Die Erwartungen des Badminton-Teams bei den Olympischen Spielen waren sehr hoch. Zunächst wurden die chinesischen Badminton-Spieler entzaubert: In den Vorrunden der Männerwettbewerbe, sowohl im Einzel als auch im Doppel, schieden alle chinesischen Favoriten sensationell früh aus. Beim Damen-Einzel, in dem die Chinesinnen absolut überlegen sind, konnte die Holländerin Mia Audina in die chinesische Vormachtsstellung eindringen und das Finale erreichen. Das Endspiel war äußerst hart und umkämpft. Die Holländerin und Zhang Ning lieferten sich heiße und spannende Ballwechsel. Dank der zunächst variableren und präziseren Spielweise gewann die Holländerin mit 11:8 den ersten Satz. Dieser Satzverlust hat bei der Chinesin ihren hohen Kampfgeist geschürt: In den darauffolgenden zwei Sätzen spielte sie, was das Zeug hergab. Mit Zhang Nings ungestümer Offensivkraft und Ausdauer hatte Mia Audina überhaupt keine Siegeschance mehr. Die nächsten zwei Sätze gingen schließlich an Zhang, und die Holländerin unterlag mit 1 : 2 Sätzen. Der Sieg war trotzdem so knapp, dass der Schrecken dem chinesischen Trainer Tang Xuehua noch nach Spielschluss anzusehen war. Er sagte:
"Ich bin natürlich froh über den großartigen Erfolg. Mia Audina hat heute auch sehr gut gespielt. Der Sieg war viel schwieriger, als wir uns das ausgerechnet hatten. Obwohl wir drei der ersten vier Plätze belegt haben, ist die Holländerin stets für uns gefährlich. Es spricht für Zhang Ning, dass sie dem großen Druck standgehalten hat".
Eben. Trotz des großem Drucks war Zhang Ning im Finale erfolgreich. Die 29jährige Chinesin, die schon vor vielen Jahren ihre aktive Laufbahn begann, hatte mit der Holländerin Mia Audina noch ein Hühnchen zu rupfen. Beim Uber-Cup im Badminton vor 10 Jahren unterlag Zhang Ning, die damals noch eine hoffnungsvolle Nachwuchsspielerin war, der damals noch für die indonesische Nationalmannschaft startenden Mia Audina, wodurch China den Pokal für die Mannschaftswertung der Frauen verlor. Diese Niederlage hat Zhang Ning lange Zeit nicht verdaut. Sie konnte in der darauffolgenden Zeit die Spitze dieser Sportart nie wieder erreichen und versagte in allen wichtigen internationalen Turnieren. Zum Vergleich: Ihre damalige Teamkollegin Ye Zhaoying und ihre Nachfolgerin Gong Zhichao wurden Weltmeisterinnen und Olympiasiegerinnen, sind jetzt aber durch den famosen Erfolg Zhang Nings in den Hintergrund getreten. Als Zhang Ning diesmal in Athen ihre alte Gegnerin besiegte und dadurch olympisches Gold erkämpfte, wurden in ihr verschiedenste Gefühle wach:
"Beim Uber-Cup vor 10 Jahren waren Mia und ich noch jung. Damals hatte sie mich besiegt. Doch nach 10 Jahren habe ich viel an Erfahrung gewonnen, ich bin sehr gut in Form und ich bin psychisch und technisch gereift. Während des gesamten Wettkampfes habe ich zum Beispiel nie an mein Alter gedacht. Ich denke, dass meine sportliche Karriere unter diesen Voraussetzungen noch lange anhält".
Die Rechtshänderin besticht durch knallharte Schmetterbälle und durch stürmischen Offensivdrang. Im Jahr 1985, als sie 12 Jahre alt war, wurde Zhang Ning ins Badminton-Team der Sportschule der nordostchinesischen Provinz Liaoning geholt. Im Jahr 1991 kam sie in den Kader des Badminton-Nationalteams. Eigentlich erst in letzter Zeit machte Zhang Ning auf sich aufmerksam: 2002 war sie erfolgreich im Frauen-Einzel bei den Südkorea-Open und belegte den ersten Platz in der Weltrangliste. Ihr Come-back geriet schnell zu einem Triumphzug, den man ganz selten erlebt: Im vergangenen Jahr war ihr Spiel von großen Erfolgen gekrönt, sie gewann die Schweizer Open, Singapur Open, Deutschland Open und Hongkong Open sowie den Weltmeistertitel. Zhou Mi gönnt ihrer Teamkollegin ihre Erfolge natürlich, spricht jedoch von einem Wunder, weil es nicht selbstverständlich ist, noch mit 28 Jahren Weltmeisterin und mit 29 Jahren Olympia-Siegerin zu werden. Ohne ihren festen Willen und ihrer tiefen Liebe zum Badminton wäre dieser Erfolg unmöglich. Zhang Ning habe ihr Leben dem Badmintonsport gewidmet, so Zhou Mi weiter.
Das ist auf keinen Fall übertrieben. Mit 12 Jahren verließ Zhang Ning ihre Familie und begann ihre sportliche Karriere. Inzwischen sind fast 18 Jahre ins Land gegangen, in denen -- zusammengerechnet -- weniger als ein Jahr Zeit für die Familie blieb. Diese Tatsache belastete sie auch in dem Moment etwas, als ihr die Olympische Goldmedaille überreicht wurde. Natürlich vermisste sie ihre Familie bei dieser Zeremonie:
"Ich nehme an, dass meine Eltern das Finale am Bildschirm miterlebt haben. An diesem Moment wollte ich ihnen nur sagen, dass ich gewonnen habe."
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