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"Hong Qi Qu" – Der "rote" Kanal
  2013-02-16 10:35:08  cri

Die gewaltigen Ausmasse dieses Bewässerungssystems, das von seinen Erbauern als Ausdruck ihrer ideologischen Überzeugung „Rote-Fahne-Kanal" getauft wurde, hätte wohl selbst Yu Gong in Ehrfurcht erstarren lassen: Mit allen Nebenkanälen bringt es der „Hong Qi Qu" nach offiziellen Angaben auf eine Gesamtlänge von 1.500 Kilometern. Sein Hauptkanal ist 71 Kilometer lang und bis zu acht Meter breit. Zu seiner Fertigstellung mussten 1.250 Bergrücken überwunden, 211 Tunnel ausgehoben und 152 Aquädukte aus dem Boden gestampft werden.

Wie viele Todesopfer die fast zehn Jahre dauernde „Revolution mit Hammer und Meißel" im Taihang-Gebirge gefordert hat, wurde nie bekannt gegeben. Auf chinesischen Internetseiten kursieren Gerüchte von bis zu 190 Toten und 250 Schwerverletzten. Besonders gefährlich lebten die Felsenputzer, die nur an einem Seil befestigt die schroffen Steilwände runtergelassen wurden, um mit Eisenstangen loses Gestein zu entfernen.

Auf deutscher Leinwand

Die Fertigstellung des „Hong Qi Qu" im Jahr 1969 wurde von der Kommunistischen Partei nicht nur als Triumph über die Natur gefeiert, sondern auch als architektonischer Beweis für die Richtigkeit der Ideen von Staatsgründer Mao Zedong. Auf ihre Anordnung hin entstand schließlich ein Dokumentarfilm, der sowohl dem in- als auch dem ausländischen Publikum die Überlegenheit des Sozialismus gegenüber dem Kapitalismus vor Augen führen sollte. Der Film mit dem Titel „Das Kanalsystem 'Rote Fahne'" wurde auch in mehreren Städten der Bundesrepublik Deutschland gezeigt. Erstmals im Juli 1971 in Bochum im Rahmen der China-Kampagne der Kommunistischen Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten (KPD/ML).

Auch im Dokumentarfilm „Chung Kuo" – „Das Land der Mitte" – des italienischen Regisseurs Michelangelo Antonioni aus dem Jahr 1973 ist der „Hong Qi Qu" kurz zu sehen. Antonionis Film stieß bei der chinesischen Führung jedoch auf wenig Gegenliebe – nicht zuletzt, weil der „Rote-Fahne-Kanal" darin aus ihrer Sicht nicht gebührend gewürdigt wird.

Heute braucht sich der Prestigebau aus der Mao-Zeit keine Sorgen über mangelnde Aufmerksamkeit mehr zu machen. Der in einem Volkslied verewigte „Hong Qi Qu" ist längstens zu einer Marke geworden. Mit seinem Namen wird in der Region unter anderem für Zigaretten, Schnaps und Bier geworben. In erster Linie aber ist der legendäre Bewässerungskanal heute ein Touristenmagnet und damit eine wichtige Einnahmequelle für die Lokalbevölkerung. Noch bevor der Fernbus im Busbahnhof von Linzhou, dem Hauptort des Kreises Lin, zum Stillstand kommt, wimmelt es an Bord bereits von Einheimischen, die lauthals Tagesreisen zum Kanal anbieten.

Der Geist aus dem Kanal

Der „Hong Qi Qu" gehört zu Chinas zahlreichen „roten" Gedenkstätten, welche der jüngeren Generation die Werte von damals in Erinnerung rufen sollen. Opferbereitschaft, harte Arbeit und Solidarität gelten als Kernessenz dessen, was Chinas Staatsführung gerne als Geist des „Rote-Fahne-Kanals" beschwört – etwa im Zusammenhang mit dem Aufbau einer harmonischen Gesellschaft.

