Die Kastration wurde in der Regel im Knabenalter vollzogen. Tian Yi war gerade neun Jahre alt. Sogenannte Eunuchen-Familien übernahmen in Beijing die blutige Prozedur gegen ein gewisses Entgelt, später sollte der Palast selbst eine medizinische Stelle einrichten. Vor allem in armen Familien war es jedoch gang und gäbe, die Kastration selbst durchzuführen. Die Methoden lassen jedem einen Schauder über den Rücken laufen – vor allem, wenn man bedenkt, dass so gut wie jede Betäubungsmöglichkeit fehlte. In den frühen Dynastien wurden Teil-Kastrationen durchgeführt. Gängige Praktiken waren die sogenannten Kastrationsknoten, das Zerquetschen oder Aufstechen der Hoden. Skandale um teilkastrierte Eunuchen, die ihre Sexualfunktionen wiedergewonnen hatten, ließen den Ruf am Kaiserhof nach einer vollständigen Entfernung der Geschlechtsteile laut werden. So wurde in späteren Dynastien neben den Hoden auch der Penis mit einem Messer abgetrennt.
Ausgestelltes Kastrationsmesser
Die „geopferten Stücke" wurden von den Entmannten sorgsam in einem Gefäß oder einer Gürteltasche aufbewahrt, um im Todesfall als „ganzer Mann" begraben und wiedergeboren zu werden. Ein in die Harnröhre gesteckter Gänsekiel sollte das Zuwachsen vermeiden. Viele der Knaben verbluteten oder starben an den Folgen einer Wundinfektion. Die überlebten, durften Teil der abgeschirmten Welt im Palast sein, was sie aber oft mit lebenslanger Inkontinenz bezahlen mussten.
Verbotene Stadt, die Heimat der Eunuchen
Innerhalb der Palastmauern herrschte eine strenge Hierarchie unter den Eunuchen. An der Spitze standen General- und Obereunuchen, wie Tian Yi. Sie galten als die „wahren Berater" des Kaisers. Denn im Gegensatz zu den Ministern und hohen Beamten war es ihnen gestattet, den Kaiser direkt und im Vertrauen zu sprechen. Wie so oft in der Geschichte, gab es auch unter den Eunuchen einige Machtbesessene, die ihre Funktion als „Gatekeeper" und „kaiserliche Berater" schamlos ausnutzten. Dies schadete dem Ansehen der Eunuchen. Nach und nach wurden sie als gierige und intrigante Wesen abgestempelt. Ganz unten in der Nahrungskette standen die gewöhnlichen Eunuchen und die sogenannten Jung-Eunuchen, die frisch am Hof weilten. Die Neuankömmlinge waren einem Meister unterstellt, dem sie blinden Gehorsam zu leisten hatten. Auf ihrem Karriereweg waren sie auf die Gnade ihres Lehrers angewiesen. Als Rangunterste dienten sie üblicherweise als einfache Boten, Köche oder Hausdiener.
Die Ära der Palasteunuchen endete 1924 mit der Verbannung aus der Verbotenen Stadt und nahm 72 Jahre später ein endgültiges Ende mit dem Tod des letzten Eunuchen Sun Yaoting. Dieser starb im Alter von 93 Jahren in einem Beijinger Tempel. Doch er bekam weder so ein schönes Grab wie sein „Vorgänger" Tian Yi, noch konnte er als „ganzer Mann" begraben werden. Denn Sun Yaotings Eltern hatten seine „Schätze" während der Kulturrevolution aus Angst vor Bestrafung entsorgt.
Wer nach dem Besuch des Tian Yi Grabes und Museums noch mehr über die Palasteunuchen erfahren möchte, kann einen Blick in die Biografie von Sun Yaoting werfen. „The Last Eunuch of China" schildert Sun Yaotings Reise vom armen Bauernjungen bis zum geschätzten Diener des letzten chinesischen Kaisers Pu Yi.
Hinkommen:
Tian Yi Grab, Tián Yì Mù (田义墓)
Shijingshan Qu, Moshi Kou Dajie 80 (石景山区, 模式口大街 80)
Anfahrt: U-Bahnlinie 1 bis Pingguoyuan, dann mit dem Taxi weiter
Öffnungszeiten: Mo-So 9-16 Uhr
Eintritt: 8 Yuan RMB
Tipp: Da die Beschilderungen in der Ausstellung in Chinesisch gehalten sind, ist es ratsam, einen chinesischen Begleiter mitzubringen. Ansonsten sind auch schon die Bilder aussagekräftig. Der Ausflug zum Eunuchen-Museum ist schön mit einem Besuch des Fahai-Tempels (法海) zu verbinden, in dem Fresken aus dem 15. Jahrhundert zu bewundern sind. Er liegt in nordöstlicher Richtung in Laufweite.
Text und Fotos: Tabea Nehrbass