Australien scheint ein Glücksland für chinesische Tennissportler zu sein: Nach dem unerwartet guten Abschneiden im Damen-Doppel bei der Australien Open Anfang des vergangenen Jahres machte China bei dem diesjährigen Wettkampf wieder Schlagzeilen. Insgesamt waren fünf chinesische Tennisspielerinnen im Damen-Einzel angetreten, und Li Na und Peng Shuai erreichten die zweite Runde. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr trat nur eine chinesische Tennisspielerin in Einzel an und schied bereits in der ersten Runde aus. Insofern bedeutet das Ergebnis dieses Jahres für China einen großen Sprung nach vorn.
Bereits im Aufgalopp vor der Australien Open sorgten die chinesischen Einzelspielerinnen für eine Überraschung: Beim internationalen Tennisturnier in Sydney siegte die Einzelspielerin Peng Shuai sensationell über die Russin und French-Open-Siegerin Anastasia Myskina. Für die Chinesen grenzt das an ein Wunder, weil es zuvor noch keinem Chinesen gelingen konnte, einen Grand Slam Sieger zu schlagen. Die 19jährige versetzte dann dem Land noch einmal einen Schuss Euphorie, als sie die zweite russische Spitzenspielerin Nadia Petrova besiegte. Anlass zur Freude gab es auch, dass Zheng Jie im Damen-Einzel in Hobart WTA-Siegerin wurde. Also, die früher vom ausländischen Establishment gern übersehenen chinesischen Tennisspielerinnen haben inzwischen weit aufgeholt und liefern der internationalen Konkurrenz inzwischen heftige Gegenwehr, wobei sie ihr spielerisches Können unter Beweis stellen. Die chinesischen Spielerinnen seien nun in der Lage, mit den stärksten Gegnerinnen der Welt zu konkurrieren, heißt es in Fachkreisen.
Na also. In der Tennis-Profiwelt wird sowohl bei den Männern als auch bei den Damen mehr Wert auf Einzelspiele gelegt, weil hier auch die Platzierung der ATP- und WTA-Rangliste stattfindet. Gute Ergebnisse im eher vernachlässigten Damen-Doppel zählen in der Weltrangliste nicht. Darüber war sich Jiang Hongwei, Cheftrainer der chinesischen Tennis-Nationalmannschaft, ganz im klaren. Jiang Hongwei:
"Nach dem Olympia-Sieg in Athen sind wir unter mehr Druck gesetzt, denn viele Menschen halten die chinesischen Tennisspielerinnen für talentiert. Das ist aber ein Missverständnis. Der chinesische Tennissport hat sich der Weltspitze angenähert, und man hat mehr Chancen, mit den weltbesten Profisportlern zu spielen. Aber es bestehen immer noch große Abstände. Ich bin immer der Meinung, im Tennissport muss man auf den Einzelkampf schauen. Eine gute Ranglistenplatzierung im Doppel bedeutet nicht viel, sondern man muss die Technik für das Einzel verbessern."
Immerhin hat sich China im Damen-Einzel der diesjährigen Australien Open bewährt. Sportexperten führen die schnellen Fortschritte auf die Professionalisierung des Tennissports in China zurück. Die chinesischen Tennisspielerinnen und ?spieler hätten sich durch Professionalität unerwartet schnell abgehärtet und zeigten nun ein ganz neues Profil. Auch Cheftrainer Jiang Hongwei ist darüber erfreut:
"Früher hatten wir nur einen guten Spieler, oder zwei. Heute haben wir erfreulicherweise ein ganzes Team. Russland ist eine Tennis-Großnation, weil vier bis fünf der zehn weltbesten Spieler Russen sind. Ich rechne mit guten Erfolgschancen, wenn sich vier bis fünf Chinesen unter die 100 weltbesten Spieler aufhalten und an den Grand Slam Turnieren teilnehmen."
In Australien geizten Gegner und die dortigen Medien nicht mit Lob für die chinesischen Aufsteiger. "Die Chinesinnen werden innerhalb der nächsten vier Jahren einen Titel im Damen-Einzel der Grand Slam Turniere gewinnen", hieß es. Doch den chinesischen Trainern und Spielern steigen solche Schlagzeilen nicht zu Kopf. Man müsse noch an Technik, Kondition und Erfahrung sowie im Männer-Bereich viel arbeiten, gestand die Spielerin Peng Shuai. Mehr talentierte chinesische Tennissportler müssten zur Teilnahme an Profi-Turnieren ins Ausland geschickt werden, ist ihre Meinung
Auf alle Fälle sieht man jedoch optimistisch in die Zukunft des chinesischen Tennissports. Dazu sagte Peng Shuai, die das Vorrundenspiel gegen die an die Nummer drei gesetzte US-Amerikanerin Venus Williams zwar verloren, aber ein kämpferisches Spiel geboten hatte:
"Ich spielte zum ersten Mal im Central Court, und ich bin davon überzeugt, das ist nicht das letzte Mal."
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