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Chinesische Kalligraphie (Streben nach Prägnanz)

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Prägnanz: Konfuzianern und Daoisten ist die Anschauung gemeinsam, dass die verwirrende Vielfalt in der Natur und in der Welt der Menschen auf den einfachsten Elementen und auf gemeinsamen Regeln basiert.

Das Yi Jing, das "Buch der Wandlungen", steht für die Konfuzianer unter den alten Klassikern an erster Stelle. Es geht von zwei Kräften im Universum aus: Yin und Yang, weiblich und männlich, diese Unterscheidung ist prägnant und einfach. Yin und Yang stehen im Widerspruch zueinander, ihre Vereinigung aber ist der Ursprung allen Seins. Für den Menschen wird ein bescheidener Ton leichter zu verstehen und das Knappe leichter zu befolgen sein. Wenn die Menschen zugänglich sind und sich an klare Prinzipien halten, werden sie angemessen miteinander umgehen können.

Im Li Ji, dem "Buch der Riten", einem anderen konfuzianischen Klassiker, ist von Musik und Verbindlichkeit die Rede. "Da yue bi yi, da li bi jian", so heißt es im Original. "Da" bedeutet 'groß', "yue" ist die Musik, "yi" bedeutet 'leicht verständlich'. "Jian" ist 'einfach' und "bi" 'sicher', 'bestimmt' oder'müssen'. Li schließlich sind die Riten und Feiern, das Zeremoniell und die Umgangsformen. Wenn die großartigste und feierlichste Musik eingängig ist, wird sie am besten ihren Nutzen für die Bildung und Erziehung entfalten können, und so ist es auch mit den Ritualen.

"Lao Zi" fungiert auch als der Name des Buches, das der Tradition nach von Laozi verfasst wurde. Der andere Name für diesen zentralen Klassiker der Daoisten ist Dao De Jing, das "Buch vom Weg und von der Tugend". "Dao" ist für den chinesischen Einflußbereich mindestens ebenso wichtig wie 'logos' für den abendländischen, gleichzeitig ist dao in verschiedenen Bedeutungen auch bis heute ein häufiges Wort in der Umgangssprache. Im 42. Kapitel des Dao De Jing heißt es im Original: "Dao sheng yi, yi sheng er, er sheng san, san sheng wan wu." Yi, er, san ist 'eins, zwei, drei'. "Wan" bedeutet zehntausend', "wu" steht für 'Dinge, Materie', und "sheng" ist 'gebären'. Dao produziert eine integrale Materie, die wiederum zerfällt in zwei gegensätzliche Dinge. Aus den beiden entsteht etwas Drittes, und der nächste Schritt ist die Hervorbringung der Welt in all ihrer Vielfalt. An einer anderen Stelle heißt es:"Da yin xi sheng, da xiang wu xing." "Da" ist wieder 'groß', "sheng" und "yin" sind beide 'Klang', "xiang" und "xing" bedeuten 'Form'. "Xi" ist,selten', "wu" ist eine Negation. Das Lauteste ist nicht mehr hörbar, die größte Figur sieht aus, als hätte sie überhaupt keine Gestalt.

Man sieht es an allen traditionellen Kunstformen in China.

Das alte Theater (wie z.B. die Peking-Oper) ist sehr

skizzenhaft in seiner Methode der Darstellung. Auf der Bühne gibt es keine Kulissen, und auch fast keine Requisiten, da stehen höchstens ein Tisch und einige Stühle. Die Sänger und Schauspieler öffnen unsichtbare Türen, sie fahren mit einem unsichtbaren Wagen, mit einigen Schritten legen sie hunderte Meilen zurück; sechs oder sieben Menschen repräsentieren eine Armee. Von seiner Mimik und Gestik her stellt man sich vor, dass der Held ein Boot rudert, oder in einer Sänfte sitzt. Er scheint einen Pfeil in den Himmel zu schießen, und gleich darauf eine Wildgans vom Boden aufzuheben. Er macht es so echt, dass es die Zuschauer mitreißt. Im Unwahrscheinlichen liegt gerade das Glaubhafte, das Vorgetäuschte ist besonders echt, darin liegt erst die Kunst.

