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(GMT+08:00) 2005-06-21 13:16:52    
Der Hirt und der Geier (2)

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Eines Tages fing der alte Geier ein Schäflein, das sechs Monate alt war. Er labte sich am Fleisch und ließ das Schaffell übrig. Es war dem jungen Hirten kalt, auf bloßem Stein zu schlafen, so nahm er das Fell und legte sich darauf. Er konnte aber die Nacht hindurch trotzdem nicht einschlafen, denn er musste immer an die Geschichte vom fliegenden Zauberteppich denken, die seine Mutter ihm einst erzählt hatte, als er noch ganz klein war. Da wurde er von dem Gedanken gepackt, wie schön es doch wäre, wenn er auf dem Schaffell nach Hause fliegen könnte! Doch bald geriet er wieder in Verzweiflung, denn er dachte, wie sollte das Fell ohne die Zauberkunst eines Heiligen am Himmel fliegen können? Die ganze Nacht wälzte er sich hin und her und tat kein Auge zu. Als der Tag anbrach, sah er, wie der alte Geier die vier Adler zwang, auf die Jagd zu gehen. Aus Furcht vor dem alten Geier flogen sie aus der Höhle. Der junge Hirt sah die Adler in der Höhe schweben und sagte sich: "Warum soll ich nicht der Adler Flügel zur Hilfe nehmen?"

Da loderte im Herzen des jungen Hirten wieder die Flamme der Hoffnung. War der alte Geier nicht zuhause, trainierte er die vier Adler. Er band das Schaffell an ihren Beinen fest und ließ sie fliegen. Wenn sie gleichmäßig in der Luft schwebten, wurde aus dem Schaffell ein Fallschirm. Nach einem Monat waren ihre Flügel noch kräftiger, da sie im Fliegen geübt wurden. Von all dem hatte der alte Geier keine Ahnung.

Der junge Hirte musste, wollte er die Berghöhle verlassen, zuerst den Geier töten, denn er fürchtete, dass dieser die Flucht bemerken und ihn und die vier Adler verfolgen würde. Es war alles andere als leicht, mit dem Geier fertig zu werden. Nach langem Überlegen entschied er, dem Geier erst die Augen zu blenden. So würden seine Klauen, wie scharf sie auch wären, zu nichts taugen. Er fand einen spitzen Stein und schärfte ihn, sobald der Geier die Höhle verließ. Nach sieben Tagen war der Stein scharf wie ein Dolch.

Eines Nachts, der Geier schnarchte wie gewöhnlich sehr laut, nahm der junge Hirt sein Steinmesser und stieß es wuchtig in das linke Auge des Geiers, so dass dieser einen verzweifelten Schrei ausstieß. Ehe der Geier dazukam, Widerstand zu leisten, zog der Hirt das Steinmesser aus dem linken Auge und stieß es ins rechte. Aus den Augen tropfte Blut. Blindlings schwang der Geier seine Flügel, hackte mit seinem Schnabel und schlug mit seinen Klauen. Die vier Adler waren erfreut und ängstlich zugleich. Dann zog sie der Hirt zu sich und versteckte sich mit ihnen in einer Ecke. Der alte Geier wütete die ganze Zeit. Immer mehr Blut spritzte aus seinen Augen, und als der Tag anbrach, machte er den letzten Atemzug. Dann lag er regungslos am Boden. Der junge Hirt holte sein Steinmesser und stieß noch einige Male kräftig auf ihn ein. Schließlich war der alte Geier tot.

Hocherfreut scharten sich die vier Adler um den Hirten und tanzten. Endlich waren sie der Tyrannei des alten Geiers entronnen. Sie stießen den Hirten mit ihren Flügeln, als wollten sie ihn drängen, so bald wie möglich den Ort zu verlassen. Der junge Mann befestigte das Schaffell an ihren Beinen, setzte sich darauf, und die vier Adler schwangen sich aus der Höhle in die Luft. Der junge Hirt machte es sich auf dem Schaffell bequem. Bunte Wolken schwebten vorbei, als wollten sie ihn grüßen; Gletscher glitzerten lustig, als wollten sie ihn beglückwünschen.

So flogen sie und erreichten bald das Grasland, in dem der junge Hirte zuhause war. Wie schön grün das Weidegras von oben aussah: die Schafe verstreut wie Perlen auf einem grünen Teppich, der sich windende Fluss wie ein glänzendes Seidenband und die Zelte wie blühende Disteln ... "Meine Heimat, das ist meine Heimat, ich bin wieder zurück", sprach der Hirt vor sich hin. Die vier Adler setzten den jungen Mann vor seinem Zelt sicher nieder. Da kamen seine Freunde und Verwandten, um ihn zu begrüßen. Den vier Adlern aber brach Schweiß aus allen Poren, so erschöpft waren sie. Der junge Mann rollte den Türvorhang auf und bat sie, sich im Zelt ein bisschen auszuruhen. Sie aber lehnten ab, denn auch sie wollten so schnell wie möglich nach Hause. Liebevoll kratzten sie den jungen Mann mit ihren Klauen an den Stiefeln, mit dem Schnabel an seiner Hose und schwangen zum Abschied ein paar Mal ihre Flügel. Mit Tränen in den Augen küsste der junge Mann jedem den Kopf und sagte: "Eine gute Heimreise, Freunde!"

Die vier Adler schwangen sich in die Höhe und kreisten noch dreimal um das Zelt des jungen Mannes. Dann erst flogen sie davon. Der junge Hirte winkte ihnen nach, bis sie ganz außer Sicht waren, und starrte eine Weile noch in die Ferne. Dann kehrte er in sein Zelt zurück ... Später kamen die vier Adler öfters zurück und halfen dem jungen Hirten, Wildhasen und Feldmäuse zu fangen, oder warnten ihn, wenn böse Wölfe seine Schafherde angreifen wollten. Seit dieser Zeit sind Hirten und Adler gute Freunde.

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