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Deshengmen – Das torlose Tor
  2011-11-09 10:06:45  cri
 

„Das Tor des tugendhaften Sieges" wie das Deshengmen wörtlich heißt, hat schon bessere Tage gesehen. Wo einst die kaiserlichen Soldaten auf dem Weg in den Kampf hindurchmarschierten, verläuft heute Beijings stark befahrene zweite Ringstraße. Von der einst imposanten Befestigungsanlage ist nur der Wachturm mit seinen charakteristischen Schießscharten übrig geblieben. Bewachen tut er allerdings nicht mehr die Stadt und seine Bewohner, sondern neu einen Schatz von unschätzbarem Wert.

„Wenn diese Befestigungsanlage sprechen könnte, dann würde sie ohne jeden Zweifel ihren Wunsch nach Frieden äußern". Zu diesem Schluss sind die Macher der Dauerausstellung über das Deshengmen gekommen.

Das Deshengmen gehört zu den drei einzigen Stadttoren aus dem alten Beijing, die auch heute noch erhalten sind. Bis zum Ende des Kaiserreichs im Jahr 1911 war Beijings Innenstadt von einer massiven Mauer mit insgesamt neun Toren umgeben. Laut Guo Bao, dem Direktor des Museums im Deshengmen, ähnelte der Grundriss des alten Beijing einem t-förmigen Tetris-Baustein:

„Der Grundriss von Beijing sah in der Ming-Dynastie aus wie das chinesische Schriftzeichen „Tu 凸". Die Innenstadt hatte insgesamt neun Tore. Drei an der Südseite und jeweils zwei an den anderen drei Seiten. Die Außenstadt hatte sieben Tore. In der Ming-Dynastie war Beijing eine grandiose und prächtige Stadt. Heute sind nur noch die drei Tore Deshengmen, Zhengyangmen und ein Teil des Chongwenmen erhalten. In der Ming-Dynastie war Beijing stark befestigt. Neben den drei dicken Mauern um die Innenstadt, die kaiserliche Stadt und die Verbotene Stadt, ließen die Ming-Kaiser noch zwei Wassergräben zu ihrem besserem Schutz bauen."

Deshengmen heißt wörtlich übersetzt „Das Tor des tugendhaften Sieges". Dieser Name geht auf die siegverheißende Wirkung zurück, die dem Deshengmen im alten China nachgesagt wurde. In der Hoffnung auf das notwendige Schlachtenglück zogen die kaiserlichen Soldaten im Kriegsfall durchs Deshengmen in den Kampf.

Vom damaligen Glanz ist allerdings nicht allzu viel übrig geblieben. Ursprünglich war das Deshengmen eine fast 120 Meter lange und 70 Meter breite Verteidigungsanlage mit einem vierstöckigen Haupttor im Süden und einem kleinen Ausgangstor im Osten. Heute steht nur noch der 32 Meter hohe Wachturm am Nordende der halbkreisförmig angelegten Schutzmauer und der Xuanwu-Tempel davor. Der Tempel war dem „Dunklen Krieger" Xuanwu, eine Art Schutzpatron der Kampfkünstler, geweiht.

Mit dem Bau des Deshengmen wurde im Jahr 1368 begonnen. Fertiggestellt wurde das Tor aber erst 70 Jahre später. Die bis zu 27 Kilogramm schweren Bausteine wurden auf dem Wasserweg aus den Provinzen Zhejiang, Jiangsu und Shandong mühsam herangeschafft. Für die Qualität der Befestigungsanlage bürgte der kaiserliche Bauminister höchstpersönlich. Das sollte auch heute noch so sein, scherzt Museumsdirektor Guo Bao:

„Solche Steinplatten wurden früher in die Mauern eingelassen. Das sind die zwei einzigen gut erhaltenen Inschriften, die wir haben. Auf ihnen steht, dass die Mauer an dieser Stelle um etwa 30 Meter nach Westen erweitert wurde. Daneben stehen der Name des damaligen Bauministers und das Datum dieser Mauererweiterung. Obwohl die Mauererweiterung ein relativ kleines Projekt war, zeichnete der Bauminister höchstpersönlich dafür verantwortlich. Daraus lässt sich erkennen, welch großer Wert in der Qing-Dynastie auf die Bauqualität gelegt wurde."

