Fünf Titel in fünf Disziplinen: Die Chinesen sorgten bei der Tischtennis-WM Anfang Mai auf eigenem Boden in Shanghai für einen Eklat, der sich auch schon 1995 beim WM in Tianjin abspielte. Mehr als 10 Millionen chinesischen Tischtennisfans sind ganz aus dem Häuschen, weil China bereits seit 30 Jahren weltweit in dieser Sportart dominiert. Wie ist dieser Dauererfolg des chinesischen Tischtennissports zu erklären?
Tischtennis ist wohl der populärste Sport in China. In diesem Sport ist China schon seit Jahrzehnten dominant. Bereits bei der Tischtennis-WM 1959 holte sich der Chinese Rong Guotuan das Gold im Herren-Einzel. Seitdem stellte China insgesamt mehr als 130 Weltmeister im Tischtennis. Deng Yaping, Liu Guoliang und Kong Linghui -- es gibt jede Menge chinesischer Weltmeister, bei deren Namensnennung jeder Tischtennis-Fan mit der Zunge schnalzt.
Aber warum ist China so erfolgreich? Chinesische Experten führen diesen langen Erfolg auf das pyramidenförmige und wissenschaftlich unterstützte Trainings- und Auswahlsystem zurück, auf die Profi-Liga und die breite Basis der Ping-Pong-Spieler in China, aber auch auf die technische Innovation. Dazu sagte Huang Biao, Teammanager der chinesischen Tischtennis- Nationalauswahl:
"Zur Zeit gibt es in China mehr als 30.000 Jugendliche, die sich im regulären und harten Tischtennistraining befinden. Knapp 2.000 Profi- und Amateur-Jugendsportler sind im chinesischen Tischtennisverband registriert. Wir haben fast 100 Sportlerinnen und Sportler in unserer Nationalauswahl. Das große pyramidenförmige Nachwuchsbildungssystem hat den chinesischen Tischtennissport weltweit führend gemacht. Die Dominanz des amerikanischen Basketballs ist in etwa vergleichbar."
Zur Auswahl der Jugendsportler wurden auch landesweit Tischtennisligen verschiedener Ebene errichtet, bei denen leistungsstarke Amateursportler auch in höhere Ligen aufsteigen können. Neben dem seit längerem bestehenden Auswahl- und Nachwuchsbildungssystem sorgt in China auch ein fachliches hochqualifiziertes Trainerteam dafür, talentierte Nachwuchsspieler aufzufinden und ins Nationalteam zu holen. Jedes Jahr stellt der chinesische Tischtennis-Verband die staatlichen Zuschüsse in Höhe von 420.000 Yuan RMB für die Organisation der Jugend-Wettbewerbe bereit. In der Profiliga vertreten nahmhafte Tischtennisstars die verschiedenen Klubs, so dass auch Sponsoren angelockt werden und Gelder herausrücken. Also, die gesellschaftlichen Investitionen garantieren einen erfolgreichen Betrieb der Profiliga und auch ein gutes Trainings- und Spielumfeld für die Sportler. Nach wenigen Jahren hatte sich die Tischtennis-Profiliga in China zur weltbesten Liga gemausert. Die Spitzenspieler verdienen auch wesentlich mehr als früher, die Spitzeneinkommen eines Tischtennisstars können 700 000 Yuan RMB betragen.
Strenge Auswahlverfahren und -Kriterien allein reichen für den Erfolg bei weitem nicht aus. Wichtig ist, dass die Nachwuchsspieler durch wissenschaftlich fundiertes und hartes Training zum Erfolg geführt werden. Lü Lin, Trainer der chinesischen Tischtennis-Nationalmannschaft, informierte:
"In China muss sich ein Tischtennissportler unheimlich motiviert sein und sich große Mühe geben. Zum Beispiel trainiert das Herren-Team der Junioren-Nationalmannschaft zwei Mal in der Woche sechs Stunden hintereinander. Das zehrt ganz schön an den Nerven. Zur Verbesserung von Ausdauer, Psyche und Technik der Sportler dienen Langstrecken-, Gelände- und 10.000m-Läufe, Wettkämpfe werden veranstaltet".
Auf keinen Fall darf ein grosses fachliches Forscherteam nicht vergessen werden, das die Entwicklung des Tischtennissports stets aufmerksam verfolgt und den chinesischen Sportlern mit Rat und Tat zur Verbesserung ihrer Technik zur Seite steht. Diese Leute studieren Technik und Taktik der Rivalen. Sie sind auch dafür verantwortlich, dass die Einführung des neuen "11-Punkte-Zählsystems" im Internationalen Tischtennissport von den chinesischen Spitzensportlern geschluckt wurde, denn die Auswirkungen der Einführung des Zählsystems und des "großen" Balls mit einem Durchmesser von 42 mm wurde von den Wissenschaftlern lange gründlich analysiert. Dazu sagte der Forscher Zhang Xiaopeng:
"27 der insgesamt 46 Innovationen im Tischtennisbereich, die fast in einem Jahrhundert zu verzeichnen gewesen sind, stammen aus China. Beim harten und spannenden Wettkampf muss man jeden günstigen Augenblick beim Schopfe fassen. Millisekunden und Millimeter können über Sieg und Niederlage entscheiden. Deshalb ist es ganz wichtig für uns, den chinesischen Sportlern aufzuzeigen, wie man im Spiel dem Gegner zuvorkommt".
Allerdings klingelt schon hin und wieder die Alarmglocke, heißt es in der Fachwelt. China hat im Herren-Einzel-Finale bei der WM 2003 in Paris und bei der Sommerolympiade 2004 in Athen jeweils verloren. Man müsse sich der wachsenden Konkurrenz stets bewusst sein und zukünftig noch größere Anstrengungen unternehmen, um die führende Position im chinesischen Tischtennissport nicht aus der Hand zu geben.
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