Mit spärlichen Strichen und wenigen Farben die Vielzahl der Dinge zu zeigen, das ist auch ein Prinzip in der chinesischen Malerei. Besonders im Xieyi-Stil ist man sehr sparsam, die Technik ist sehr frei. Und damit drückt der Künstler das "yi" in seinem Inneren aus, seine inneren Bilder, sein Gefühl und seine Auffassung. Er konzentriert sich nicht auf die äußere Form und strebt nicht danach, eine Figur täuschend echt und genau wiederzugeben. Was ihn interessiert, ist vielmehr der Geist, es ist sein Eindruck von einem Gegenstand, sein Verständnis, für ihn sollte dieser Gegenstand so aussehen. Ein verschwommener Umriss ist vielleicht lebendiger als eine lebensnahe Darstellung, er kann das Wesen des Gegenstandes erfassen und übermitteln.

Der sparsame Stil wurde am stärksten durch Ni Zan aus der Yuan-Dynastie vorangetrieben. Seine Landschaften sind sehr klar und unkompliziert, es gibt sehr wenig Farbe und keine Figuren.

In der Kürze liegt die Würze, das zeigt sich besonders deutlich in der alten chinesischen Dichtkunst. Es ist wie bei der Montagetechnik im Film: Einzelne, scheinbar zusammenhangslose Bilder werden aneinander gereiht, um einen starken Effekt zu erzielen.

Yu jie sheng bai lu, ye jiu qin luo wa.

Que xia shui jing lian, ling long wang qiu yue.

(Auf) Jadestufen entsteht weißer Tau, (wenn die) Nacht lange (dauert) dringt (die Kälte in ihre) Netzstrümpfe.

Doch (sie) senkt (den) kristallenen Vorhang, fein durchbrochen sieht (sie den) Herbstmond.

Hier beschreibt der große Li Bai aus der Tang-Dynastie mit 20 Zeichen (bzw. Silben) die schlaflose Nacht einer Palastdame. Ihre Gefühle werden nicht ausdrücklich benannt, aber ihre Klage ist dennoch zu spüren. An den Zeichen für ?fein durchbrochen" können sie rechts kleine Jadesteine sehen. Im ,Betrachten' sind die Jade und der Mond enthalten.

Guo yuan dong wang lu man man, shuang xiu long zhong lei bu gan.

Ma shang xiang feng wu zhi bi, ping jun chuan yu bao ping an.

(Zur) alten Heimat (nach) Osten schaue (ich) die endlose Straße entlang, (selbst mit) beiden ?rmeln (kann ich) Altersschwacher (mir) die Tränen nicht trocken (wischen).

Zu Pferde treffe (ich auf Sie, den Boten, und wir haben) weder Papier noch Pinsel, (ich ) verlasse mich auf Sie, (dass Sie) (meiner Familie zuhause) sagen, dass es (mir) gut geht.

Das ist ein Vierzeiler des Tang-Dichters Cen Shen.

Auch in der epischen Versdichtung kommt das für die chinesische Ästhetik charakteristische Streben nach Prägnanz zum Ausdruck. Eines der längsten Gedichte ist das "Chang hen ge", von Bai Juyi aus der Tang-Dynastie. Das Lied erzählt die tragische Liebesgeschichte des Tang-Kaisers Xuanzong und seiner Konkubine Yang Guifei. Yang war zuerst die Konkubine eines Prinzen, später kam sie in den Kaiserpalast und erwarb die Gunst des Kaisers. Ihr Bruder Yang Guozhong wurde deshalb als Beamter befördert. Er bildete eine Clique und manipulierte den Hof. Bald rebellierte eine Armeeeinheit, unter dem Vorwand einer Expedition gegen Yang Guozhong. Xuanzong floh in eine auswärtige Provinz. Auf dem Weg wurde Yang Guozhong von Soldaten getötet, und Guifei wurde von Eunuchen erwürgt. Bai Juyis siebensilbige Ballade im alten Stil erzählt von der Liebe des Kaisers, von den bestürzenden Veränderungen, vom letzten Abschied des Paares und von der Trauer des Kaisers, die ihn bis an sein Lebensende nicht losließ. Die Worte sind sparsam und lebendig, die Assoziationen sind fantastisch und mannigfaltig. Die Geschichte hat viele Wendungen, aber es gibt nur 120 Verse mit insgesamt 840 Schriftzeichen. Die Vorstellungskraft und das Denkvermögen des Lesers werden angeregt, es entsteht eine tiefe und nachhaltige Wirkung.

