1993 machte der damals 18-jährige Liu Qisheng seinen Schulabschluss und hat danach bei der Omnibuslinie 323 seine Arbeit als Schaffner aufgenommen. Vor 10 Jahren war es eine von Frauen dominierte Tätigkeit. In ganz Beijing gab es nur ganz wenige männliche Kollegen. Deshalb waren ihm die ersten Tage im Bus unheimlich peinlich, zumal er nicht in Beijing geboren und aufgewachsen war und mit einem Akzent gesprochen hatte. Doch mit Unterstützung seines Ausbilders und durch die Arbeit selbst hat er seine Tätigkeit zunehmend als sinnvoll und hilfreich verstanden. Dazu Liu Qisheng:
"Allmählich erkannte ich, dass ein verantwortungsvoller Omnibus-Schaffner den Fahrgästen sehr gut helfen kann und diese im Gegenzug Anerkennung für seine Arbeit zeigen. Ich bin davon überzeugt, dass diese Arbeit sinnvoller ist, als ich es mir vorher vorgestellt hatte."
Dann kamen Liu Qisheng und seine Kollegen auf die Idee, den Fahrgästen im Linienbus Zeitungen und Landkarten sowie im Sommer Fächer und im Winter Kissen zur Verfügung zu stellen. Diese ungewöhnliche Dienstleistung ist bei den Kunden sehr gut angekommen. Für diese Initiative ist Liu gemeinsam mit seinen Kollegen mehrfach von dem Beijinger Verkehrsbetrieb ausgezeichnet worden.
Nach 10 Jahren in der Buslinie 323 wechselte Liu Qisheng zur Linie 332. Diese in der Busnummer kaum wahrzunehmende Veränderung bedeutete für ihn jedoch die Übernahme neuer Aufgaben und damit eine neue Herausforderung. Mit seiner Berufserfahrung sollte er als Geschäftsführer junge Schaffner unterstützen. Bei seiner neuen Tätigkeit lege er großen Wert darauf, den jungen Mitarbeitern seine Erfahrungen zu vermitteln, sagte Liu Qisheng:
"Ich versuche bei meiner neuen Arbeit, den jungen Mitarbeitern mehr zu helfen. Genauso wie ich damals vor 10 Jahren, haben sie erst ihren Berufsschulabschluss gemacht und brauchen deshalb dringend Orientierungshilfe. Als ein erfahrener Schaffner muss ich ihnen helfen und meine Berufserfahrungen vermitteln. Wenn sie erkennen, dass die Fahrgäste dankbar sind für eine hervorragende Dienstleistung, werden sie zu noch mehr Fleiß und noch besserer Arbeit ermutigt."
Die Buslinie 332 verbindet den Beijinger Zoo mit dem Sommerpalast. Deshalb sind viele der Fahrgäste ausländische Touristen. Daher braucht als ein Busschaffner auf dieser Strecke Englischkenntnisse.
Liu Qisheng lernt seit Jahren fleißig Englisch und denkt daran, mit Fortbildungskursen seinen jungen Mitarbeitern beim Englisch-Lernen zu helfen. Dazu Liu Qisheng:
"Es ist uns vor ein paar Jahren aufgefallen, dass viele unserer Fahrgäste Ausländer sind. Bis zur Olympiade in Beijing werden die Besucherzahlen in Beijing jährlich weiter steigen. Ein Fahrausweisverkäufer kann den ausländischen Kunden besser helfen, wenn er Fremdsprachen kann. Ich lerne selbst seit Jahren Englisch und will in kurzer Zeit dafür sorgen, dass auch meine jungen Kollegen an einem Englisch- Fortbildungskurs teilnehmen und ihr Englisch verbessern."
Liu Qisheng studiert neben Englisch inzwischen auch Jura und Psychologie an der Volkshochschule. Die Kenntnisse daraus will er für seine Arbeit anwenden.
Auf unsere Frage, ob er am Nationalfeiertag Überstunden macht, antwortete er:
"Ja, klar. Besonders an Feiertagen wie beispielsweise am Nationalfeiertag oder während des Frühlingsfests müssen wir länger als üblich arbeiten und uns mehr Mühe geben. Während der Feiertage nehmen mehr Leute den Bus. Aber ich glaube, die Mühe lohnt sich. Ich sage mir immer, du musst dein Bestes tun, egal wo du arbeitest und wie schwer der Job ist. Denn die Aufgabe eines Omnibus-Schaffners ist klar, dem Kunden besser entgegenzukommen."
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