Staudämmen und die Errichtung einer Telekommunikations-Infrastruktur. Allgemein soll der Plan die weltpolitische und wirtschaftliche Landschaft durch die Entwicklung von Ländern entlang den Routen verändern, von denen die meisten dringend auf neues Wachstum angewiesen sind. Dass dieses großangelegte Konzept nicht gegen Einzelne gerichtet ist, sondern einen umfassenden verbindenden Charakter haben soll, hat Staatspräsident Xi ebenfalls bereits frühzeitig klargestellt, indem er die Offenheit der Initiative für alle unterstrich. "Die Entwicklungsprogramme werden offen und inklusiv sein, nicht exklusiv. Sie werden ein echter Chor sein, bestehend aus allen Ländern entlang den Routen, kein Solo für China selbst", so betonte er auf dem Bo'ao-Asienforum (BFA) 2015 in der südchinesischen Inselprovinz Hainan.
Die Größenordnung des Projektes lässt sich aufgrund eines einfachen Zahlenvergleichs erahnen: Ökonomisch ist sie zwölfmal größer ist als der US-Marshallplan zum Wiederaufbau Westeuropas nach dem 2. Weltkrieg. Seit seiner Verkündung haben bereits mehr als 65 Staaten ihr Interesse an einer Mitarbeit bekundet. Daher spricht Vieles dafür, dass von ihr ein bisher beispielloser Schub für Konnexität und Wirtschaftsdynamik der beteiligten Staaten ausgehen wird.
Ein Schub übrigens, der nicht nur abstrakt ist, sondern sich auch an ganz konkreten Sachverhalten festmachen lässt. Zum Beispiel an der Duisburger Hafen AG: Die Duisburger Hafen AG wird in Zukunft mit der China Merchants Logistics Co. Ltd. (CML), der Logistikdivision der China Merchants Group (CMG), strategisch und projektbezogen zusammenarbeiten. Der Partner verspricht glänzende Perspektiven: CMG besitzt 31 Häfen in 18 Ländern, betreibt 1148 Logistikcenter in bedeutenden Metropolregionen und will das Geschäft entlang der „neuen Seidenstraße" ausbauen. Konkret erwartet der Chef der AG, dass sich die Zahl der bisherigen 20 wöchentlichen Züge zwischen Duisburg und China in relativ kurzer Zeit verdoppeln wird. Ein anderes Beispiel: Die Hamburg Port Authority setzt sich für eine verbesserte Güterverbindung zwischen dem Hamburger Hafen und China auf dem Landweg ein. Im Rahmen der Seidenstraßen-Initiative der chinesischen Regierung sieht die Hamburg Port Authority noch mehr Potenzial für den Hamburger Hafen als Hub sowohl auf See- als auch Landseite.
Dies alles verdeutlicht zugleich den hohen Stellenwert des „Seidenstraßen-Gipfels" am 14. Und 15.5. 2017 in Beijing, an dessen Eröffnungszeremonie Gastgeber Xi Jinping persönlich teilnehmen wird, an dem 28 Staaten durch ihre Staats- oder Regierungschefs vertreten sein werden. Wir können davon ausgehen, dass alleine auf Grund dieser hoch- und höchstrangigen Besetzung von dem Treffen wichtige und unüberhörbare Impulse ausgehen werden, Impulse für Globalisierung und wirtschaftliches Wachstum aller und Impulse gegen nationalen Kleingeist und nationale Abschottung.
Zum Autor:
Dr. Michael Borchmann
Ministerialdirigent a.D. (Land Hessen), früherer Abteilungsleiter (Director General) Internationale Angelegenheiten
Mitglied des Justizprüfungsamtes Hessen
Beirat der CIIPA des Handelsministeriums der VR China
Beirat der Deutsch Chinesischen Allgemeinen Zeitung