Im Vergleich sind viele Gedichte im Westen sehr lang. "Auld Lang Syne" von Robert Burns hat 24 Zeilen und mehr als 140 Wörter. "Ode to the West Wind" von P.B. Shelley besteht aus fünf vierzehnzeiligen Strophen. Und die epischen Gedichte im Westen sind noch viel länger. Sowohl die Ilias als auch die Odyssee bestehen aus je 24 Büchern. Ausführlich werden die Ursachen und Folgen jedes Sachverhaltes geschildert, unermüdlich bewegend werden die Charaktere und ihre Schicksale beschrieben. Aus seinen Taten soll man den Menschen erkennen, der tragische Ausgang rührt die Gemüter.

Dieser Gegensatz von Ausführlichkeit und Sparsamkeit kommt aus den Differenzen im Geist der Kulturen und in den Kunstauffassungen in Ost und West. Im Westen achtet man auf konkrete Unterschiede zwischen den Gegenständen. In der Beurteilung von Literatur sucht man die Vergegenwärtigung oder Nachahmung, betont die Besonderheit der Handlung, und strebt nach Spannung. Die traditionelle chinesische Kultur ist auf die geistige Gesundheit eines Menschen und auf eine seelische Verbundenheit zwischen den Menschen ausgerichtet. In der Literatur sucht man nach dem Ausdruck der Gefühle des Verfassers, der die Leser mit einfachen Handlungssträngen und Andeutungen im Inneren bewegen soll. Die Sprache kann ganz einfach und gewöhnlich sein, und dennoch kommt beim Leser ganz spontan eine Resonanz zustande. So singt und rezitiert man ein kurzes Gedicht noch nach Jahrtausenden, und es bleibt immer ein frisches Geheimnis.

Kommen wir jetzt zur Kalligraphie. Man kann sie gut als die simpelste von allen Künsten bezeichnen. Sie besteht nur aus schwarzen Punkten und Strichen; sie ahmt auch keine Gegenstände nach. Mit der Verbindung, Verteilung und Veränderung von Strichen, mit leichten, einfachen, zurückgenommenen, andeutungsweisen und symbolischen Verfahren entsteht ein Gefühl, eine Idee in der Form, eine Anmut in immer neuen Kreationen.

Die Theoretiker der Kalligraphie in alter Zeit haben nach Kräften versucht zu erklären, wie die sparsamen Linien Schönheit und Gefühl hervortreten lassen.

Zhang Huaiguan aus der Tang-Dynastie hat in "Wenzi lun" (Über die Schrift) gesagt: "Ein schriftlicher Text verwendet eine bestimmte Anzahl von Wörtern, um etwas auszudrücken. In der Kalligraphie aber sieht man schon an einem Zeichen Herz und Seele des Schreibers, man kann sie daher als den essentiellen Weg zur Prägnanz bezeichnen."

Der schlichte Charakter der Kalligraphie bestimmt ihre universelle Zugänglichkeit und Attraktivität. Für die Ausübung dieser Kunst braucht man keine komplizierten Werkzeuge. Die vier Schätze der Schreibstube sind leicht zu beschaffen. Und die Zeichen, die man dabei schreibt, sind vor allem Wörter des täglichen Gebrauchs, daher muß man vom alltäglichen Schreiben her nur einen weiteren Schritt nach vorne machen, um die Hallen der Kunst zu betreten.

Die Kalligraphie ist sehr praktisch und leicht zugänglich, ihre Ausübung ist aber keineswegs leicht. Von der Technik her gesehen ist es ein sehr kompliziertes Unterfangen, die Kalligraphie im Ganzen zu beherrschen. Auf jeden einzelnen Strich muß man achten, gleichzeitig aber auf ihre Kombination in einem Zeichen, und auf die Aneinanderreihung der Zeichen, die erst ein fertiges Werk von einer oder mehreren Zeilen ergeben. Es ist keineswegs leicht, die Beziehungen zwischen den Details und den größeren Einheiten in idealer Weise zu balancieren. Man kann es mit einem Artisten auf dem Einrad vergleichen, den ein sechster Sinn aufrecht zu halten scheint, wenn innere Konzentration und äußere Technik übereinstimmen. Leicht zu lernen, schwer zu vervollkommnen, diese Charakteristik der Kalligraphie macht auch ihre andauernde Faszination in allen Kreisen der Bevölkerung aus.

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