Die Hauptattraktion der „Nationalen Modellbasis für die patriotische Erziehung", als die der „Rote-Fahne-Kanal" heute offiziell fungiert, ist der Tunnel „Jugend". Der 616 Meter lange Tunnel war einer der entscheidenden und zugleich schwierigsten Bauabschnitte. Das Gestein in dieser fast senkrecht abfallenden Felsflanke erwies sich als zu hart für die Bohrer, so dass sich Jugendliche in mühevoller Handarbeit Zentimeter um Zentimeter durch den Berg kämpfen mussten. Zur Erinnerung an die 300 Jugendlichen, die hier 17 Monate lang angeblich freiwillig jeden Tag aufs Neue ihr Leben aufs Spiel setzten, erhielt der Tunnel schließlich den Namen „Jugend".

  

Zur Besichtigung dieses unter größten Entbehrungen und Gefahren geschaffenen Kanalabschnitts bedarf es ein halbes Jahrhundert später freilich weder eines körperlichen Kraftakts noch ansatzweise Mut. Der von der Regierung gerne beschworene Geist des „Rote-Fahne-Kanals" kann hier bequem im Eiltempo nacherlebt werden. Motorboote karren zahlungswillige Besucher im Minutentakt durch den mit Neonlichtern wie eine Disco beleuchteten Tunnel. Ein Anblick, der ganz offensichtlich selbst auf manch einen chinesischen Touristen nicht weniger befremdend wirkt, wie auf Yu Gong einst die zwei hohen Berge vor seinem Haus.

Reisetipps:

Den „Hong Qi Qu" (红旗渠) erreichen Sie am besten von Anyang (安阳) aus per Bus. Die Fahrt nach Linzhou ( 林州), den Hauptort des Kreises Lin, dauert etwa 75 Minuten.

Vom Anyanger Westbusbahnhof (西车站) verkehren regelmäßig Busse nach Linzhou. Der erste bereits morgens um 6.30 Uhr.

Die Landschaftszone „Hong Qi Qu" besteht aus einem Museum (红旗渠博物馆), dem Tunnel „Jugend" (青年洞) und dem Luosi-Teich (络丝潭). Die drei Sehenswürdigkeiten liegen teils weit auseinander und sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur schwer erreichbar. Um alle drei in Ruhe besichtigen zu können, mieten Sie sich nach Ankunft in Linzhou am besten ein Taxi für den ganzen Tag. 300 RMB sollten reichen.

Alternativ können Sie sich auch einer chinesischen Reisegruppe anschließen. Dazu müssen Sie nichts weiter tun, als einfach einer der vielen Personen folgen, die Sie noch vor Ihrer Ankunft in Linzhou im Bus ansprechen wird.

Leider gibt es im „Hong Qi Qu"-Museum keine Infotafeln in englischer Sprache. Die vielen Bilder und Alltagsgegenstände sprechen aber in den meisten Fällen für sich. Ein Besuch lohnt sich also auf jeden Fall.

Viel Spaß bei der Besichtigung des „Hong Qi Qu"!

Text und Fotos: Simon Gisler


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Forum Meinungen
• mengyingbo schrieb "Leben in Changshu"
seit etwas über einer Woche ist nun Changshu 常熟 in der Provinz Jiangsu 江苏 meine neue Heimat - zumindest erstmal für rund 2 Jahre.Changshu (übersetzt etwa: Stadt der langen Ernte) liegt ungefähr 100 km westlich von Shanghai und hat rund 2 Millionen Einwohner, ist also nur eine mittelgroße Stadt.Es gibt hier einen ca. 200m hohen Berg, den Yushan 虞山 und einen See, den Shanghu 尚湖...
• Ralf63 schrieb "Korea"
Eine schöne Analyse ist das, die Volker20 uns hier vorgestellt hat. Irgendwie habe ich nicht genügend Kenntnisse der Details, um da noch mehr zum Thema beitragen zu können. Hier aber noch einige Punkte, welche mir wichtig erscheinen:Ein riesiges Problem ist die Stationierung von Soldaten der USA-Armee in Südkorea...
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