Dass beim Bau des Deshengmen nicht gepfuscht wurde, sollte sich bereits vier Jahre nach seiner Fertigstellung zeigen. Trotz mehrmaliger Versuche gelang es den wütend anstürmenden Mongolen nicht, Beijing einzunehmen. Die 82 Schießscharten, eine der Besonderheiten des Deshengmen, hatten sich erstmals ausgezahlt.

„Das ist der Wachturm. Er verfügt nur an drei Seiten über Schießscharten. Da die Schießscharten der Verteidigung vor Feinden dienten, weist die der Innenstadt zugewandte Mauer keine Schießscharten auf. Anhand der Schießscharten lässt sich also erkennen, in welcher Richtung die Innenstadt liegt."

Auch dem Ansturm der Truppen von Huang Taiji, dem späteren Qing-Kaiser, im Jahr 1629 hielt das Deshengmen nahezu unbeschadet stand.

Was die Mongolen und die Armee von Huang Taiji nicht fertigbrachten, schaffte erst die Modernisierung zu Beginn des 20. Jahrhunderts – zumindest teilweise. Nach dem Aufkommen der Bahn und des Automobils stand das Deshengmen zunehmend im Weg. Im Jahr 1921 wurde sein massives Haupttor abgerissen. Die angrenzende Stadtmauer mit dem Osttor sollte wenig später dasselbe Schicksal erleiden, wie Guo Bao zu berichten weiß:

„Das ist das Haupttor des Deshengmen. Die Beijinger Bürger gingen hier ein und aus. Soldaten bewachten die Stadt von diesem hohen Torgebäude. Von hier aus wurden im Kampf auch die Befehle erteilt. Infolge von Finanzknappheit wurde das heruntergekommene Haupttor im Jahr 1921 abgerissen. Vor dem Tor verkehrte Beijings erste innerstädtische Eisenbahn. Zu ihrem Bau im Jahr 1915 wurde die Schutzmauer vor dem Tor abgerissen."

Wo einst die Soldaten des Kaisers in Reih und Glied in die Schlacht marschierten, rollt heute pausenlos der Verkehr der zweiten Ringstraße vorbei. Und von den Schießscharten des Wachturms blickt man direkt auf die Bushaltestelle hinunter, wo die Menschen an warmen Wochenenden Schlange stehen, um zur Großen Mauer zu fahren.

Während Busse, Autos, Motorräder und Fußgänger draußen um jeden Zentimeter kämpfen, scheint das seiner Tore beraubte Deshengmen seinen inneren Frieden endlich gefunden zu haben. Seit 1979 steht der Wachturm, das einzig verbliebene Gebäude der über 500 Jahre alten Verteidigungsanlage, unter Denkmalschutz. Und als ob man ihn für den Verlust seiner zwei Tore hätte entschädigen wollen, hat man im Jahr 1992 im leerstehenden Xuanwu-Tempel in seinem Schatten ein Münzmuseum eingerichtet. Seither beschützt das Deshengmen nicht mehr die Stadt Beijing und seine Bewohner, sondern seltene chinesische Geldstücke und Noten unterschiedlichster Prägung aus allen Dynastien.

Forum Meinungen
• mengyingbo schrieb "Leben in Changshu"
seit etwas über einer Woche ist nun Changshu 常熟 in der Provinz Jiangsu 江苏 meine neue Heimat - zumindest erstmal für rund 2 Jahre.Changshu (übersetzt etwa: Stadt der langen Ernte) liegt ungefähr 100 km westlich von Shanghai und hat rund 2 Millionen Einwohner, ist also nur eine mittelgroße Stadt.Es gibt hier einen ca. 200m hohen Berg, den Yushan 虞山 und einen See, den Shanghu 尚湖...
• Ralf63 schrieb "Korea"
Eine schöne Analyse ist das, die Volker20 uns hier vorgestellt hat. Irgendwie habe ich nicht genügend Kenntnisse der Details, um da noch mehr zum Thema beitragen zu können. Hier aber noch einige Punkte, welche mir wichtig erscheinen:Ein riesiges Problem ist die Stationierung von Soldaten der USA-Armee in Südkorea...
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